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Rwanda


From smm@wcc-coe.org
Date 14 Mar 1997 01:35:32

O"kumenischer Rat der Kirchen
Pressemitteilung
Zur Vero"ffentlichung frei
13. Ma"rz 1997

U"BEREILTE  VERSO"HNUNG UND VORSCHNELLE VERGEBUNG SIND
IN RUANDA NICHT MO"GLICH, ERKLA"RT O"RK-MITARBEITERIN

*Verso"hnung und Vergebung in Ruanda werden am Ende einer
langen, langen Reise stehen,* erkla"rt Genevieve Jacques,
Expertin des O"kumenischen Rates der Kirchen (O"RK) fu"r
internationale Angelegenheiten.

*Allerdings,* sagt G. Jacques, die gerade von einem Besuch in
dem Land zuru"ckgekehrt ist, *wird Ruanda von der
internationalen Gemeinschaft zu u"bereilter Verso"hnung und
vorschneller Vergebung gedra"ngt.*

*Dies verletzt zutiefst diejenigen, deren Angeho"rige wa"hrend
des Vo"lkermordes, der 1994 u"ber das Land hinwegfegte,
umgebracht worden sind. Unter den Ruandern herrscht heute
noch  lastendes Schweigen. Das Dra"ngen des Auslands auf
Verso"hnung und Vergebung deutet auf totales Unversta"ndnis
der Tatsache hin, dass der Genozid  erst drei Jahre zuru"ckliegt
und dass er das Ergebnis einer tiefgreifenden und weit in die
Geschichte zuru"ckreichenden Ideologie auf der Grundlage
ethnischer Spaltung war.*

Jacques hatte in Ruanda an einer panafrikanischen Konferenz
u"ber Frieden, Geschlechterdifferenz und Entwicklung
teilgenommen, die von der Regierung organisiert worden war.
Anschliessend nahm sie an einem Seminar teil, das der
Evangelische Rat von Ruanda (CPR) zum Thema *Die
Christenheit vor, wa"hrend und nach dem Vo"lkermord in
Ruanda* veranstaltet hatte, und arbeitete dort in einem
Arbeitskreis fu"r Kirchenfrauen mit.

Das CPR-Seminar brachte einen repra"sentativen Querschnitt
von ungefa"hr 60 Tutsi und Hutu kirchlichen Verantwortlichen
aus verschiedenen Kirchen zusammen, darunter Pastoren, die
erst ku"rzlich aus den Flu"chtlingslagern in Goma (Zaire)
zuru"ckgekehrt waren.

*Ruanda ist ein kleines Land, das zutiefst traumatisiert ist,*
berichtet Jacques. *Es besteht aus denen, die Opfer sind, und
denen, denen klar wird, dass Angeho"rige ihrer eigenen
Familien mit dem Morden zu tun gehabt haben.*

In dem Arbeitskreis, in dem sie mitgearbeitet hatte, waren die
Teilnehmerinnen von den Veranstaltern unter Berufung auf
christliche Grundsa"tze unter grossen moralischen Druck
gesetzt worden, denen zu vergeben, die ihnen Unrecht getan
haben. Eine der Frauen schrieb jedoch an die Wand: *Wie kann
ich vergeben, wenn mich bisher noch niemand um Vergebung
gebeten hat!*

Ruanda sieht sich laut Jacques ungeheuren Problemen
gegenu"ber. *Die Lage ist bedru"ckend. 70% der Bevo"lkerung
sind Frauen und Kinder. Millionen sind tief traumatisiert.* Unter
Hinweis auf die grosse internationale Schuldenlast Ruandas
sagt Jacques, eine der schrecklichen Ironien der Gegenwart
sei, dass die heutige Regierung Schuldendienste fu"r Gelder
leiste, die von der vorigen Regierung u.a. zum Ankauf von
Macheten und anderen Waffen fu"r den Vo"lkermord
verwendte wurden.

*Das Volk von Ruanda muss unbedingt wieder lernen, wie es
sich gemeinsam auf den Weg machen und wieder
zusammenarbeiten kann, und es gibt Anzeichen dafu"r, dass
das allma"hlich geschieht* sagt Jacques. Flu"chtlinge, die im
vergangenen Dezember in die Provinz Kibongo zuru"ckgekehrt
seien, ha"tten feststellen mu"ssen, dass ihre Ha"user und
A"cker von anderen besetzt worden waren. Jacques wurde
jedoch versichert, es gebe viele Beispiele dafu"r, dass die
aufeinandertreffenden Gruppen sich das Haus teilten, bis sie
gemeinsam ein neues bauen ko"nnten. Auch das Land werde
geteilt. *Es gibt positive Anzeichen dafu"r, dass der Andere
angenommen wird, dass man ihm das Existenzrecht zugesteht.
Dies ist noch nicht Verso"hnung, aber es ist ein wichtiger
Schritt auf dem Weg dahin.*

 Jacques beklagt, dass heute alle mo"glichen Leute
Verso"hnung nach Ruanda bringen wollen. *Genauso, wie die
ganze Welt nach dem Vo"lkermord nach Ruanda kam, um
humanita"re Hilfe zu leisten, kommen jetzt massiv Leute ins
Land, *um zu verso"hnen'.* Jacques selbst hat einen
unabha"ngigen Missionar aus Minnesota (USA) getroffen, der
gekommen ist, *um die Ruander miteinander zu verso"hnen'!
*Er sprach weder Franzo"sisch noch Kinyarwanda. Er trug
Armba"nder, Ringe, Blue Jeans und einen weissen
Ledergu"rtel. Es fehlte nur noch der Cowboy-Hut!*

Jacques ha"lt jedoch auch Kritik fu"r die grossen Kirchen und
die weltweite o"kumenische Familie bereit: *Fru"her gab es 12
evangelische Denominationen in Ruanda, heute sind es 48. Die
Fragmentierung in Ruanda spiegelt unsere eigene
Zersplitterung wider, und sie hilft nicht.*

Jacques ist der Meinung, die internationale o"kumenische
Familie mu"sse fu"r die Bedu"rfnisse Ruandas empfa"nglich
sein. Wir mu"ssen uns klar machen, dass unkoordinierte Arbeit
spaltet. Wir mu"ssen zu einer gemeinsamen Einscha"tzung der
Geschichte und der Theologie gelangen, die 

den ju"ngsten tragischen Ereignissen in dem Land zugrunde
liegt, und wir mu"ssen den Heilungsprozess begleiten und
aufmerksam zuho"ren, um was die ruandischen Kirchen
bitten.*

Finanzielle Hilfe ist no"tig, um beispielsweise Programme fu"r
Frauen und junge Menschen durchzufu"hren. Doch mu"ssen
die ruandischen Kirchen und die christlichen Organisationen
auch zugeru"stet werden, um sich der gewaltigen Aufgabe der
Verso"hnung anzunehmen. Vielleicht ko"nnen wir andere nach
Ruanda bringen, die vor a"hnliche Herausforderungen im Blick
auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Verso"hnung gestellt waren
und die u"ber ihre Erfahrungen berichten ko"nnten. Die
aktuellen Bedu"rfnisse sind spiritueller, soziologischer und
psychologischer Natur. Das ruandische Volk muss spu"ren,
dass es nicht allein ist.*

Jacques ha"lt die von dem CPR-Seminar erarbeitete Erkla"rung
fu"r a"usserst wichtig. *Sie ist ein gewaltiger Schritt nach vorn,
den die ruandischen Kirchen getan haben, denn sie ra"umen
zum erstenmal formell eine Komplizenschaft und
Mitverantwortung der Kirchen fu"r den Genozid ein.* In der
Erkla"rung heisst es auch, dass die Kirche mitten im
Verso"hnungsprozess stehen muss. Der vollsta"ndige Wortlaut
dieser Erkla"rung (auf Franzo"sisch und Englisch) ist auf
Anfrage erha"ltlich.

Genevieve Jacques steht fu"r Interviews zur Verfu"gung. Sie
spricht Franzo"sisch, Englisch und Spanisch.

**********
Der O"kumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von
inzwischen 330 Kirchen in u"ber 100 La"ndern auf allen
Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen.
Die ro"misch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche,
arbeitet aber mit dem O"RK zusammen. Oberstes
Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefa"hr alle
sieben Jahre zusammentritt. Der O"RK wurde 1948 in
Amsterdam (Niederlande) offiziell gegru"ndet. An der Spitze
der Mitarbeiterschaft steht Generalsekreta"r Konrad Raiser von
der Evangelischen Kirche in Deutschland.

O"kumenischer Rat der Kirchen
Presse- und Informationsreferat
Tel:  (41.22) 791.61.52/51
Fax:  (41.22) 798.13.46
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