From the Worldwide Faith News archives www.wfn.org


Feature: Integrierte Dorfentwicklungsprogramme in Kambodscha


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 15 Sep 1998 16:21:58

LWB-Weltdienst: Eine Schule fuer Saoren

Genf, 14. September 1998 (lwi) - Die Kleine mit dem Strohhut lacht ueber
die Weissen, die ihre Wasserbueffel mit einer Mischung aus Respekt und
Neugierde betrachten. Ihr gehorchen die maechtigen Tiere, die sie an einem
Seil durch die Nasenloecher fuehrt, aufs Wort. Saoren ist elf Jahre alt und
fuer die Wasserbueffel ihrer Familie und der Nachbarn verantwortlich. Den
ganzen Tag ueber hat sie die Tiere auf der Weide beaufsichtigt, jetzt sinkt
die Sonne, und Saoren bringt sie nach Hause. Zur Zeit muss sich Saoren nur
um die Tiere kuemmern. Erst wenn der Reis gesaet wird, gibt es wieder mehr
Arbeit. Fuer Saoren, ihre drei juengeren Geschwister und die Eltern, die in
dem kleinen Dorf Kruos in der Naehe von Battambang im Nordwesten
Kambodschas leben, ist diese Zeit nicht so sorgenfrei. Noch stapeln sich
die Reissaecke in ihrem Haus bis unters Dach, aber der Schein des
Wohlstandes truegt. Die letzte Ernte war schlecht, dieser Reis wird nur
noch zwei Monate reichen. Was dann wird, wovon sie dann noch drei Monate
leben sollen bis zur neuen Ernte -Schulterzucken. Wie jede fuenfte der
insgesamt 239 Familien -knapp 1500 Menschen -des Dorfes ist auch Saorens
Familie erst vor zwei Jahren zurueckgekehrt.

Neun bis zehn Jahre hatten die meisten von ihnen in Fluechtlingslagern in
Thailand gelebt, geflohen aus ihrer Heimat oder vertrieben durch die
Kaempfe zwischen Roten Khmer und Regierungstruppen. Erst 1994 noch
ueberfielen die Roten Khmer das Dorf und brannten alles nieder. Jede
zurueckgekehrte Familie bekam zwei Hektar Land von der Regierung
zugesprochen -aber ohne Wasser und Zugtiere nuetzt das wenig, auch wenn das
Land fruchtbar ist. In der Regenzeit gruent und waechst alles, aber den
Rest des Jahres muss das Wasser zum Trinken, Waschen und Kochen von weither
herangetragen werden Felder koennen davon nicht bewaessert werden.

"Als naechstes werden wir einen Kanal bauen vom Fluss bis hierher, dann
koennen wir auch in der Trockenzeit die Felder bewaessern und eine zweite
Ernte haben", berichten die Mitglieder des Dorfentwicklungskomitees. Kruos
gehoert -wie neun weitere Doerfer in der Naehe von Battambang -zum
"Integrierten Laendlichen Entwicklungsprojekt" des Weltdienstes des
Lutherischen Weltbundes (LWB).

Die Dorfentwicklungshelferin Peou Bopha Sokarika lebt mit den Menschen die
Woche ueber hier und faehrt nur am Wochenende in die Provinzhauptstadt
Battambang zu den Mitarbeiterbesprechungen: "Natuerlich bekomme ich mit,
was den Leuten wichtig ist. Sie haben die fuenf Maenner und die vier Frauen
des Komitees gewaehlt, und das entscheidet nun, in welcher Reihenfolge die
Probleme des Dorfes angegangen werden. Der LWB-Weltdienst hilft nur dort,
wo die Dorfbewohner aus eigener Kraft nichts tun koennen."

Als Beispiel dafuer mag die Schule gelten: Fuer Saoren und ihre drei
juengeren Geschwister gibt es bisher keinen Platz dort -wie auch fuer mehr
als die Haelfte der rund 600 Kinder des Dorfes. Ihnen allen stehen nur zwei
Raeume in der buddhistischen Pagode zur Verfuegung -auch bei Unterricht im
Schichtbetrieb viel zu wenig.

Deshalb haben die Dorfbewohner beschlossen, dass dieses Problem am
dringlichsten sei -und dass sie selbst fuer den Bau der Schule Sand und
anderes Baumaterial bereitstellen koennten. Platz genug war da -es fehlte
nur die Anleitung fuer den Bau eines soliden Gebaeudes mit fuenf
Klassenzimmern.

*Kleinkredite fuer einkommenschaffende Projekte

Hier sprang der LWB ein: Die Lehrlinge der Bauabteilung aus dem
Berufsbildungszentrum in Battambang -ebenfalls ein LWB-Projekt -absolvieren
nun den praktischen Teil ihrer Ausbildung in Kruos. So schleppen die
Dorfleute Wasser, Sand, Steine und Holz und fassen kraeftig beim Bau mit
an. Ganz nebenbei errichteten sie mit den Lehrlingen dann auch noch einige
Latrinen, und lernten etwas ueber den Bau mit Ziegeln und das Dachdecken.
"Das wird ihnen helfen, spaeter Reparaturen selbst durchfuehren zu koennen.
Und natuerlich sehen sie die Schule viel mehr als ihre eigene an, als wenn
wir sie ihnen fertig uebergeben haetten", sagt Sokarika.

Einen Grundstock fuer weitere Aktivitaeten haben die Bewohner und
Bewohnerinnen inzwischen mit ihrer Dorfsparkasse geschaffen: Jedes der
ueberwiegend weiblichen Mitglieder zahlt ueber mindestens zwei Monate lang
jede Woche einen minmalen Betrag ein und kann dann einen Kleinkredit fuer
einkommenschaffende Projekte bekommen. Der LWB-Weltdienst steuert maximal
30 US-Dollar pro Mitglied als
Basiseinlage bei.

Tien Huap, Saorens Mutter, hat sich von ihrem Kredit Huehner gekauft und
bei Sokarika Rat geholt ueber die noetigen Impfungen der Tiere.

Andere Frauen haben Schweine, Enten oder Geraetschaften und Material zum
Mattenweben oder anderes Handwerkszeug gekauft.

*Ganz oben auf der Wunschliste: ein Brunnen

Wie sich das Leben durch die Unterstuetzung durch den LWB veraendert, sieht
man auch in einem Nachbardorf: Nahe der Durchgangsstrasse, aber weit
entfernt vom Fluss, stand hier der Bau eines Brunnens ganz oben auf der
Wunschliste der Dorfbevoelkerung.

Das Brunnenbohrteam des LWB-Weltdienstes half mit schwerem Geraet, und die
gewaehlten "Brunnenverantwortlichen" gingen fuer eine Woche zur Schulung
ins Berufsausbildungszentrum nach Battambang. Sie kamen zurueck mit einer
selbstgebauten Wasserpumpe, die sie im Bedarfsfall auch selbst reparieren
koennen.

Seither sind viel weniger Menschen an Durchfall erkrankt. In den kleinen
Gaerten des Dorfes wachsen Ananas, Kohl, Tomaten, Zwiebeln und anderes
Gemuese. Das verbessert nicht nur die Ernaehrung der Dorfbewohner, sondern
ermoeglicht ihnen auch ueber den Verkauf an Durchreisende weitere Vorhaben
zur Dorfentwicklung zu finanzieren.

Die Schule in Kruos wird in wenigen Wochen fertig sein und dann der
Regierung uebergeben werden - das schreibt der Kooperationsvertrag zwischen
dem LWB und dem Erziehungsministerium vor. Ob die kleine Saoren dann dort
lernen kann, ist noch nicht sicher. Bisher waere es ihren Eltern nicht
moeglich gewesen, Saoren zur Schule zu schicken.

Schulgeld wird zwar keines verlangt, aber die Eltern muessen in Form eines
Reisdeputates selbst fuer die Bezahlung der Lehrer sorgen. 50 Kilogramm
Reis pro Jahr und Kind sind nur bei guter Ernte abzuzweigen -vielleicht
eher, wenn der Bewaesserungskanal die Zweiternte ermoeglicht.
Schuluniformen sind Vorschrift; Hefte und Stifte muessen gekauft werden.
Auch ohne den Reis kostet es rund 20 DMark pro Jahr, ein Kind in einem
kambodschanischen Dorf zur Schule zu schicken. 20 DMark in einem Land, in
dem das monatliche Durchschnittseinkommen einer Familie bei 25 DMark liegt.

Fuer ein Drittel der bisher 230 Schuelerinnen und Schueler in Kruos zahlt
der LWB dieses Geld, aber viele der Aermsten haben bisher nicht einmal den
Versuch gemacht, ihre Kinder zur Schule zu schicken.

(Anmerkung der Redaktion: Die Autorin des Beitrages, Regina Karasch,
arbeitet als Journalistin im Auftrag des Deutschen Nationalkomitees des
LWB, Lutherischer Weltdienst, in Stuttgart. Sie bereiste im Februar 1998
Kambodscha.)

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


Browse month . . . Browse month (sort by Source) . . . Advanced Search & Browse . . . WFN Home