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Bayerische Kirche tritt gegen Antijudaismus in Lehre und Praxis ein


From FRANK_IMHOFF.parti@ECUNET.ORG (FRANK IMHOFF)
Date 08 Dec 1998 16:50:16

Synode verabschiedet Erklaerung zum Thema Christen und Juden

Nuernberg (Deutschland)/ Genf, 7. Dezember 1998 (lwi) - Eine Absage an
jeglichen Antijudaismus hat die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche
in Bayern (ELKiB) in einem Grundsatzpapier formuliert. Als eine der
letzten Landeskirchen in Deutschland hat damit die bayerische mit der
"Nuernberger Erklaerung" eine Stellungnahme  zum Verhaeltnis von Christen
und Juden verabschiedet. Darin fordert sie dazu auf, sich um ein
Verhaeltnis zur juedischen Religion in "Respekt, Offenheit und
Dialogbereitschaft" zu bemuehen. Die Erklaerung wurde von der Synode, die
von 22. bis 27. November tagte, an einem historischen Ort verabschiedet,
denn die Stadt Nuernberg ist durch die damals dort verabschiedeten
Rassengesetze und die Reichsparteitage mit der Geschichte des
Nationalsozialismus unruehmlich verbunden.

"Die Frage nach dem Verhaeltnis von Christen und Juden fuehrt in die Mitte
des christlichen Glaubens" und stelle "eine fuer Kirche und Theologie
gleichermassen zentrale Lebensfrage dar", wird im Vorwort festgehalten.
Die Erklaerung nimmt zur bisherigen Geschichte und Theologie Stellung und
nennt konkrete Verpflichtungen fuer die kuenftigen Aeusserungen in der
kirchlichen Praxis.

Die ELKiB bekennt, als lutherische und als deutsche Kirche Anteil an der
Schuld der Shoah zu haben. Sie distanziert sich von antijuedischen
Schriften und Aeusserungen Martin Luthers sowie "von jedem Antijudaismus
in lutherischer Theologie". In diesem Zusammenhang fordert sie dazu auf,
Studien zu verstaerken, um sowohl dem Antijudaismus in der
Theologiegeschichte zu begegnen als auch das Schweigen und die
Verstrickung der bayerischen Kirche in die Judenvernichtung im Dritten
Reich aufzuklaeren. "Sowohl Aussagen Martin Luthers als auch bestimmte
Auspraegungen lutherischer Theologie haben antijuedische Wirkungen
hervorgerufen. Ueber die notwendige inhaltliche Distanzierung hinaus sind
deren Ursachen, Motive und Wirkungsgeschichte zu erforschen und fuer eine
kuenftige lutherische Theologie im Blick auf das christlich-juedische
Gespraech zu ueberdenken und zu kritisieren", heisst es.

Praktisch wird dazu aufgefordert, in Predigten und gemeindlicher Arbeit
pauschalierende und abwertende Gegenueberstellung von Judentum und
Christentum aufzugeben. "Die lutherische Kirche muss es sich zur Aufgabe
machen, religioese Intoleranz innerhalb der Kirche wie auch in der
Gesellschaft zu bekaempfen", heisst es weiter.

Bisherige Darstellungen des Judentums und Vergleiche mit dem Christentum
sollen in Gottesdienst, Schulunterricht, Erwachsenenbildung und
Mitarbeiterschulung kritisch ueberprueft und neues Lehrmaterial erarbeitet
werden. Es sei in Judentum und Christentum "Gemeinsames und je Eigenes zu
entdecken, das Trennende auf seine Gueltigkeit hin zu ueberpruefen und
darauf zu achten, dass entstellendes und diffamierendes Reden ueber Juden
und Judentum unterbleibt". Agenden, Gottesdiensthilfen, Lehrplaene und
-material sollen danach ueberprueft werden, ob sie genug und richtige
Information ueber die juedische Religion und Kultur vermitteln.

Die Gemeinden werden aufgefordert, "Verkuendigung und Unterricht so zu
gestalten, dass sich juedische Besucher und Besucherinnen dadurch nicht
verletzt oder diskriminiert fuehlen wuerden". Begegnungen mit Juden, die
angemessene Verwendung alttestamentarischer Texte und anderes sollen die
Kenntnisse ueber das Judentum erweitern. Ebenso sollen regelmaessige
Kontakte zwischen Vertretern und Vertreterinnen der Landeskirche und der
juedischen Gemeinden stattfinden.

Die Erklaerung aeussert sich auch zur Landfrage im Staat Israel. Der
Wuerdigung der Land-verheissung als besonderen und wichtigen Teil der
juedischen Religion stellt der Text die Sorge um die Rechte der
Palaestinenser und die Fortsetzung des Friedensprozesses gegenueber.

"Deshalb muessen wir verstaerkt darueber nachdenken, wie Gerechtigkeit
heute in der Region zu verwirklichen ist, ohne dass die gebotene
Solidaritaet gegenueber den juedischen Menschen vernachlaessigt wird",
folgert die Erklaerung.

Der bayerische evangelische Landesbischof Hermann von Loewenich hat sich
vor der Synode gegen christliche Judenmission ausgesprochen, ein
umstrittenes Thema, das die "Nuernberger Erklaerung" nicht erwaehnt. Das
"Verhaftetsein in einen Schuldzusammenhang einmaligen Ausmasses nimmt
meiner Generation die Vollmacht, Juden gegenueber missionierend von
unserem Glauben zu reden und sie zum Uebertritt in unsere Kirche
einzuladen", sagte Loewenich in Anwesenheit des Vorsitzenden des
Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis.

Er persoenlich sei zu der Ueberzeugung gekommen, "dass Gott uns dazu die
Vollmacht entzogen hat".

Die "Nuernberger Erklaerung" steht am Ende eines Schwerpunktjahres zum
Verhaeltnis von Christen und Juden. Die Synode hatte im April 1997
angestossen, dass die Gemeinden dieses Thema verstaerkt in ihren
Veranstaltungen behandeln.

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Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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