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Kambodscha: Hilfe auf vermintem Terrain


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 08 Dec 1998 16:52:19

Entwicklungshelfer und Minenraeumer muessen ihre Zusammenarbeit
koordinieren

Genf, 7. Dezember 1998 (lwi) - Minenraeumer und
Entwicklungshilfeorganisationen muessen kuenftig dringend enger und besser
zusammenarbeiten als bisher. Dies ergab die Evaluierung der Zusammenarbeit
zwischen der Abteilung fuer Weltdienst im Lutherischer Weltbund (LWB) mit
einer Organisation von Minenraeumern in Kambodscha. Im Auftrag des LWB und
der Hilfsorganisation der Daenischen Evangelisch-Lutherischen Volkskirche
DanChurchAid hatten im Oktober drei Experten das Projekt evaluiert. Sie
empfehlen vor allem, die Koordination zwischen den beiden Organisationen
zu verstaerken, indem die Partnerschaft auf eine formellere Basis gestellt
und eine Person - seitens des LWB - als Koordinator verpflichtet werden
soll. "Die Organisationen, die Minen raeumen, muessen mehr ueber
Entwicklungsarbeit lernen", nannte Bo Bischoff, einer der Pruefer, eine
der kuenftigen Anforderungen. "Der LWB ist im Anfangsstadium, es gibt noch
viel zu tun", resuemierte Lennart Skov-Hansen, der Leiter der Abteilung
Nothilfe bei DanChurchAid.

Nach den Empfehlungen der Pruefungskommission sollen mehr Personen und
Ausruestung fuer das Minenraeumen eingesetzt werden und die Finanzierung
entsprechend dem Planungszeitraum der LWB-Projekte auf vier Jahre
ausgedehnt werden. Dabei muesse zu Beginn ein grosser Teil der Mittel in
die Aktivitaeten des Minenraeumens fliessen, spaeter mehr in die
Entwicklungsarbeit. So gehen Entminung und die laendliche Entwicklung
ineinander ueber, und die Nachhaltigkeit der Massnahmen wird
gewaehrleistet. Auch fuer die Entminung gilt, dass Indikatoren fuer die
sozialen Auswirkungen gefunden werden muessen, um besser abschaetzen zu
koennen, ob die angestrebten Ziele erreicht wurden.

Der Entminungsexperte Niels Kamp informierte ueber die bevorstehende
Eroeffnung einer Ausbildungsstaette fuer Humanitaeres Minenraeumen (HMA)
des daenischen Aussenministeriums. In DANDEC (Dansk Demeining Center)
sollen, wie schon in vergleichbaren Einrichtungen in Schweden und
Norwegen, ab Anfang 1999 Fachkraefte ausgebildet werden, die dann in
minenverseuchten Gebieten eingesetzt werden koennen. "Wir stellen die
Professionalitaet zur Verfuegung, die dann von den Hilfsorganisationen
genutzt werden kann", erklaerte Kamp und verwies auf die hohen
Anforderungen, die die Entfernung von Minen stellt: Waffentechnik,
Landvermessung zur Demarkation gefaehrlicher oder geraeumter Gebiete,
Qualitaetskontrolle, medizinische Versorgung und mehr.

LWB-Weltdienst leistet seit 1980 in Kambodscha Entwicklungshilfe,
zunaechst in fuenf Provinzen im Westen des Landes. Seit 1994 liegt der
Schwerpunkt auf Programmen zur integrierten laendlichen Entwicklung. Seit
1996 zogen sich die Roten Khmer zurueck, aus ihren Lagern wurden eine
grosse Zahl Gefangene entlassen, die in ihre Doerfer zurueckkehrten und
ihren Lebensunterhalt als Kleinbauern bestreiten wollten. Die
LWB-Programme, die, beispielsweise durch landwirtschaftliche Ausbildung
und die Vergabe von Kleinkrediten fuer Frauen die Dorf- und
Agrarentwicklung und die Schaffung von Einkommen foerderten, gewannen
dadurch an Bedeutung. Gleichzeitig wurde die Bedrohung durch die ueberall
gelegten Landminen besonders deutlich. "Es geht nicht allein darum, Tote
und Verletzte zu zaehlen", unterstrich Niels Kamp, der auch ein Mitglied
der Pruefungskommission war. Die Landminen behindern die Entwicklung der
laendlichen Regionen in einem viel umfassenderen Sinn. Sie verhindern den
sicheren Zugang in Gebiete, den Wiederaufbau der Infrastruktur, den
Transport von Guetern, die Bestellung der Felder. Damit haben sie ernste
Nebenwirkungen: Fehlernaehrung, Mangel an Ausbildung, fehlende
Gesundheitsversorgung. "Langfristig fordert dies mehr Menschenleben als
die Minen selbst", heisst es in dem Bericht.

Organisationen, die sich mit dem Problem der Demarkierung und Beseitigung
von Landminen befassen, tun dies mit unterschiedlichen Zielen. So
konzentriert sich in Kambodscha die staatliche Organisation CMAC
(Cambodian Mines Action Centre) auf das Minenraeumen in Gebieten, die der
Regierung als wirtschaftlich wertvoll gelten und weniger auf humanitaere
Aspekte.

*Nicht-Regierungsorganisationen setzen sich fuer die Landbevoelkerung ein

Im Gegensatz dazu fuehren Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) Projekte
durch, die die Beduerfnisse der Bevoelkerung vor allem auf dem Land im
Blick haben. Diese Projekte, die "Humanitaere Aktion in verminten
Gebieten" genannt werden (HMA, Humanitarian Mine Action), bieten ein
Buendel von Mass-nahmen, die nicht allein den technischen Aspekt des
Minenraeumens umfasst. Die Prioritaeten richten sich nach den
Beduerfnissen der Bevoelkerung. Sie entminen zum Beispiel Zufahrtswege und
landwirtschaftlich genutze Gebiete, demarkieren gefaehrliches Terrain,
schulen die Bevoelkerung in medizinischer Notfallversorgung und in
Strategien, mit der taeglichen Bedrohung moeglichst sicher zu leben. Die
NGO HALO Trust (Hazardous Area Life Support Organisation Trust) will
kuenftig ihre Kapazitaeten fuer die Schulungs- und Bewusstseinsbildung der
Bevoelkerung ausbauen. Nach dem Bericht von DanChurchAid verfolgt die
britische NGO MAG (Mines Advisory Group) als einzige Organisation das
Konzept einer umfassenderen Hilfe in verminten Gebieten, indem sie bereit
ist, eng und organisatorisch koordiniert mit Organisationen
zusammenzuarbeiten, die Entwicklungshilfe leisten.

Als der LWB-Weltdienst 1995 im Oral-Distrikt - als einzige auslaendische
Hilfsorganisation - sein Entwicklungsprogramm begann, sobald dies die
Sicherheit im Land ermoeglichte, erkannte er die Notwendigkeit, HMA in
seine Projekte zur laendlichen Entwicklung in Kambodscha einzubeziehen. Im
Dezember 1997 begann der LWB Kooperationsverhandlungen mit MAG, nachdem
die daenische Kirchenorganisation DanChurchAid die Finanzierung sicherte.

Das koordinierte Projekt soll 2000 armen Familien helfen, sich wieder im
Oral-Distrikt anzusiedeln. Dazu sollen auf 47 Hektar Land die Minen
geraeumt werden. Erstes und wichtigstes Ziel ist, auf und an der Route 42,
der Zugangsstrasse, die Minen zu entfernen und die Strasse wieder
aufzubauen. Als naechstes soll das Krankenhaus speziell zur Behandlung der
von Minen Verletzten ausgebaut werden.

Anschliessend sieht der Plan vor, die Umgebung der Doerfer zu sichern.
Parallel dazu sollen Aktionen im Bereich der Entwicklungshilfe die
Bevoelkerung unterstuetzen, Haeuser zu bauen, Brunnen zu graben, eine
Schule aufzubauen und Gesundheitsvorsorge zu betreiben.

Dass das Projekt derzeit seinem Zeitplan hinterherhinkt, wird
verschiedenen Faktoren wie schlechtem Wetter, Sicherheitsbedenken,
unzureichender Ausstattung und Verzoegerungen bei der
Vertragsunterzeichnung angelastet. Bis Mitte 1999 soll die Zufahrtsstrasse
soweit entmint sein, dass das Sangke Santop Krankenhaus wieder erreicht
werden kann. Die Traeger fuerchten allerdings, dass die Finanzierung
auslaeuft, bevor dieses Ziel erreicht wird, und setzen sich deshalb
dringend fuer eine Fortsetzung des gemeinsamen Unternehmens ein.

Aus den Erfahrungen der letzten Jahre schliessen die Pruefer, dass
Minenraeumer und Entwick-lungs -- hilfe-organisationen dringend enger
zusammenarbeiten muessen als bisher. Dafuer spricht, dass besonders zu
Beginn der Entminungsaktion hohe Kosten entstehen, indem teure Ausruestung
beschafft und Fachleute ausgebildet werden muessen.

Wenn die Finanzierung zu frueh aufhoert, erzielen diese hohen
Investitionen nur wenig Wirkung. Die grotesken Folgekosten, die die
Kriegsfuehrung mit Landminen verursacht, rechnete Bo Bischoff vor:
Waehrend eine Tellermine fuer etwa fuenf US-Dollar zu kaufen ist, muss mit
200 bis 5000 Dollar gerechnet werden, je nach der Beschaffenheit des
Gelaendes und des Bodens, um willkuerlich verstreute Minen wieder zu
finden und unschaedlich zu machen. Eine Person mit einem Minendetektor
koenne 15 bis 30 Quadratmeter pro Tag untersuchen, wobei die meiste Zeit
aufgewendet werden muss, um den Pflanzenbewuchs zu entfernen.

MAG erkennt zunehmend, dass die Minenraeumer auch das Expertenwissen der
Entwicklungsfachleute brauchen, denn ihre Sponsoren fordern immer mehr
Auskunft ueber die sozialen Folgen ihrer Arbeit. "HMA muss mit Entwick-lungs-mass-nahmen gekoppelt werden, wenn sichergestellt werden soll, dass
das Land fuer den beabsichtigten Zweck genutzt wird", stellten die Pruefer
fest. Denn "eine der ungluecklichen Erfahrungen" in Kambodscha sei, dass
entmintes Land oft von Grundstueckspekulanten, auslaendischen Firmen oder
Regierungsbeamten gekauft werde und die Kleinbauern leer ausgehen.

Ein Fazit der Projektpruefung spricht dafuer, die Zusammenarbeit zu
verstaerken: "Das Geld, das zusaetzlich fuer die Minenraeumung eingesetzt
wird, erhoeht die Wirkung des Programme in hohem Masse".

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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