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Kommentar: "Alle Menschenrechte - unsere Rechte für alle"


From "Christian B. Schäffler" <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date 21 Dec 1998 08:34:06

21. Dezember 1998
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
CH-4003 Basel, Schweiz

Kommentar: "Alle Menschenrechte - unsere Rechte für alle"
von Dr. Maurice Verfaillie*

"Alle Menschenrechte - unsere Rechte für alle". Durch die 
Verbreitung dieses vom Hohen Kommissariat der 
Menschenrechte gewählten Mottos möchten die Vereinten 
Nationen die Welt in diesem Jahr ganz speziell an die 
Bedeutung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 
erinnern, die von der UN-Generalversammlung am 10. 
Dezember 1948 in New York beschlossen wurde und 1998 
ihren 50. Geburtstag feiert. 1948 war diese Erklärung das 
umfassendste Dokument zum Thema Menschenrechte. Sie 
fand auch international die breiteste Zustimmung. Sie enthält 
verschiedene fundamentale Prinzipien, vor allem aber das 
Recht auf Freiheit und Gleichheit. Wenn sie konsequent 
ausgelegt wird, werden alle Unterschiede der Sprache, der 
Religion, der politischen Lage oder der sozialen Herkunft 
bedeutungslos. 

Ein wesentlicher Grundgedanke wird im ersten Artikel 
ausgedrückt, der proklamiert, dass alle Menschen frei und 
gleich in ihrer Menschenwürde und ihren Rechten geboren 
werden, dass sie mit Verstand und Gewissen ausgestattet 
sind und einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen 
sollen. Die Allgemeine Erklärung wurde auf dem Hintergrund 
der grossen Tragödie der zwei Weltkriege, die die ganze 
Menschheit erschütterte, formuliert. In ihrem Geist und 
Buchstaben spiegelt sie deshalb vor allem die fundamentalen 
Bedürfnisse jedes Menschen und die Hoffnung auf eine 
bessere Gesellschaft wider.

Doch für die Unterzeichnerstaaten hat diese Erklärung 
keinen verpflichtenden Charakter. Sie ist kein internationaler 
Vertrag. Als sie verfasst wurde, war die Mehrzahl ihrer 
Initiatoren der Meinung, dass sie keine juristische Grundlage 
benötige. Sie profitierte vom neu erwachten Gewissen und 
sollte einen ersten Schritt darstellen. Bei der abschliessenden 
Formulierung gab man dem moralischen Aspekt Priorität vor 
der juristischen Verpflichtung, und die Zeit, die seitdem 
verstrichen ist, hat gezeigt, dass die Erklärung hoch 
geschätzt wurde. Ihre Autorität wächst zunehmend, zu einen 
aufgrund ihrer moralischen Bedeutung und zum andern, weil 
sie aus dem höchsten repräsentativen Gremium der 
internationalen Gemeinschaft entstand. Deshalb hat sie 
einen grossen Einfluss auf die Schaffung nationaler und 
internationaler Normen.
Seit 1948 bezeugen diesen Einfluss zahlreiche juristische 
Dokumente, die von den Vereinten Nationen verabschiedet 
wurden, darunter der Internationale Vertrag über die zivilen 
und politischen Rechte, die Erklärung über die Eliminierung 
aller Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund 
von Religion, persönlicher Überzeugung oder anderer 
Gründe, die Dokumente verschiedener internationaler oder 
regionaler Gremien wie der Organisation Amerikanischer 
Staaten, des Europarates, der Organisation für Afrikanische 
Einheit, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in 
Europa - sie alle nehmen auf diese Erklärung Bezug. Heute 
kommt man immer mehr dazu, sie in den Ländern, die die 
Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet haben, als 
geltendes Recht zu betrachten.

Anlässlich des fünfzigsten Jahrestages ihrer Unterzeichnung 
kann man sich fragen, welche Beziehung zwischen der 
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Religion 
besteht. Seit Beginn des Christentums führten bereits 
bestimmte Elemente seiner Tradition, die ihre Inspiration 
aus dem biblischen Text nahmen, zur Betonung der Achtung 
vor dem Menschen und der Ablehnung einer gewaltsamen 
Errichtung von staatlicher Autorität. Jesus selbst hat die 
Nächstenliebe betont, sogar die Feindesliebe: "Ich aber sage 
euch: Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch 
verfolgen!" (Matthäus 5,44). Er distanzierte sich auch von 
der Vorstellung, der im Alten Testament vorhergesagte 
Messias werde sein Konzept mit Hilfe von Zwang und 
Diskriminierung durchsetzen:
"Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von 
dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen ... nun 
aber ist mein Reich nicht von dieser Welt" (Johannes 18,36). 
Die Vorstellung von der Würde des einzelnen Menschen als 
Kind Gottes, nach seinem Bild geschaffen und ausgestattet 
mit einem freien Gewissen, entspricht auch dem 
Menschenbild, dass das jüdisch-biblisches Christentum dem 
Westen überliefert hat. 

Wenn dieses Ideal der menschlichen Gleichheit und Würde 
im christlichen Denken immer erkennbar gewesen wäre, 
müsste es nicht immer wieder in diversen Dokumenten 
beschrieben werden. Doch in der Geschichte der westlichen 
Kultur wurden auch immer wieder grosse Siege zugunsten 
der Menschenrechte errungen: 1215 die Magna Charta, 1776 
die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, 1793 
die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich 
- aber der grosse Schritt auf diesem Wege war sicher die 
Festschreibung dieser Rechte in der Allgemeinen Erklärung 
der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1948.

Inmitten der Problematik dieser Rechte stellt die religiöse 
Freiheit einen der wichtigsten Faktoren des  sozialen Lebens 
dar. Sie spielt bei den wichtigsten Forderungen, die 
diesbezüglich an Regierungen gestellt werden, eine 
wesentliche Rolle. Die Berichte über religiöse Intoleranz, 
die der Menschenrechtskommission vom Sonderbeauftragten der 
Vereinten Nationen, M. Abdelffatah Amor, vorgelegt werden, 
bestätigen dies. Diese Feststellungen unterstreichen immer 
wieder die religiöse Bedeutung des Artikels 18 der Allgemeinen 
Erklärung der Menschenrechte, der besagt: "Jeder hat das Recht 
auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht 
schliesst die Freiheit ein, seine Religion oder seine 
Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion 
oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit 
anderen, öffentlich oder privat, durch Lehre, Ausübung, 
Gottesdienst oder Kulthandlungen zu bekennen."

Die Prinzipien der Menschenrechte wurden zwar unter dem 
Einfluss europäischen Gedankengutes formuliert, doch die 
darin enthaltenen Prinzipien sind universal gültig. Es stellt 
allerdings eine überaus komplexe Herausforderung dar, 
diese Rechte in Kulturen zu verwirklichen, denen sie 
historisch und geographisch betrachtet noch fremd sind. Hier 
bleibt noch viel zu tun.

(* Dr.  Maurice Verfaillie ist Abteilungsleiter für Kommuni-
kation und Religionsfreiheit der Euro-Afrika Division [trans-
kontinentale Kirchenleitung] der Siebenten-Tags-Adventisten 
in Bern.) 


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