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Fluechtlinge in Nepal: Bedrohung oder Chance?


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 23 Dec 1998 10:34:26

Unter guenstigen Voraussetzungen spornen die Fluechtlingslager die
Dorfentwicklung an

Genf, 21. Dezember 1998 (lwi) - Rund 94.000 Fluechtlinge aus Bhutan leben
seit sieben Jahren in Lagern im Nachbarland Nepal. Die sieben Lager in den
Distrikten Jhapa und Morang belasten die umliegenden Doerfer. Aber auf die
nepalesische Bevoelkerung wirkt sich die Anwesenheit der Fluechtlinge sehr
unterschiedlich aus, je nachdem, was ihre Kommune aus der schwierigen Lage
macht. Ein Bericht aus dem Weltdienst des Lutherischen Weltbundes (LWF)
zeigt an zwei Beispielen, wie die Arbeit von Hilfsorganisationen durch die
Eigeninitiative der Bevoelkerung und zupackender Lokalpolitiker zur Chance
fuer die Dorfentwicklung werden kann.

Madhumalla, mit einer Bevoelkerung von 17.750 und zwischen vier groesseren
Lagern gelegen, zeigt klare Anzeichen des Fortschritts, obwohl es nach wie
vor sehr arm ist. Die treibende Kraft heisst Kashinath Poudel. Der
lebhafte und durchsetzungsstarke Buergermeister hat es sich auf die Fahne
geschrieben, die arme Gemeinde zu entwickeln, ob mit oder ohne
Fluechtlinge. Er gab seinen vielversprechenden Beruf als Schulleiter auf,
um einen Traum zu verwirklichen: Madhumalla zum bestentwickeltsten
Unterbezirk im Suedosten des Landes zu machen.

Inzwischen haben alle vier Schulen des Gebiets einen Block angebaut. Eine
der Schulen, die zwei Bloecke mit Klassenzimmern einschliesslich
Sanitaerraeumen anbaute und Moebel und Lehr- material anschaffte, erfuellt
jetzt die Anforderungen der Regierung fuer eine Sekundarschule, wurde
damit registriert und erhaelt staatliche Unterstuetzung. Die unzureichende
Wasserversorgung wurde behoben, nachdem das fuenfte von sieben
Schwerkraftgetriebenen Leitungssysteme im September zu arbeiten begann und
zusaetzlich 30 Pumpbrunnen in dem Dorf gebaut worden waren.

Die Investitionen wurden ueberraschenderweise gerade wegen der
Fluechtlinge moeglich. Die Gemeinde konnte das  Programm zur Verbesserung
der Lage der von Fluechtlingen beeintraechtigten Gebiete" (RARP) des LWB
ausnutzen. Ziel dieses Programmes ist es, die erschreckend grossen
Unterschiede zwischen den relativ gut gefuehrten Fluechtlingslagern und
den umliegenden Doerfern zu ueberbruecken. Aber Madhumalla hat sich nicht
nur auf das RARP-Programm verlassen, sondern eigene Ressourcen mobilisiert
und darueber hinaus weitere externe Geldquellen erschlossen,
einschliesslich der Deutschen Entwicklungsgesellschaft, UNICEF, der
Deutschen Botschaft und des Rotary Clubs.

Aus dem RARP-Programm wurden 75 Prozent der Kosten fuer die Verbesserungen
des Schul- und Wasserversorgung beglichen. Das restliche Viertel ist fuer
die Gemeinde immer noch ein grosser Brocken. Aber die Beteiligung der
Kommune ist ein entscheidender Faktor fuer ihren Fortschritt. Ausser den
Bauvorhaben begannen die Einwohner auch Ausbildungsprogramme in
Rechtsfragen fuer 30, in Gartenbau fuer 32 Frauen sowie Strassentheater
zur Aufklaerung ueber Umwelt- und Hygienebewusstsein. Es gibt jetzt
Muellbehaelter am Marktplatz und 12 Trinkwasserbrunnen. Einige Vorhaben,
die ganz aus eigenen Mitteln der Gemeinde getragen werden, sind
weitsichtig: In den letzten fuenf Jahren wurden entlang des Flusses Mawa
600.000 Baeume gepflanzt, um die Erosion zu bekaempfen, die
Umweltbedingungen zu verbessern und in Zukunft Brennholz zu gewinnen,
damit Einkommen zu schaffen und Madhumallas Fortschritt langfristig zu
sichern. Selbst landlose Familien konnten auf dem Land am nun gesicherten
Flussufer angesiedelt werden - 150 Familien in den letzten 12 Monaten, wie
Poudel berichtet. In der Lokalpolitik gelang es, Zwist und
Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Parteien und ihren Anhaengern
weitgehend zu begraben.

Nur vier Kilometer weiter liegt Dumshe. In der Monsunzeit ist der Zugang
zu dem Ort abgeschnitten, wenn der Mawa Hochwasser fuehrt. Auf den kleinen
Ort von 1.750 Einwohnern hat sich die Naehe des grossen Fluechtlichslagers
Beldangi mit 30.440 Buthanern und Bhutanerinnen ueberwiegend
zerstoererisch ausgewirkt. Die Mehrheit der 75 Familien besitzt kein Land,
die uebrigen 60 Familien sind Kleinbauern mit kleinen Landparzellen. In
schlechten Zeiten muessen beide Gruppen ihre Arbeitskraft fuer nur 15
Rupien (0,22 USDollar) am Tag verkaufen - weil es so viele billige
Arbeitskraefte gibt. Diese Familien muessen damit aber, im Gegensatz zu
den Fluechtlingen, ihren Lebensunterhalt verdienen, waehrend die
Fluechtlinge zwar offiziell nicht arbeiten duerfen, sich aber tatsaechlich
ein Zusatzeinkommen zu ihrer gesicherten Grundversorgung erarbeiten. Die
Fluechtlingslager erhalten Hilfe internationaler Organisationen. Inmitten
des armen und unterentwickelten Gebietes bildet sich so ein Gefaelle
heraus zwischen der armen nepalesischen Bevoelkerung und den Bhutanern,
die zwar ebenfalls arm sind, aber durch die Betreuung der
Hilfsorganisationen besser versorgt sind.

Auch die Umweltbedingungen um Dumshe haben sich verschlechtert. Der
Grundwasserspiegel sank. Die Fluechtlinge sammeln in den Waeldern der
Umgebung Brennholz, so dass die Wege fuer die Frauen, die Holz sammeln,
immer weiter werden. Klagen ueber Kriminalitaet und Diebstaehle haeufen
sich. Die Fluechtlinge haben weitere Vorteile, zum Beispiel in der
Krankenversorgung, die den Neid schueren.

Auch in Dumshe brachte das RARP-Programm einige nuetzliche Verbesserungen.
Der Primaerschule wurde ein Klassenzimmern mit Ausstattung angebaut. Zehn
Pumpbrunnen, die sich jeweils fuenf Nachbarn teilen, liefern Trinkwasser.
Aber die Bevoelkerung zeigt wenig Eigeninitiative und nutzt die
Verbesserungen weniger, als sie koennte.

Am noetigsten braucht dieser Ort und die am meisten benachteiligten
Gruppen generell, dass sie mobilisiert und organisiert werden, befindet
ein Bericht des LWF aus Nepal. Nur wenn das Bewusstsein waechst und eine
zuversichtliche Haltung aufgebaut werden kann, wird dieses Dorf
Fortschritte machen, heisst es in dem Bericht. Fuer den LWF stellen die
beiden Beispiele eine Herausforderung dar: wie kann das RARP-Programm fuer
beide Szenarien einen entscheidenden und nachhaltigen Fortschritt
anstossen? Das Ziel ist es - so, wie es Madhumalla vorfuehrt -, die
Anwesenheit der Fluechtlinge von einer Bedrohung in eine
Entwicklungschance zu verwandeln.

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redakteurin: Karin Achtelstetter
E-mail: ka@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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