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Theologische Ausbildung entscheidend fur die Mission der Kirche


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 22 Sep 1999 07:29:13

Weiterentwicklung der Lehrinhalte auf der Tagesordnung einer
LWB-Konsultation

Rom (Italien)/Genf, 22. September 1999 (lwi) - Die theologische Ausbildung
hat eine Schlusselrolle in der Entwicklung einer Sprache fur Verkundigung
und Lehre in der Kirche, die gottgefallig, konfessionell glaubwurdig,
okumenisch verbindlich und kulturell uberzeugend ist. Das erklaren
Theologieprofessoren und -professorinnen lutherischer und okumenischer
theologischer Institutionen aus verschiedenen Regionen der Welt.

Zum Abschluss einer Konsultation zur theologischen Ausbildung des
Lutherischen Weltbundes (LWB) in Rom (Italien) vom 23. bis zum 27.  August
1999 formulierten Theologen und Theologinnen an Lehrinstitutionen in 33
Landern aus allen Regionen der Welt eine Botschaft, in der sie die Kirchen,
die theologischen Institutionen und den LWB ermutigen, den Prozess der
Uberprufung und Neubestimmung theologischer Ausbildung im Dienst der
Mission Gottes fortzusetzen.

Es folgt der gesamte Text der Botschaft der Konsultation:

27. August 1999
Evangelische Lutherische Christuskirche in Rom, Italien

Liebe Kolleginnen und Kollegen in der theologischen Ausbildung:

Gnade sei mit Euch und Friede im Namen unseres Herrn Jesus Christus von den
Teilnehmenden an der globalen Konsultation fur theologische Ausbildung des
Lutherischen Weltbundes in Rom (Italien) vom 23. bis 27 August 1999. In
unserem Einsatz fur die theologischen Ausbildung dienen wir der Kirche in
ihrer Mitwirkung an Gottes Mission in der Welt im Vertrauen darauf, dass
Gott uns fuhrt und leitet.

Mit dem Thema Revision der theologischen Ausbildung wurde diese
Konsultation vom Team des Lutherischen Weltbundes fur theologische
Ausbildung geplant und von der Abteilung fur Mission und Entwicklung
einberufen. Theologieprofessoren und -professorinnen lutherischer und
okumenischer theologischer Einrichtungen in 33 Landern der Welt wurden
eingeladen, einen Prozess der Uberprufung und Neubestimmung theologischer
Ausbildung einzuleiten. Dies ist die zweite globale Konsultation zur
theologischen Ausbildung unter LWB-Mitgliedskirchen seit 1970, wenn auch in
den letzten 30 Jahren zahlreiche nationale und regionale Konsultationen
stattgefunden haben. Wahrend dieser Jahre wurden die theologische
Ausbildung und die theologischen Institutionen sehr gefordert, vor allem im
Suden, wo 60 Prozent der christlichen Weltbevolkerung leben.

Gleichzeitig haben sich der Kontext fur theologische Ausbildung und die
Mission der Kirche dramatisch verandert. Diese Veranderungen werden oft mit
dem Begriff Globalisierung gekennzeichnet. Damit sind u.a.  weltumfassende
Veranderungen in Technologie, Politik, Wirtschaft, Migration, Pluralismus,
Sakularismus und die Privatisierung der Religion gemeint. Seit 1990 befasst
sich der LWB mit den praktischen Auswirkungen unseres Leitsatzes, dass der
Lutherische Weltbund eine Gemeinschaft von Kirchen ist, die in Kanzel- und
Abendmahlsgemeinschaft verbunden sind.  Das hat weitreichende Auswirkungen
auf den Kontext theologischer Ausbildung.

In dieser Botschaft mochten wir wesentliche Ergebnisse unserer Diskussionen
und Uberlegungen darstellen, damit der Prozess der Revision theologischer
Ausbildung die gesamte Gemeinschaft der Kirchen, theologischen
Ausbildungsstatten, Lehrenden, Verwaltenden und Studierenden erfasst. Der
Bericht uber diese Konsultation wird eine Zusammenfassung unserer
Erorterungen, Fragen und Herausforderungen sowie Empfehlungen beinhalten,
die von Kirchen, Institutionen und dem LWB aufgenommen werden sollen.

Zu Beginn haben wir lutherische Lehren und die Herausforderung der
Kontextualisierung reflektiert. Hier haben wir festgestellt, dass
theologische Reflexion die brennenden Fragen des Kontextes wahrnehmen muss,
um Theologie in dem jeweiligen Zusammenhang Bedeutung zu geben.  Die
lutherische Identitat wird dadurch geformt, dass ihr Schwerpunkt auf der
Kraft des lebendigen Wortes Gottes inmitten der von Gott geschaffenen Welt
liegt. Daher sollte theologische Reflexion und Ausbildung die Spannung
bewahren zwischen der intellektuellen und erfahrungsbezogenen, der
konfessionellen und okumenischen Dimension sowie der prophetischen und der
dienenden Rolle der Theologie. In unserem Zeitalter der Globalisierung ist
die kontextuelle und globale Spannung besonders bedeutend. Nach den
Ergebnissen unserer Uberlegungen ist fur die gegenwartige Situation eine
erneute Bestatigung der Notwendigkeit einer kontextualisierten
theologischen Ausbildung geboten, die zugleich auf die Beziehung aller
Kontexte untereinander achtet. Die universelle Ausrichtung der christlichen
Botschaft und die wahre Natur unserer koinonia bedenkend sollte
theologische Ausbildung zum Aufbau einer inklusiveren globalen Gemeinschaft
beitragen.

Drei weitere Schwerpunkte wurden beraten. Der erste, Vernetzung in der
theologischen Ausbildung, beschreibt ein funktionierendes internationales
Netzwerk von sechs zusammenarbeitenden theologischen Institutionen auf funf
Kontinenten. Zu den Bereichen der Zusammenarbeit gehoren ein Austausch der
Studierenden und Lehrenden, Ausarbeitung des Lehrplans, Forschung und
Publikation sowie die Kopplung von Computer- und Informationssystemen. So
ermoglicht die Vernetzung theologischer Ausbildung die Verbindung
kontextueller Erfahrungen, indem sie ihren Weg zwischen Kontextualisierung
und Globalisierung findet.

Der zweite Schwerpunkt, Feministische Theologie: ein Neu-denken
theologischer Ausbildung, unterstreicht, dass feministisch-theologische
Ansatze die Ausbildung in engen Zusammenhang mit der sozialen Realitat
bringen und einen notwendigen und produktiven Fokus auf Beziehungen legen.
Feministisch-theologische Ansatze ermoglichen Studierenden und Lehrkorper,
theologische Interpretationen fur die Realitat verschiedener Lebensweisen
zu finden und die Kirche in der Auseinandersetzung mit
geschlechterspezifischen Fragen zu unterstutzen. Es wurde betont, dass die
volle Einbeziehung der Frauen in kirchliche Amter und Leitungspositionen
gefordert und Theologinnen, die sich fur Forschung und Lehre qualifizieren,
gefordert werden mussen.

Der dritte Schwerpunkt, Theologische Ausbildung: ein Werkzeug der
Transformation, nimmt die Empfehlung der LWB-Konsultation uber Kirchen in
Mission (Nairobi 1998) auf, die Transformation als sich neu herausbildende
Aufgabe der Mission weiter zu studieren. Wir haben ein Gesprach uber
Transformation als theologisches Konzept begonnen, und schlagen vor, dass
Transformation auf die dynamische Arbeit des Heiligen Geistes unter dem und
durch das Volk Gottes hinweist. Im Kontext der theologischen Ausbildung
bezieht sich die Transformation auf den Lehrplanprozess, durch welchen
Studierende, Lehrkorper und Ausbildungseinrichtungen den Willen Gottes
kennenlernen, Gottes Willen in ihrem Leben verwirklichen (spirituelle
Gestaltung), und Gottes liebenden und befreienden Willen in der Welt
umsetzen (soziale Transformation).

Die Konsultation befasste sich daruberhinaus mit vier speziellen Themen:
okumenische Ausbildung, Lehrplan, zeitgenossische theologische Ausbildung
und Spiritualitat. Die okumenische Ausbildung ist wesentlicher Bestandteil
theologischer Ausbildung in unseren Kirchen.  Kirchenleitende
Personlichkeiten mussen besondere Aspekte okumenischer Beziehungen, wie
z.B. die Geschichte der Okumene, okumenische Zusammenarbeit, okumenischen
Dialog und okumenische Verpflichtungen kennen. Okumenische Ausbildung muss
auch Erfahrungen in besonderen okumenischen Aktivitaten einschliessen.

Was den Lehrplan betrifft, werden Ausbildungseinrichtungen dazu ermutigt,
eng mit den Kirchen bei der Erarbeitung und Uberprufung des Lehrplans
zusammenzuarbeiten, um Situationen und Bedurfnisse von Kirche und
Gesellschaft zu kennen, sowie kunftige Lehrer und Lehrerinnen der Theologie
zu finden und zu ermutigen. Im Hinblick auf das neue Jahrhundert sollte bei
der Ausarbeitung der Lehrplane besonders auf Fragen der Kontextualisierung,
Erkenntnisse feministischer und anderer Befreiungstheologien,
Spiritualitat, Transformation und Okumene geachtet werden.

Im Bereich zeitgenossischer theologischer Ausbildung wird der LWB ermutigt,
Verbindungen unter theologischen Einrichtungen und Lehrenden zu fordern und
zu koordinieren. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Ausbau von Netzwerken,
Internet-Diskussionen, Bibliotheken und Adressenbucher von Fakultaten sowie
Programmen und Publikationen gelten.  Theologische Einrichtungen werden
dazu ermutigt, Online-Kurse fur die Weiterbildung von Geistlichen und Laien
und das Studium von Geschlechterfragen zu entwickeln.

Mit der Betonung der Spiritualitat in der theologischen Ausbildung wollen
wir unsere lutherische und okumenische spirituelle Traditionen
wiederaufnehmen, um die Entwicklung zeitgenossischer spiritueller Praktiken
anzuregen und die Aufnahme spiritueller Aspekte, die jeder Disziplin
innewohnen, in den gesamten Lehrplan zu fordern. Ein solches Bemuhen ware
ein Beitrag zur theologischen Ausbildung wie zur Bildung des Glaubens und
wurde die Aufmerksamkeit gegenuber Spiritualitat in allen Aspekten des
kirchlichen Lebens erganzen.

Diese Konsultation schliesst mit einer tieferen Aufgeschlossenheit fur die
gemeinsamen Herausforderungen und Kontexte sowie einer erneuten Vision fur
die wesentliche Rolle, die die theologische Ausbildung in der lutherischen
Gemeinschaft spielt und die unseren okumenischen Beziehungen fur die
Entwicklung von Fuhrungskraften in der Mission zukommt. Unsere
Verpflichtung zum Studium, Lernen, zur Vernetzung und Transformation wird
durch die tiefere Anerkennung der Kontextualisierung, feministischer und
anderer Befreiungstheologien und spiritueller Disziplinen bereichert.

Mit dem Ende der Konsultation in Rom und bei unserer Ruckkehr in unsere je
eigenen Umfelder stellen wir uns die Frage, welche Sprache wir sprechen
sollen, wenn wir in unseren Gemeinden studieren, lehren, beten und Zeugnis
ablegen? Wir erkennen, dass die theologische Ausbildung unsere kritische
und wertvolle Richtschnur bei der Entwicklung einer Sprache ist, die
gottgefallig, konfessionell glaubwurdig, okumenisch verbindlich und
kulturell uberzeugend ist. Wir nehmen unsere Gesprache mit nach Hause und
ermutigen die Kirchen, die theologischen Einrichtungen und den Lutherischen
Weltbund, diesen Prozess der Revision der theologischen Ausbildung fur die
Mission Gottes fortzusetzen.

Friede sei mit Euch.

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen
weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegrundet, zahlt er inzwischen 128
Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Landern angehoren. Das LWB-Sekretariat befindet sich
in Genf (Schweiz). Das ermoglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem
Okumenischen Rat der Kirchen (ORK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in
Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. okumenische Beziehungen, Theologie,
humanitare Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte
von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitrage konnen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt
werden.

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Barbara Robra
E-mail: br@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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