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Mit den traumatischen Auswirkungen des Burgerkrieges leben


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 29 Sep 1999 20:33:08

Sierra Leone: Kirche benotigt Ermutigung

Freetown (Sierra Leone)/Genf, 29. September 1999 (lwi) - Mit den
traumatischen Auswirkungen des Burgerkrieges mussen sich die Menschen in
Sierra Leone auseinandersetzen. Der Krieg hat nicht nur die Wirtschaft
zerstort. Zehntausende wurden ermordet, viele weitere entwurzelt und
etliche verkruppelt. In dieser Lage benotigt die Kirche Ermutigung, um
neue Hoffnung zu schopfen und ihre Verpflichtung zur Mission, zu
seelsorgerlicher Fursorge und Beratung zu erneuern.

Diese Bemerkungen des Prasidenten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Sierra Leone (ELKSL), Pfarrer Tom J. Barnett, unterstreichen die
Herausforderungen, vor denen dieses westafrikanische Land steht. Das
gilt vor allem in Bezug auf die Wiederansiedlung von im eigenen Land
entwurzelten Personen als auch von Ruckkehrern sowie auf die Aufgabe der
sozialen und psychologischen Rehabilitation und der Wiedereingliederung
von demobilisierten Kampfern. Viele von ihnen sind Kindersoldaten.

Der ELKSL-Prasident empfing ein Stabsteam des Lutherischen Weltbundes,
dem der Gebietsreferent fur Afrika in der Abteilung fur Mission und
Entwickung, Dr.Vivian V. Msomi, sowie der Programmreferent fur
Katastrophenhilfe in der Abteilung Weltdienst, Lemma Degefa, angehorten.
Sie waren in Sierra Leone, um der LWB-Mitgliedskirche Solidaritat und
Ermutigung
zu bringen und zur Starkung des Bewusstseins der missionarischen Aufgabe
und der Verpflichtung der Kirche zu missionsbezogenen Tatigkeiten
beizutragen. Daruberhinaus machten sie sich uber die allgemeine
Situation und den Bedarf an weiterer humanitarer Hilfe und Unterstutzung
durch den LWB ein Bild veranlassten die Koordination und Netzbildung mit
okumenischen Partnern, nichtstaatlichen Organisationen,
Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und der Regierung nach dem
im Juli in Lome abgeschlossenen Friedensabkommen.

Am 7. Juli 1999 hatte die Rebellenbewegung Revolutionare Vereinigte
Front (RVF) unter Leitung von Foday Sankoh mit Prasident Ahmad Tejan
Kabbah ein Abkommen abgeschlossen, das den seit acht Jahren anhaltenden
Burgerkrieg beendete und den Weg fur eine Teilung der Regierungsgewalt
bahnte.

Medienberichten zufolge sind jedoch nur wenige der vier Millionen
Einwohner des Landes uber das Abkommen glucklich, und noch weniger
glauben, dass es dauerhaften Frieden bringen wird. Tausende haben
praktisch alle ihre Habe verloren in einem Krieg, in dem die Rebellen
systematisch Zivilisten massakrierten, Gliedmassen, Lippen und Ohren
abhackten, sogar von Kindern im Alter von drei Jahren, und Madchen und
Frauen vergewaltigten. Tausende von entfuhrten Kindern werden noch
vermisst. Fast die Halfte des Landes einschliesslich der an Diamanten
reichen Ostprovinzen sollen sich noch unter Kontrolle der RVF befinden.

Das LWB-Team hat Lager fur Entwurzelte besucht und ist mit
Fuhrungskraften der ELKSL und des Christenrates von Sierra Leone,
Vertretern der britischen Hilfsorganisation Christian Aid sowie
Prasident Kabbah und anderen Regierungsvertretern zusammengetroffen.

Trotz der physischen und psychologischen Auswirkungen auf die Kirche wie
auf andere Institutionen hat die ELKSL den Kriegsopfern aktiv durch
Bereitstellung von gebrauchten Kleidungsstucken, Schul- und
Gesundheitsmaterial, die von Lutheran World Relief (USA) gespendet
wurden, und durch Nahrungsmittelhilfe aus Mitteln der
Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Amerika (ELKA) geholfen.

Pfarrer Barnett teilte dem LWB-Team mit, dass keine der Gemeinden in der
uber 2.000 Mitglieder zahlenden Kirche noch ihre eigenen
Gottesdienststatten habe. Die meisten Mitglieder in der schwer
beschadigten Hauptstadt seien Zuwanderer vom Land oder Familien, die
Opfer der Rebellen geworden seien, als diese im Januar die Hauptstadt
besetzten, ganze Hauserblocks zerstorten und Tausende von Menschen
toteten und obdachlos machten.

Das Mehrzweckgebaude der ELKSL (Lutherisches Zentrum), wo eine der
Gemeinden sich traf und wo Bildungsarbeit koordiniert wurde, wurde
niedergebrannt. Die Kirchenverwaltung ist zur Zeit in Raumlichkeiten
untergebracht, die von einer nichstaatlichen Organisation zur Verfugung
gestellt wurden.

Die meisten Gemeinden auf dem Land sind zerstreut, entwurzelt und ihres
Eigentums beraubt. Viele haben Familienangehorige verloren. Der Dekan
der Bo-Region der ELKSL (Bo ist die Hauptstadt der sudlichen Region),
Pfarrer Momoh Foh, informierte das LWB-Team uber den dringenden Bedarf
in Sierra Leone und meinte: "Selbst die Pfarrer und Evangelisten
benotigen
seelsorgerliche Betreuung."

Das Volksvermogen wurde geplundert oder zerstort. Industrieanlagen und
Fabriken, der Haupthafen, der Flughafen, Banken und Schulen, Strassen
und Schienen erlitten ein ahnliches Schicksal. Alle, die auf diese
Einrichtungen angewiesen waren, sind arbeitslos und verarmt. Der
Agrarsektor, der Haupttatigkeitsbereich im Land, ist paralysiert. Die
meisten Menschen sind auf Nothilfe angewiesen, viele befinden sich nach
den erlittenen Demutigungen in einem Zustand schwerer Depression. Ein
Traumaberater teilte dem LWB-Team mit, manche der Uberlebenden hatten so
Schreckliches, Traumatisches und Schockierendes erlebt, dass sie seit
acht Monaten nicht mehr gesprochen hatten.

Vertreter der Nationalen Kommission fur Wiederaufbau, Wiederansiedlung
und Rehabilitation (NCRRR) beschreiben die Gesamtlage als "sehr
schlimm". Sie teilten dem LWB-Team mit, dass der Konflikt noch nicht
vorbei sei und Zwangsvertreibungen weitergingen. In den acht
Kriegsjahren seien 3.000 Dorfer zerstort und eine Million Menschen im
eigenen Land entwurzelt worden, weitere 450.000 in die Nachbarlander
Liberia und Guinea geflohen und 50.000
ums Leben gekommen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Kommission meinte: "Sierra Leone
braucht einen Marshallplan von der Art, wie er fur das Kosovo
beschlossen wurde." Die Menschen in Sierra Leone fuhlten sich von der
internationalen Staatengemeinschaft sehr vernachlassigt, vor allem wenn
sie sahen, welche Aufmerksamkeit eine ahnliche Situation im Kosovo
finde. Die Not sei sehr gross und eine Intervention von aussen dringend
geboten.

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegrundet, zahlt er inzwischen
128 Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Landern angehoren. Das LWB-Sekretariat befindet
sich in Genf (Schweiz). Das ermoglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem
Okumenischen Rat der Kirchen (ORK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in
Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. okumenische Beziehungen,
Theologie, humanitare Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und
verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "lwi"
gekennzeichneten Beitrage konnen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt
werden.

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Barbara Robra
E-mail: br@lutheranworld.org
http://www.lutheranworld.org/


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