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Augsburg - Stadt des Religionsfriedens


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 19 Oct 1999 11:18:56

1530 wollte Philipp Melanchthon die Kirchenspaltung verhindern

Der romische Geschichtsschreiber Tacitus pries Augusta Vindelicorum als
schonste Kolonie der Provinz Rhatien. Seit im Jahr 14 vor Christi Geburt
die Romer dem Hauptort der keltischen Licatier, Damasia, den Namen ihres
Kaisers Augstus verliehen hatten, gewann die Stadt am Schnittpunkt mehrerer
Handelsstrassen zusehends an Bedeutung. Schon fruh gab es hier auch eine
christliche Gemeinde, wie die glaubwurdigen Berichte vom Martyrertod der
Heiligen Afra im Jahr 304 belegen.

Der Name Augsburg erinnert noch immer an die romische Kolonie. Weit uber
Deutschland hinaus bekannt geworden ist die Stadt am Ufer des Lech
allerdings wegen ihrer Rolle in der Zeit der Renaissance und der
Reformation. Hier versammelten sich seit dem Ende des 13. Jahrhunderts
Kaiser und Reichsfursten des Heiligen Romischen Reiches Deutscher Nation zu
ihren Reichstagen. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde Augsburg das
wichtigste Finanz- und Handelszentrum nordlich der Alpen. Die Aktivitaten
der in Augsburg wohnenden Familien der Fugger und Welser reichten bis nach
Lateinamerika und ins ferne Asien. Wachsende Geldstrome gingen durch ihre
Bucher. Auch Ablassgelder gelangten auf dem Weg uber Augsburg nach Rom.

Jakob Fugger, der Reiche genannt (1459-1525), konnte es wagen, an Kaiser
Karl V. zu schreiben: "Es ist bekannt, dass ohne meine Hilfe Ihre Majestat
nicht die Krone des Heiligen Romisch-Germanischen Reiches erhalten hatten."
Man sprach damals von der zu jener Zeit unverstellbar grossen Summe von
vier Millionen Dukaten, die der Kaiser seinem Bankier in Augsburg schuldete.

Martin Luther betrat 1518 den Boden der Stadt. Im Haus der Fugger traf er
sich mit dem Gesandten des Papstes, Kardinal Cajetan, der zum Reichstag
angereist war. Das Treffen mit dem kleinen Monch aus Wittenberg sollte dazu
dienen, den Aufruhr, den Luther mit dem Anschlag seiner 95 Thesen an der
Schlosskirche in Wittenberg ausgelost hatte, schnell zu Ende zu bringen.
Ein Widerruf Luthers sollte dazu genugen.  Doch Luther weigerte sich und
floh gleich nach dem Gesprach aus der Stadt.

Als hier im Jahr 1530 der Reichstag wieder zusammentrat und die
evangelischen Fursten dem Kaiser die Confessio Augustana, ihr Augsburger
Bekenntnis, ubergaben, war Luther langst vom Kaiser geachtet und vom Papst
gebannt. Er konnte es nicht wagen, selbst beim Reichstag zugegen zu sein.
Fur ihn verhandelte sein Freund Philipp Melanchthon. Er verfasste die
Confessio Augustana als Antwort gegen die Anklagen, die der Luthergegner
Johannes Eck mit 404 Thesen gegen die Reformation vorgebracht hatte.
Melanchthon suchte den Frieden und den Ausgleich - leider vergeblich. Der
Kaiser sorgte fur die Ablehnung des Dokumentes.

Nach Jahren der Auseinandersetzung und einem Sieg auf dem Schlachtfeld
gegen die evangelischen Reichsfursten versuchte der Kaiser die Reformation
mit Gewalt aus der Welt zu schaffen. Das "Augsburger Interim" von 1548
gestand den Protestanten zwar die Priesterehe und das Abendmahl mit Brot
und Kelch fur die Laien zu, doch sollten sie den Bischofen und dem Papst
Gehorsam leisten und die Messe wieder nach der alten lateinischen Form
feiern.

Dem Kaiser aber gelang in den folgenden Jahren nicht, die Macht der
evangelischen Fursten vollends zu brechen. 1555 stimmte er deshalb dem
"Augsburger Religionsfrieden" zu, der das friedliche Nebeneinander
evangelischer und romisch-katholischer Gebiete garantieren sollte. Von
wirklicher Toleranz konnte jedoch noch nicht die Rede sein.
Gewissensfreiheit gab es nur in den freien Reichsstadten, wahrend sonst der
Grundsatz galt, dass der Furst uber den Glauben seiner Untertanen entschied.

Erst nach den grausamen und leidvollen Erfahrungen des Dreissigjahrigen
Krieges wurde mit dem Westfalischen Frieden von 1648 auch in Augsburg das
Prinzip der Paritat eingefuhrt. Die evangelische und romisch-katholische
Bevolkerung musste sich die Macht in der Stadt teilen. Auf der einen Seite
verstarkte sich dadurch das Bewusstsein, voneinander unterschieden zu sein,
auf der anderen Seite aber ermoglichte diese Regelung das friedliche
Nebeneinander der Konfessionen. Glaubensfragen waren nun nicht mehr
politischen Mehrheitsentscheidungen unterworfen.

Mit der Bestatigung der Gemeinsamen Erklarung durch die Unterzeichnung der
Gemeinsamen Offiziellen Feststellung in Augsburg erinnern der Vatikan und
der Lutherische Weltbund an die Bedeutung dieser Stadt fur die Reformation.
Das gilt insbesondere fur die Confessio Augustana, mit der Philipp
Melanchthon die Spaltung zu verhindern suchte. Luther war er damit schon
fast zu weit gegangen. So sanft und leise konne er nicht treten, schrieb er
an den Freund in Augsburg.

Doch auch Luther hoffte auf die Uberwindung der Spaltung: "Ich habe Sorge,
dass wir nimmermehr so nahe zusammkommen werden als zu Augsburg", ausserte
er sich am Ende der dreissiger Jahre. Diese Sorge war berechtigt. Beinahe
ein halbes Jahrtausend hat es gedauert, bis sich die lutherische
Kirchengemeinschaft und die romisch-katholische Kirche wieder in Augsburg
treffen, um einen entscheidenden Schritt zur Uberwindung der
Kirchenspaltung zu vollziehen.

Barbara Robra,
verantwortlich fur die Koordination der Kommunikation anlasslich der
Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklarung in Augsburg

Genf, Oktober 1999

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