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Augsburg, Luther und die Fugger


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 20 Oct 1999 12:12:16

Luthers Thesen und ihre wirtschaftlichen Folgen

Genf , 20. Oktober 1999 (lwi) - Ware der Thesenanschlag Martin Luthers
an der Tur der Schlosskirche in Wittenberg am 31. Oktober 1517 ohne
Jakob Fugger in Augsburg, einen der Superreichen seiner Zeit, ein
lokales Randereignis der Geschichte geblieben? Manches spricht dafur,
diese Frage zu bejahen, auch wenn historische Umbruche dieses Ausmasses
sich nie eindimensional erklaren lassen. Jedenfalls werden durch die
Wahl Augsburgs fur die Feierlichkeiten zur Bestatigung der Gemeinsamen
Erklarung zur Rechtfertigungslehre die theologischen, politischen und
wirtschaftlichen Verwicklungen der Reformationszeit in Erinnerung
gerufen. Sie werden in kaum einer Stadt so deutlich sichtbar wie dort.

Weltbekannt wurde die Augsburger Konfession, die Confessio Augustana
(CA), mit der Ausbreitung lutherischer Kirchen in allen Kontinenten.
1530 wurde das Dokument in Augsburg vor Kaiser und Reich verlesen als
Angebot der evangelischen Fursten und Reichsstadte zur Einigung. Kaiser
Karl V. jedoch machte sich fur ihre Ablehnung stark. Heute ist die CA
das Grundbekenntnis lutherischer Kirchen, und manche von ihnen fuhren
sie sogar in ihrem Namen.

Doch bevor sich Luthers Thesenanschlag im kleinen Wittenberg zu einem
politischen Ereignis ersten Ranges auswuchs, hatte Jakob Fugger davon
Notiz genommen. Betraf der Angriff auf den Ablasshandel doch direkt die
wirtschaftlichen Interessen der Fugger, eines der grossten Bank- und
Handelshauser seiner Zeit. Nur mit Krediten der Fugger war Karl Kaiser
des Reiches geworden. Nur mit Krediten, die er nun mit Einnahmen aus dem
Ablasshandel des Predigers Tetzel zuruckzahlen musste, hatte Albrecht
von Brandenburg sich weltliche und kirchliche Wurden erkauft. Es war im
Haus Fuggers in Augsburg, wo der papstliche Legat Cajetan sich 1518 mit
Luther traf, um den unangenehmen Kritiker ruhig zu stellen. Und es war
der von den Fuggern geforderte und mit Thesen zur Rechtfertigung des
funfprozentigen Zinses bekannt gewordene Theologe Johannes Eck, der
gegen Luther aufgeboten wurde.

In Augsburg also wurde die politische und wirtschaftliche Brisanz jener
Ideen wirksam, die Martin Luther in seiner Lehre von der Rechtfertigung
allein aus Gnade Gottes zur Geltung brachte. 450 Jahre politischer
Spannungen, Kriege und wechselseitiger Verurteilungen der lutherischen
und romisch-katholischen Kirche waren die Folge. Diese leidensvolle und
die Glaubwurdigkeit christlicher Kirchen aufs schwerste belastende
Geschichte soll nun mit der Bestatigung der Gemeinsamen Erklarung wieder
in Augsburg zu Ende gebracht werden.

Angesichts einer vom Lutherischen Weltbund (LWB) erfolgreich im
vergangenen Jahr in Wittenberg durchgefuhrten Tagung zu den sozialen
Konsequenzen der Rechtfertigungslehre wird die gemeinsame Erklarung auch
fur die zukunftige Zusammenarbeit der Kirchen zu Sozial- und
Wirtschaftsfragen von Bedeutung sein. Wesentliches hat sich geandert.

Wenn Ishmael Noko und Idris Cardinal Cassidy gemeinsam mit anderen
Vertretern des LWB und des Vatikan in der Augsburger Kirche St. Anna
ihre Unterschriften unter die Gemeinsame Erklarung setzen, werden sie
nicht weit entfernt sein von dem Grab eines der entschiedensten
Gegenspieler Martin Luthers in der Fruhphase der Reformation. Als Jakob
Fugger 1525 starb, wurde er in St. Anna beigesetzt.

Barbara Robra,
verantwortlich fur die Koordination der Kommunikation anlasslich der
Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklarung in Augsburg

Genf, Oktober 1999

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegrundet, zahlt er inzwischen
128 Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Landern angehoren. Das LWB-Sekretariat befindet
sich in Genf (Schweiz). Das ermoglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem
Okumenischen Rat der Kirchen (ORK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in
Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. okumenische Beziehungen,
Theologie, humanitare Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und
verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
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***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
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