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30 Jahre lutherisch/romisch-katholischer Dialog


From FRANK_IMHOFF.parti@ecunet.org (FRANK IMHOFF)
Date 25 Oct 1999 14:26:23

Historischer Abriss seit dem II. Vatikanischen Konzil

Genf, 25. Oktober 1999 (lwi) - Die meisten lutherischen Kirchen gehoren
seit Anfang des Jahrhunderts der okumenischen Bewegung an und sind
Mitglieder des Okumenischen Rates der Kirchen (ORK) seit seiner Grundung
im Jahre 1948.

Die romisch-katholische Kirche gehort dem Okumenischen Rat der Kirchen
nicht an, ist aber Vollmitglied der Kommission fur Glauben und
Kirchenverfassung. Das Zweite Vatikanum (1962-1965) markiert den Beginn
das offiziellen okumenischen Engagements der romisch-katholischen Kirche
mit anderen christlichen Kirchen.

Schon seit dem Zweiten Weltkrieg fanden inoffizielle Dialoge zwischen
Lutheranern und Katholiken an verschiedenen Orten und unter
verschiedenen Umstanden statt. Doch erst seit dem Zweiten Vatikanum gibt
es auf nationaler und internationaler Ebene offizielle Lehrgesprache.

Als erstes solches Gremium wurde die Internationale
lutherisch/romisch-katholische Dialogkommission eingesetzt. Sie nahm
ihre Arbeit 1965 auf und veroffentlichte 1972 ihren ersten Bericht: "Das
Evangelium und die Kirche". Dabei ging es um den Versuch, die Kirche aus
einer umfassenden theologischen Perspektive okumenisch in den Blick zu
nehmen. In dieser Zeit der rapiden Fortschritte in den okumenischen
Beziehungen entstanden grosse Erwartungen fur die kommenden Jahre.

Der mit diesem Dialog begonnene positive Prozess ist bis heute in Gang.
Allerdings stellte sich bald heraus, dass mehrere grundlegende Fragen
noch spezifischer und eingehender zu untersuchen waren, bevor man
uberhaupt von einem deutlichen  okumenischen Erfolg sprechen konnte.

Der Dialog steht unter der gemeinsamen Aufsicht des Lutherischen
Weltbundes und des Papstlichen Rates zur Forderung der Einheit der
Christen. Leitende Personen beider Seiten treten mindestens einmal
jahrlich zu Beratungen zusammen. Auf lutherischer Seite erteilt der
LWB-Rat den formellen Auftrag zu diesen Gesprachen.

Nach der ersten Dialogrunde wurde beschlossen, dass sich die Kommission
eingehend mit der Frage des Abendmahls befassen soll. Das fuhrte zum
zweiten Bericht mit dem Titel: "Das Herrenmahl" (1978). Mit diesem
Bericht wurde klar, dass auf beiden Seiten weitgehende Ubereinstimmung
im Verstandnis des Abendmahls als Sakrament herrschte. Allerdings wurde
auch deutlich, dass man zu einem weiterreichenden gemeinsamen
Verstandnis und einer gemeinsamen Praxis des geistlichen Amtes gelangen
musste, bevor weitere Fortschritte in Richtung eines gemeinsamen
Abendmahls moglich wurden.

Deshalb einigte man sich darauf, dass die Dialogkommission dieses Thema
direkt aufnimmt. Daraus ergab sich der Bericht mit dem Titel: "Das
geistliche Amt in der Kirche" (1981). Auch hier zeigte sich weitgehende
Ubereinstimmung in wichtigen Aspekten. Gleichzeitig wurde man sich aber
immer mehr der Tatsache bewusst, dass wichtige Differenzen bestehen
bleiben, besonders hinsichtlich des Verstandnisses der  institutionellen
kirchlichen Rolle des Bischofsamts.

Ein weiterer wichtiger Bericht, der aus dem internationalen Dialog
hervorging, tragt den Titel: "Einheit vor uns" (1985). In diesem Bericht
stellen beide Seiten Uberlegungen an, wie die jeweiligen Amter
miteinander versohnt werden konnten. Heute sind sich beide Seiten
weitgehend einig, dass trotz der wichtigen Elemente dieses Berichts die
darin enthaltenen Vorschlage erst verwirklicht werden konnen, wenn
wesentliche Punkte grundlich uberarbeitet wurden.

Der bisher letzte und umfangreichste Bericht der Dialogkommission tragt
den Titel: "Kirche und Rechtfertigung" (1994). Die umfassende
Formulierung des Themas zeigt Parallelen zum oben erwahnten ersten
Bericht: "Das Evangelium und die Kirche". Doch diesmal richtet sich der
Blick vor allem auf die Bedeutung der Rechtfertigung in Bezug auf
grundlegende Aspekte des kirchlichen Lebens.

In dieser Dialogphase wurde vom LWB und dem Papstlichen Rat die Arbeit
an der "Gemeinsamen Erklarung zur Rechtfertigungslehre" als separates
Projekt eingeleitet.

Zur Zeit befasst sich der internationale Dialog - jetzt mit dem Namen
"Lutherisch/ro-misch-katholische Kommission fur die Einheit" - mit dem
Thema: "Die Apostolizitat der Kirche". Es soll gepruft werden, wie ein
gemeinsames Verstandnis der Kontinuitat der Kirche seit ihrem
historischen Ursprung auf beiden Seiten moglich ist. Eine der
Hauptfragen ist hier, wie beide Seiten ihre Apostolizitat in den
verschiedenen geschichtlichen Stadien bewahrt haben. Man erwartet, dass
diese Dialogphase noch einige Jahre dauern wird.

Die Dialogkommission war nie direkt mit der Ausarbeitung der Gemeinsamen
Erklarung befasst. Allerdings bilden 30 Jahre
lutherisch/romisch-katholischer Dialog die Grundlage des Projekts der
Gemeinsamen Erklarung.

Es ergab sich aus dem Dialog sowohl auf nationaler als auf
internationaler Ebene die Einsicht, dass in der Tat ein Konsens in Bezug
auf Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht. Zu Beginn dieses
Prozesses kam man uberein, dass dieser Konsens auf hochster Ebene der
kirchlichen Partner offiziell anerkannt werden muss.

Die Gemeinsame Erklarung ist das erste gemeinsam von der
romisch-katholischen Kirche und den lutherischen Kirchen herausgegebene 
Statement. Die Bedeutung dieses Projekts ist so gross, dass es nur
naturlich ware, auch in der Zukunft ahnliche Statements zu erwagen,
falls bei der Fortsetzung des Dialogs genugend Gemeinsamkeiten
hinsichtlich wichtiger Themen gefunden werden.

(Dieser Artikel wurde von Sven Oppegaard verfasst, Assistierender
Generalsekretar des LWB fur okumenische Angelegenheiten.)

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegrundet, zahlt er inzwischen
128 Mitgliedskirchen, denen rund 58 der 61,5 Millionen Lutheraner und
Lutheranerinnen in 70 Landern angehoren. Das LWB-Sekretariat befindet
sich in Genf (Schweiz). Das ermoglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem
Okumenischen Rat der Kirchen (ORK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in
Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. okumenische Beziehungen,
Theologie, humanitare Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und
verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
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werden.

***
Lutherische Welt-Information (lwi)
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-mail: dmg@lutheranworld.org
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