wfn.org | Kritik an Gehaltserhoehung brasilianischer Beamter

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Brasilianische Lutheraner verurteilen Privilegien als "unwuerdig" und
"voellig verfehlt"

Sao Leopoldo (Brasilien)/Genf, 3. April 2000 (lwi) - Die Erhoehung der
Bezuege brasilianischer Regierungsmitglieder, Parlamentarier und Beamter
wurde von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Lutherischen
Bekenntnisses in Brasilien scharf kritisiert. Angesichts von acht Millionen
Arbeitslosen, drei Millionen Kindern, die fuer ihren Lebensunterhalt
arbeiten muessen, und 85 Millionen BrasilianerInnen, die unter der
Armutsgrenze leben, sei diese Massnahme "unwuerdig", "verhaengnisvoll" und
"voellig verfehlt".

Die Synodalpfarrer und die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche
Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien aeusserten in einer
oeffentlichen Erklaerung ihre "Betroffenheit und tiefe Empoerung" ueber
das gemeinsame Vorgehen der drei Gewalten der Republik, Exekutive,
Legislative und Justiz, das zur Erhoehung der Gehaelter gefuehrt hatte.
Verabschiedet wurde die Erklaerung auf der Konferenz der Synodalpfarrer
und der Kirchenleitung, die vom 15. bis 18. Maerz in S o Leopoldo
(Brasilien) stattfand. Thema der Konferenz war das Motto der
diesjaehrigen Oekumenischen Kampagne der Geschwisterlichkeit
"Menschenwuerde und Frieden - ein neues Jahrtausend ohne Ausgrenzungen".

In ihrer Funktion als geistliche Leitung der Evangelischen Kirche
Lutherischen Bekenntnisses verabschiedete die Konferenz folgende
oeffentliche Erklaerung:

Motiviert durch den Glauben an Jesus Christus bekunden wir zusammen mit
der Mehrheit des brasilianischen Volkes unsere Betroffenheit und tiefe
Empoerung ueber das gemeinsame Vorgehen von Exekutive, Legislative und
Justiz bei der Abstimmung ueber die Hoehe der Gehaelter der drei
Gewalten der Republik.

Die Erhoehung auf 11.500 R$ (ca. 6.390 USD), ergaenzt durch die
Moeglichkeit, bei der Pensionierung das Doppelte zu beziehen, kann nur
als verhaengnisvoll und zu diesem Zeitpunkt voellig verfehlt betrachtet
werden, da hierdurch Privilegien gesichert und erweitert werden, die in
keinem Verhaeltnis zur Tragfaehigkeit der Nation stehen. Es ist
unwuerdig, dass Institutionen zu ihrem eigenen Vorteil Gesetze erlassen
und dabei nicht einmal davor zurueckschrecken, die Nation mit einem
Streik der richterlichen Gewalt zu bedrohen, und dem Volk ins Gesicht zu
schlagen, indem fuer den Fortbestand der beschaemenden
Vetternwirtschaft, die ohnehin ueberall grassiert, eine rechtliche Basis
geschaffen wird.

Wie sollte man sich nicht empoeren, wo gleichzeitig ueber den neuen
Mindestlohn verhandelt wird (es geht um 150 - 160 R$) und angeblich
unueberwindliche Hindernisse heraufbeschworen werden, aufgrund derer
nicht einmal eine minimale Anhebung moeglich sein soll, die den
Arbeitenden wenigsten ein Minimum an Wuerde sichern koennte, wenn sie
auch lange nicht ausreicht, um die Misere dieser Menschen zu beenden.

Wie soll ein Volk sich wehren, wenn seine gewaehlten Vertreter kein Ohr
fuer sein Schreien haben und sich gegen das Volk stellen?

So verschaerft sich die Situation in unserem Land, die bereits jetzt
gekennzeichnet ist durch
- ca. 8 Millionen Arbeitslose;
- 3 Millionen Kinder unter 14 Jahren, die arbeiten muessen, statt zu
lernen und zu spielen;
- 85 Millionen BrasilianerInnen, die unter der Armutsgrenze leben;
- 330 000 IndianerInnen, die das Recht fordern, auf ihrem eigenen Land
leben zu koennen;
- ganz zu schweigen von den vielen Alten, Kranken, Verlassenen, Opfern
von Gewalt...

Bei einem jaehrlichen Pro-Kopf-Einkommen von ueber 5.000 USD im Jahr
gibt es keine Entschuldigung fuer die mangelnde Bereitschaft, ein
gerechtes Mindesteinkommen festzulegen, von dem alle BrasilianerInnen
leben koennten.

Wir bedauern und verurteilen, dass am Anbruch des neuen Jahrtausends,
der neue Hoffnung auf Frieden und Achtung der Menschenwuerde in sich
birgt, die hoechsten VertreterInnen der drei Regierungsgewalten sich
einvernehmlich selbst beguenstigen und gleichzeitig Brasilien weiter die
zweifelhafte Ehre sichern, zu den Laendern zu gehoeren, wo die Vermoegen
am ungerechtesten verteilt sind.

Sollen wir auf diese Weise, im selben Geist der Ausbeutung wie so viele
Abenteurer und Entdecker, das 500. Jubilaeum der Entdeckung unseres
Landes feiern?

Im Gehorsam gegen das Evangelium von Jesus Christus und in der
Mitverpflichtung fuer den Aufbau einer gerechteren, geschwisterlicheren
und solidarischeren Gesellschaft fordert die Evangelische Kirche
Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien Sie, die Exzellenzen in der
Regierung, unter Berufung auf Ihre Vaterlandsliebe, buergerliche
Tugenden und ethisches Gewissen auf, umgehend diesen beschaemenden
Beschluss rueckgaengig zu machen. Dies waere ein Zeichen der Groesse und
der Bereitschaft, Menschenwuerde und sozialen Frieden in unserem
geliebten und geplagten Land zu verwirklichen.

Sao Leopoldo, 18. Maerz 2000.

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