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Dokumentation "Madrider Erklärung"
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APD <APD_Info_Schweiz@compuserve.com>
Date
08 Apr 2000 09:32:48
April 8, 2000
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz
Dokumentation: Texte der "Madrider Erklärung"
Die nachfolgende Erklärung wurde am 30. Januar 2000 in
Madrid von einer Expertengruppe verabschiedet, die auf
Initiative der International Religious Liberty
Association (Silver Spring, Maryland/USA) und der
Internationalen Vereinigung zur Verteidigung und
Förderung der Religionsfreiheit (Bern/Schweiz)
zusammenkam.
Leitlinien für die verantwortungsbewusste Verbreitung
von Religion oder Weltanschauung
Angesichts der zunehmenden Globalisierung und der immer
stärker werdenden interreligiösen und ideologischen
Auseinandersetzung ist es unbedingt notwendig geworden,
dass die Religionen untereinander konstruktive
Beziehungen unterhalten.
Zur Behandlung dieser Frage hat die International
Religious Liberty Association Begegnungen und
Konferenzen von Experten veranstaltet, die im Zeitraum
von 1999 bis Anfang 2000 in den Vereinigten Staaten, in
Grossbritannien und in Spanien zusammenkamen und sich
auf die folgende Stellungnahme einigten.
Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist ein
grundlegendes Menschenrecht. Obwohl dieses allgemeine
Recht in den vergangenen fünfzig Jahren durch
zahlreiche internationale Dokumente gestärkt wurde,
angefangen bei der "Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte" von 1948, über den "Internationalen
Pakt über bürgerliche und politische Rechte" von 1966
und die "Erklärung über die Beseitigung aller Formen
von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der
Religion oder der Weltanschauung" von 1981 bis hin zur
"Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen
oder ethnischen, religiösen oder sprachlichen
Minderheiten angehören" aus dem Jahr 1992, kommt es
bedauerlicherweise vielfach immer noch zu Verletzungen
dieses Rechts.
Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit beinhaltet
das Recht, seinen Glauben oder seine Weltanschauung zu
bekunden und anderen mitzuteilen. Die Religionen
vertreten unterschiedliche Ansichten darüber, wie sie
ihre Überzeugungen verbreiten sollten. Es ist
unvermeidlich, dass die Frage des "Proselytismus" oder
des Gewinnens neuer Anhänger das Verhältnis der
Religionen untereinander berührt. Der Begriff
"Proselytismus" hat verschiedene Bedeutungen und
Begriffsinhalte. Um Missverständnisse zu vermeiden,
wird er nachfolgend in diesem Dokument nicht verwendet.
Die Expertenkonferenz stellt fest, dass der religiöse
Pluralismus zunimmt, und um die Religionsfreiheit, die
Toleranz, den Dialog und die Achtung gleicher Rechte
für alle zu stärken, schlägt sie die folgenden
Leitlinien für die verantwortungsbewusste Verbreitung
von Religion und Weltanschauung vor. Diese Grundsätze
haben in erster Linie ethischen Charakter und geben dem
Einzelnen und den Gemeinschaften Kriterien für ihre
Beziehungen untereinander. Sie sind auch für das
Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften und den
Staaten von Bedeutung. Diese Grundsätze beruhen auf der
Würde der Person und auf der Freiheit des Menschen, der
Stimme seines Gewissens zu folgen.
Die Konferenzteilnehmer sind davon überzeugt, dass die
Einhaltung der folgenden Leitlinien von unschätzbarem
Wert für die Verbesserung einer Kultur des Friedens,
für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts,
für die Förderung der Verantwortlichkeit des Einzelnen
und der Gemeinschaften sowie für die Bewahrung gleicher
Rechte für alle ist.
Die Konferenzteilnehmer hoffen, dass alle Menschen und
Religionsgemeinschaften diese Grundsätze im Licht ihrer
eigenen Überzeugungen und Praktiken betrachten werden
und sie sich zu eigen machen und dadurch dem göttlichen
Auftrag oder den hohen Idealen, an die sie glauben,
gerecht werden.
Grundsätze
1. Seine Religion oder Weltanschauung zu lehren, zu
bekunden und zu verbreiten, ist ein fest etabliertes
Menschenrecht. Jedermann hat das Recht zu versuchen,
einen anderen von der Wahrheit seiner eigenen
Anschauungen zu überzeugen. Jedermann hat das Recht,
ohne Zwang und gemäss dem Gebot seines Gewissens eine
Religion oder Weltanschauung anzunehmen oder zu
wechseln.
2. Im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Verantwortung
sollten die Religionsgemeinschaften durch Kontakte und
Gespräche zueinander in Beziehung treten und dabei ihre
Überzeugungen demütig, achtungsvoll und aufrichtig
bekunden. Der Dialog sollte die Konfrontation ersetzen.
Wenn man anderen gegenüber Zeugnis ablegt oder eine
Missionstätigkeit plant, erfordert die unverletzliche
Würde der angesprochenen Person, dass man ihre
Geschichte, Überzeugung, Lebensweise und Kultur
berücksichtigt.
3. Religion, Glaube oder Weltanschauung werden am
besten verbreitet, wenn das persönliche Leben dessen,
der Zeugnis ablegt, mit der Botschaft, die er
verkündet, im Einklang steht und wenn dieses Zeugnis
zur freiwilligen Annahme durch diejenigen führt, an die
es sich richtet.
4. Bei der Verbreitung des Glaubens oder der
Weltanschauung sollte man gegenüber den anderen
Religionen oder Weltanschauungen aufrichtig und fair
sein. Das erfordert, dass man die Ideale der eigenen
Gemeinschaft mit den Idealen der anderen Gemeinschaften
und nicht mit deren angeblichen Schwächen vergleicht.
5. Bei der Verbreitung von Religion oder
Weltanschauung sollten sowohl die Rechte der Mehrheit
als auch die der Minderheit geschützt werden, so wie es
in den internationalen Menschenrechtsdokumenten
vorgesehen ist, die alle Formen von Diskriminierung und
Intoleranz verurteilen.
6. Bei Äusserungen über Gemeinschaften anderer
Religionen oder Weltanschauungen sollte man sich einer
respektvollen und nicht polemischen Ausdrucksweise
bedienen.
7. Die Verbreitung des Glaubens oder der
Weltanschauung sollte nicht missbräuchlich an soziale
oder humanitäre Tätigkeit geknüpft sein, in der Weise,
dass armen und schwachen Mitgliedern der Gesellschaft
finanzielle oder andere materielle Anreize geboten
werden, um sie dazu zu bewegen, ihren Glauben oder ihre
Weltanschauung beizubehalten beziehungsweise zu
wechseln.
8. Zwar wird das Recht, seine religiösen
Anschauungen und Überzeugungen zu haben und zu
bekunden, anerkannt, doch Streit unter den Religionen,
Hass und ein gegeneinander gerichteter Wettstreit unter
ihnen muss vermieden und durch einen wahrhaftigen und
in gegenseitiger Achtung geführten Dialog ersetzt
werden.
9. Niemand sollte sich wissentlich falscher Aussagen
zu irgendeinem Aspekt anderer Religionen bedienen
beziehungsweise ihre Anschauungen, Praktiken oder
Ursprünge schlecht oder lächerlich machen.
Wünschenswert ist stets eine objektive Information über
diese Religionen, um die Verbreitung falsch begründeter
Urteile und verallgemeinernder Vorurteile zu vermeiden.
10. Bei der Verbreitung der Religion oder
Weltanschauung sollte die Freiheit der angesprochenen
Person geachtet werden, sich ohne physischen oder
psychischen Zwang für eine Religion oder Weltanschauung
zu entscheiden oder sie abzulehnen. Die Person darf
nicht genötigt werden, ihre natürlichen Beziehungen zur
Familie, der grundlegenden Einheit der Gesellschaft,
abzubrechen.
11. Es ist unredlich und sollte abgelehnt werden,
unter dem Vorwand der Verbreitung einer Religion oder
Weltanschauung politische oder wirtschaftliche Macht
auszuüben.
12. Bei der verantwortungsbewussten Verbreitung von
Religion oder Weltanschauung sollte man akzeptieren,
dass sie entweder zur Stärkung des Glaubens der
angesprochenen Personen oder Gruppen führen kann oder
aber zu der freien und ungehinderten Entscheidung, die
religiöse Zugehörigkeit zu wechseln.
13. Eingedenk ihrer Verantwortung für das allgemeine
Wohl der Gesellschaft sollten sich die
Religionsgemeinschaften, soweit dies mit ihren
Überzeugungen vereinbar und möglich ist, gemeinsam für
eine Steigerung von Gerechtigkeit und Wohlstand sowie
für den Frieden unter den Völkern und Nationen
einsetzen.
14. Wo es aufgrund der Verbreitung von Religion oder
Weltanschauung zu Konflikten kommt, sollten die
betreffenden Gemeinschaften darüber nachdenken, einen
Versöhnungsprozess einzuleiten.
Madrid, im Januar 2000
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