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Evangelikale, Pfingstler und OekumenikerInnen in gemeinsamer Mission


From FRANK.IMHOFF@ecunet.org
Date 30 Oct 2000 11:04:14

Kongress CLADE IV in Quito definierte "Wort, Geist und Mission" der
evangelischen Bewegung in Lateinamerika zum Jahrtausendbeginn

Quito (Ecuador)/Genf, 30. Oktober 2000 (LWI) - Zu einer aktiven
Mitwirkung an gesellschaftlichen Prozessen, die das "Leben und die
Menschenwuerde im leidenden Lateinamerika von heute foerdern", haben
sich die TeilnehmerInnen des vierten lateinamerikanischen Kongresses
zu Fragen der Evangelisation, CLADE IV, Anfang September in Quito,
Ecuador, verpflichtet.

In der Abschlusserklaerung der Kongresses, der am 8. September zu
Ende ging, bekraeftigen die TeilnehmerInnen: "Gottes Wort beruft uns
dazu, Gemeinschaften zu sein, die prophetisch und solidarisch mit dem
Schmerz und den Leiden sind, die das Leben und die Wuerde unserer
Nationen bedruecken." Lateinamerika erlebe zu Beginn des neuen
Jahrtausends eine kritische Situation, die bestimmt sei durch
entmenschlichende Wirtschaftsmodelle, hohe Verschuldung und
verbreitete Korruption. Angesichts der rasant voranschreitenden
Globalisierung klaffe die Schere zwischen Arm und Reich in
Lateinamerika immer weiter auseinander.

Bildungs- und Gesundheitswesen seien nicht fuer alle gleich
zugaenglich, die Verarmung schreite voran und einige Laendern seien
von auslaendischen Militaerinterventionen bedroht, so die Erklaerung.
Angesichts dieser Situation sei das Streben nach Gerechtigkeit ein
zentraler Bereich des Auftrags.

Der Kongress CLADE IV stand unter dem Motto "Evangelisches Zeugnis zu
Beginn des dritten Jahrtausends: Wort, Geist und Mission", eingeladen
hatte die "Fraternidad Teologica Latinoamericana", die vor 30 Jahren
als Theologenvereinigung gegruendet wurde. Sie engagiert sich fuer
einen gemaessigten Evangelikalismus, der zunehmend eine
lateinamerikanische Identitaet entwickelt. Zu den bekanntesten
Vertretern zaehlen unter anderen Samuel Escobar und Rene Padilla.
Kernbegriff der Bewegung ist seit Jahren die "mision integral"
(ganzheitlicher Auftrag).

Aus Sicherheitsgruenden war das Treffen kurzfristig von Kolumbien
nach Ecuador verlegt worden. Zu den rund 1.300 TeilnehmerInnen aus
ganz Lateinamerika gehoerten Mitglieder historischer und
evangelikaler Kirchen, sowie aus Pfingstkirchen und
neupfingstlich-charismatischen Denominationen. Weitere Gaeste kamen
aus Europa, Nordamerika und Asien. Eine Gruppe von 25 KubanerInnen
kam auf Grund von Visaproblemen verspaetet in Quito an.

Der Kongress CLADE IV verdeutlichte, dass viele lateinamerikanische
Kirchen zunehmend unabhaengiger von ihren nordamerikanischen
Partnerkirchen werden, wie auch eine wachsende Uebereinstimmung
zwischen gemaessigten Evangelikalen und OekumenikerInnen. So
berichteten TagungsteilnehmerInnen, bezeichnend fuer diesen Kongress
sei gewesen, dass die Diskussion zwischen Evangelikalen, Pfingstlern
und OekumenikerInnen erstmals frei von jeglicher Polemik gefuehrt
wurde. Evangelikale VertreterInnen haetten in ihren Vortraegen
wiederholt zustimmend aus wichtigen Texten der oekumenischen Bewegung
und auch vereinzelt aus Dokumenten der Befreiungstheologie zitiert.

Mit Blick auf die religioese Situation befinde sich Lateinamerika auf
dem Weg in den religioesen Pluralismus, so die Abschlusserklaerung
des Kongresses. In den letzten zehn Jahren seien die evangelischen
Kirchen und Gemeinschaften stark gewachsen, so dass der
Protestantismus heute insgesamt eine deutlich wichtigere Rolle in
Gesellschaft und Politik spiele. Jedoch sei ein gewisser Mangel an
theologischer Reflexion zu beklagen, so die TeilnehmerInnen in ihrer
Erklaerung.

Das aus den USA kommende "Evangelium der Prosperitaet" wurde auf dem
Kongress CLADE IV als "unbiblisch" abgelehnt, ebenso wie
uebertriebener Mystizismus, Dogmatismus und Aktivismus und die
Tendenz, die gute Nachricht zur Marktware zu erklaeren. Die
TeilnehmerInnen raeumten jedoch auch eigene Fehler und Versaeumnisse
ein, wie die Verletzung der Rechte von Frauen, der Urbevoelkerung,
AfroamerikanerInnen, EmigrantInnen und Kindern.

Zum ersten Male nahm an einem CLADE-Kongress eine groessere Zahl von
VertreterInnen der neupfingstlichen Kirchen teil, einer Gruppe
unabhaengiger charismatischer Kirchen, die in der zweiten Haelfte des
20. Jahrhunderts entstanden. Sie zeichnen sich bisher durch einen
staerker an US-amerikanischen Vorbildern orientierten
Froemmigkeitsstil aus und haben eine Fuelle von unabhaengigen Kirchen
und Organisationen hervorgebracht. Rigoberto Galvez, bekannter
Repraesentant der neopentekostalen Bewegung aus Guatemala,
kritisierte zum grossen Erstaunen vieler TeilnehmerInnen die eigene
Bewegung. Er verurteilte die "individualistische Hermeneutik" vieler
Pfingstprediger, die statt verantwortlicher Schriftauslegung
unmittelbare Geisteingebungen fuer sich in Anspruch naehmen.
Ausserdem habe sich "in der Mehrheit der neupfingstlichen Kirchen"
ein Glaube an den Glauben breitgemacht. Viele neupfingstliche Kirchen
haetten sich, so Galvez, wie Firmen organisiert, andere seien
militaerisch-hierarchisch aufgebaut. Auch kritisierte er den
ausgepraegten "Divisionismus" - die Tendenz, kirchenspaltend zu
wirken.

In der Vollversammlung der Fraternidad Teologica Latinoamericana, die
am Rande des Kongresses stattfand, wurde die Kolumbianerin Lilia
Gongora zur neuen Praesidentin gewaehlt. Sie ist Professorin fuer
Soziologie an der Universidad Javeriana de Colombia in Bogota. Eine
Woche vor Beginn von CLADE IV tagten zum ersten Mal in der Geschichte
evangelische VertreterInnen indigener Voelker des gesamten Kontinents
und bildeten eine Vereinigung. Zu ihrem Sprecher wurde der
Ecuadorianer Marco Murillo gewaehlt, der bereits FEINE, einer
entsprechenden nationalen Vereinigung, vorsteht. Nach Verlesung einer
Erklaerung der neuen Vereinigung, die deutliche Kritik auch an
gegenwaertigen evangelischen Missionsmethoden ausdrueckte, wurde
Murillo in Plenum von CLADE IV mit den Insignien eines Haeuptlings
(Poncho, Stab und Federkrone) eingekleidet.

(Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag von Martin Breitenfeldt,
Dozent fuer Kirchengeschichte am CTE Santiago de Chile.)

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