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"Charta Oecumenica" in Strassburg unterzeichnet


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Date 22 Apr 2001 22:09:47

23. April 2001
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz

Leitlinien für das kirchliche Miteinander in Europa:
"Charta Oecumenica" in Strassburg unterzeichnet

Strassburg, Frankreich.  Zum Abschluss des Millenniums-
Treffens der europäischen Kirchen in Strassburg ist am 22. 
April die "Charta Oecumenica" feierlich unterzeichnet 
worden. Der Prager Kardinal Miloslav Vlk, scheidender 
Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen 
(CCEE), und der orthodoxe Metropolit Jeremie, Präsident der 
Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), setzten ihre 
Unterschriften unter das Dokument, das grundlegende 
ökumenische Aufgaben für die europäischen Kirchen 
beschreibt.

In dem Dokument verpflichten sich die Kirchen, gemeinsam 
zur Versöhnung von Völkern und Kulturen in Europa 
beizutragen. Auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens solle 
eine Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit gefördert 
werden. Allerdings stellt die Charta auch deutlich heraus, 
dass sie keinen lehramtlich-dogmatischen oder 
kirchenrechtlich-gesetzlichen Charakter hat. Ihre 
Verbindlichkeit bestehe vielmehr in der Selbstverpflichtung 
der europäischen Kirchen und ökumenischen Organisationen. 

Die Charta Oecumenica bringt theologisch keinen 
ökumenischen Durchbruch und spricht nur allgemein vom 
"Ziel der eucharistischen Gemeinschaft", was im Klartext 
bedeutet, dass die Charta am Status quo der Trennung am 
Tisch des Herrn und der Trennung der Konfessionen 
überhaupt nichts ändert. Die europäischen Kirchen 
verpflichten sich zwar in dem Text zur innerchristlichen 
Ökumene mit dem letztlichen Ziel der eucharistischen 
Gemeinschaft. Ein erfahrener Ökumeniker formulierte dies in 
Strassburg so: "Ein nüchterner Realismus, der das faktische 
Lehren und Leben in den orthodoxen und evangelischen 
Kirche sowie in der römisch-katholischen Kirche ernst nimmt, 
zeigt, dass sich in absehbarer Zeit daran nichts ändern wird."

Während des Treffens wurde von Vertretern von KEK und 
CCEE verschiedentlich darauf hingewiesen, dass der 
Schwerpunkt bei der ökumenischen Charta auf dem Prozess 
liegt, den das Papier in den Kirchen auslösen soll, und 
weniger auf den darin formulierten Verpflichtungen. 

Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf wird die Forderung 
nach regelmässigen ökumenischen Gottesdiensten nicht 
mehr erhoben. Über ihre theologischen und spirituellen 
Aufgaben hinaus wollen die Kirchen auch an der Einigung 
Europas mitarbeiten. Die Charta spricht in diesem 
Zusammenhang soziale Verantwortung, die Verteidigung der 
Grundwerte, die Abwehr von Nationalismus und Gewalt sowie 
die Bewahrung der Schöpfung an.

Die ökumenischen Leitlinien äussern sich auch zur 
Herausforderung des Proselytismus und zur Berufung zu 
gemeinsamem Zeugnis der Kirchen. Dabei bleibt die Charta 
ganz im Rahmen des gleichnamigen Studiendokuments der 
Gemeinsamen Arbeitsgruppe des Ökumenischen Rates der 
Kirchen (ÖRK) und der römisch-katholischen Kirche von 
1995. Unter dem Titel "Gemeinsam das Evangelium 
verkündigen" verpflichten sich die Kirchen: "über unsere 
Initiativen zur Evangelisierung mit anderen Kirchen zu 
sprechen, darüber Vereinbarungen zu treffen und so 
schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr neuer Spaltungen zu 
vermeiden." Die Kirchen verpflichten sich ferner 
"anzuerkennen, das jeder Mensch seine religiöse und 
kirchliche Bindung in freier Gewissensentscheidung wählen 
kann. Niemand darf durch moralischen Druck oder materielle 
Anreize zur Konversion bewegt werden; ebenso darf niemand 
an einer aus freien Stücken erfolgenden Konversion 
gehindert werden."

Mit der Ökumene-Charta verpflichten sich die Kirchen aber 
auch, "die Religions- und Gewissensfreiheit von Menschen 
und Gemeinschaften anzuerkennen und dafür einzutreten, 
dass sie individuell und gemeinschaftlich, privat und 
öffentlich ihre Religion oder Weltanschauung im Rahmen des 
geltenden Rechtes praktizieren dürfen." Ferner wollen die 
europäischen Kirchen "für das Gespräch mit allen Menschen 
guten Willens offen sein, gemeinsame Anliegen mit ihnen 
verfolgen und ihnen den christlichen Glauben bezeugen."

Ausführlich geht das Dokument auf die Gemeinschaft mit den 
Weltreligionen ein. An erster Stelle steht dabei das 
Judentum, wobei die Verpflichtungen ausdrücklich die 
Abwehr von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und 
Gesellschaft sowie die Forderung nach einem Dialog "auf 
allen Ebenen" mit den jüdischen Geschwistern nennen. Die 
Charta ruft zudem zur Pflege der Beziehungen zum Islam 
und zur Begegnung mit anderen Religionen und 
Weltanschauungen aus. 

Der CCEE ist ein Zusammenschluss von 34 römisch-
katholischen Bischofskonferenzen in Europa; zur KEK 
gehören 125 orthodoxe, reformatorische, anglikanische, 
freikirchliche und altkatholische europäische Kirchen. 

Hinweis an die Redaktion:
Der offizielle deutsche Text der CHARTA OECUMENICA ist auf 
der APD-Web Site unter: http://www.stanet.ch/APD 
abrufbar.


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