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Wenn von Rassismus gesprochen wird, muss von den Dalits gesprochen werden


From "Frank Imhoff" <FRANKI@ELCA.ORG>
Date Fri, 17 Aug 2001 14:59:26 -0500

Indische Anwaeltin engagiert sich fuer die Rechte der
"Unberuehrbaren"

Genf, 17. August 2001 (LWI) - Dr. Sarada Devi Karnatakam gehoert zu
den Dalits, den sogenannten "Unberuehrbaren", die in Indien massiv
unter Diskriminierung leiden. Sie lehrt Management in Chirala im
indischen Staat Andhra Pradesh. Die indische Anwaeltin kaempft
engagiert fuer die Anerkennung der Diskriminierung der Dalits als
eine Form des Rassismus. Als Beraterin des Ausschusses fuer
Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte des Lutherischen
Weltbundes (LWB) ist sie auch international aktiv.

Geboren in einer Familie christlicher Dalits, erfuhr sie die
Diskriminierung der Dalits in der indischen Gesellschaft schon seit
fruehester Kindheit am eigenen Leib: "Dalits sind ausgegrenzt. Sie
befinden sich sogar noch unterhalb des hierarchisch gegliederten
Kastensystems." Dalits werden von den oberen Kasten als
"Unberuehrbare" bezeichnet und sind damit "die am staerksten
unterdrueckte Klasse in Indien", betont Karnatakam in einem Gespraech
mit der Lutherischen Welt-Information (LWI). "Dalits duerfen nicht
die Tempel betreten und duerfen nicht die gleichen Brunnen wie die
oberen Kasten benutzen. Sie haben all' die schmutzige Arbeit zu tun
und muessen ausserhalb des Dorfes leben. Sie werden von den anderen
nicht wie menschliche Wesen behandelt."

Das Wort Dalit bedeutet "unterdrueckt" oder "zerbrochen". Fuer ihre
eigenen Rechte kaempfend, haetten die Dalits diesen Namen gewaehlt,
um ihre Situation als unterdrueckte Gemeinschaft zu beschreiben, so
Karnatakam. Sie fuehren sich selbst auf die Ureinwohner zurueck, die
von arischen Hirtenstaemmen unterworfen wurden, die ca. 1.200 v. Chr.
in Nordindien eindrangen und mit ihrer ueberlegenen Waffentechnik
schnell die Oberhand gewannen. "Erst im 19. Jahrhundert," erlaeutert
Karnatakam, "haben die Dalits begonnen, sich selbst als unterdrueckte
Gruppe zu verstehen."

Im 20. Jahrhundert spielte die Bewegung des Dr. Ambedkars eine
entscheidende Rolle, die durchsetzte, dass die Dalits in der
indischen Verfassung nach der Unabhaengigkeit von Grossbritannien
voll anerkannt wurden. Doch die Realitaet sieht anders aus, betont
Karnatakam: "Die Mehrheit der rund 260 Millionen Dalits in Indien hat
keinen Zugang zu Bildung, keinen Zugang zu unterstuetzenden
Einrichtungen."

Dieser Unterschied zwischen verfassungsmaessigen Rechten und
tatsaechlicher Praxis steht auch im Mittelpunkt der Diskussionen im
Vorbereitungsprozesses zur Ende August im suedafrikanischen Durban
stattfindenden UN-Weltkonferenz gegen Rassismus. Die indische
Regierung unternehme alles, um zu verhindern, dass die
Diskriminierung der Dalits auf die Tagesordnung der Konferenz kommt,
beklagt Karnatakam. Sie hat allerdings keinen Zweifel, dass die
Unterdrueckung der Dalits auf Rassismus zurueckzufuehren ist.
"Diskriminierung im Kastensystem entspricht rassistischer
Diskriminierung. Nicht nur in Indien, auch in Nepal oder Sri Lanka
leben Dalits. In Japan gibt es den Dalits vergleichbare Gruppen. Dies
ist ein globales Problem geworden. Ich bitte den LWB nachdruecklich,
weiterhin mit den internationalen Netzwerken zusammenzuarbeiten fuer
den Schutz der Menschenrechte der Dalits. Wann immer von Rassismus
oder Menschenrechten gesprochen wird, muss auch von den Dalits
gesprochen werden", betont Karnatakam.

Die indische Anwaeltin vertritt vor allem Dalit Frauen in Indien.
"Wenn Dalit Maenner doppelt diskriminiert sind, sind Dalit Frauen
dreifach benachteiligt: aufgrund ihrer Klasse, Rasse und ihres
Geschlechts. 80% von ihnen arbeiten als Arbeiterinnen vor allem in
der Landwirtschaft, doch sind sie auch beim Bau von Staudaemmen und
von Gebaeuden beschaeftigt. Einige der Frauen arbeiten in Fabriken,
in Krankenhaeusern, fast immer handelt es sich um gering geachtete
Arbeiten, denen Angehoerige der oberen Kasten nicht nachkommen
wollen. Arme Frauen sind koerperlicher Gewalt und Missbrauch
ausgesetzt. Sie werden psychisch und sexuell von Landbesitzern und
Vorgesetzten belaestigt und ausgebeutet."

"Arme Frauen", unterstreicht Karnatakam, "sind besonders verletzlich
wegen ihrer schlechten Ernaehrung, ihres schlechten
Gesundheitszustands und der schlechten Arbeitsbedingungen." Hinzu
komme, dass viele trinkende bzw. alkoholabhaengige Ehemaenner
haetten, die sich nicht um ihre Familien kuemmerten. "Diese Frauen
muessen hart arbeiten, um ihre Familie zu ernaehren. Wenn sie von der
Arbeit nach Hause kommen, muessen sie Feuerholz sammeln, den
taeglichen Einkauf erledigen, fuer die Kinder kochen. Wenn sie
schliesslich schlafen gehen, ist es bereits Mitternacht. Sie koennen
nicht geistlich wachsen. Gern wuerden sie am Sonntag die Kirche
besuchen, doch die Situation erlaubt es ihnen nicht."

Fuer Karnatakam sind Armut und Analphabetentum, der Mangel an Bildung
und Bewusstsein, wesentliche Ursachen des Problems: "Ich habe als
Beraterin in den vergangenen 15 Jahren auf diesem Gebiet gearbeitet.
Ich habe das Problem zuallererst als eine Entwicklungsfrage gesehen
und so lehre ich Frauen das notwendige Wissen, um sich selbstaendig
zu machen. Ich habe Landarbeiterinnen geholfen, kleine Laeden
aufzubauen. Seit 1995 haben wir auch eine Bank in Hyderabad
eingerichtet, die vollstaendig von Dalit Frauen betrieben wird. Alle
Mitarbeiterinnen von der Leitung bis zum Aussendienst sind Dalit
Frauen. Ich bin froh, dass ich sagen kann: alle diese Projekte werden
von Kirchen unterstuetzt." (744 Woerter)

(Mit Dr. Sarada Devi Karnatakam sprach Barbara Robra, Genf.)

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