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ORK - Die Kirche und die Fremden...


From "Sheila Mesa" <smm@wcc-coe.org>
Date Tue, 18 Sep 2001 13:29:09 +0200

Okumenischer Rat der Kirchen
Feature, Feat-01-14
zur Veroffentlichung frei
18. September 2001

Die Kirche und die Fremden: Entwurzelte Menschen in der
Demokratischen Republik Kongo 

Raymond Bitemo

Als 1994 die Kampfe zwischen Hutus und Tutsis in Ruanda und
Burundi ausbrachen, flohen ca. eine Million Fluchtlinge in die
heute so genannte Demokratische Republik Kongo (RDC). 1996
fuhrten Kampfe in der Demokratischen Republik Kongo zwischen
Rebellen und Regierungsstreitkraften zu weiteren Vertreibungen
von Fluchtlingen. Der zerstorerische Burgerkrieg in der
Demokratischen Republik Kongo brach 1998 erneut aus, und auch die
Kampfe gehen vereinzelt weiter, was zu einer Verscharfung des
ernsten Problems der Entwurzelten - Fluchtlinge und
Binnenvertriebene - in der Region fuhrt.  

Zusatzlich zu all ihren Anstrengungen, die sie unternimmt, um
den Hauptgrund fur dieses Problem anzugehen - den Burgerkrieg -
fuhrte die Kirche Christi im Kongo (ECC) ein umfassendes
Kolloquium in Kinshasa vom 5. bis 16. durch, dem sich ein Treffen
ihres Exekutivausschusses anschloss, auf dem ihre Mitglieder und
Verantwortlichen zum Thema der Entwurzelten ausfuhrlich
informiert und praktische Antworten aufgezeigt werden sollten.  

Der vorliegende Beitrag von Raymond Bitemo ist der erste einer
dreiteiligen Artikelreihe uber entwurzelte Menschen in der
Demokratischen Republik Kongo und Teil einer umfassenderen
Artikelserie uber Fluchtlinge und Binnenvertriebene. Bitemo
stammt aus Kongo Brazzaville und war einst gezwungen, seine
Heimat zu verlassen. Heute lebt er wieder in Kongo Brazzaville.
Die Kirche Christi im Kongo ist Mitglied der Okumenischen Rates
der Kirchen (ORK).  
-----------

Der Krieg, der seit drei Jahren in der Demokratischen Republik
Kongo wutet und das Problem der Entwurzelung sind
Hauptgesprachsthemen der sechs Millionen Kinshaser, von denen
die meisten Verwandte aus den besetzten Provinzen beherbergen.
Fast drei Millionen Menschen haben ihr Leben im Krieg gelassen.
In seiner Nachrichtensendung vom 11. August berichtete der
staatliche Radiosender der Demokratischen Republik Kongo, dass
Tausende Angolaner vor den Kampfen, die zwischen der Armee und
Rebellenstreitkraften im Norden des Landes vor kurzem
ausgebrochen sind, in die Provinz Bas-Congo geflohen sind. Ein
Verantwortlicher fur das Welternahrungsprogramm vor Ort dazu:
"Jeden Tag kommen Menschen in die Buros der Hilfsorganisationen
und bitten um Hilfe."  Solche Berichte machen deutlich, wie
dringend das Problem der Entwurzelung in diesem Land ist, das
rund 60 Millionen Einwohner zahlt.  

Niemand scheint genau zu wissen, wie viele entwurzelte Personen
zurzeit in der Demokratischen Republik Kongo leben. Das
UN-Koordinierungsburo fur Humanitare Angelegenheiten (OCHA)
spricht von rund 1.500.000 Fluchtlingen. Die Binnenfluchtlinge
finden in diesen Schatzungen allerdings keine Berucksichtigung.
Die Kirche Christi im Kongo spricht von 2.500.000 Vertriebenen
und Fluchtlingen. Denis Kalume Numbi, Minister fur Wiederaufbau
und den Plan, hat darauf hingewiesen, dass seine Abteilung sich
um ca. 6.400.000 Binnenvertriebene und Fluchtlinge aus Angola,
Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, Kongo-Brazzaville,
Liberia, Uganda, Ruanda und dem Sudan kummert. Zu den 
Fluchtlingen, die von den Einheimischen im Bas-Congo "Nzenza"
genannt werden, im Aquator "Mopaya" und in den Ostprovinzen
"Mukimbizi", gehoren nicht nur Fluchtlinge aus den
Nachbarlandern, sondern auch Tausende Kongolesen aus der
Demokratischen Republik Kongo, die vom Krieg vertrieben wurden
und in Kongo-Brazzaville und in Zentralafrika leben.  

Das Problem der Entwurzelung in der Demokratischen Republik
Kongo ist ein Paradefall, auf den Regierung, Hilfsorganisationen
und Kirchen bislang keine geeignete Antwort wissen.  

Auf Regierungsebene hat die Ministerin fur soziale
Angelegenheiten, Jeanne Ebamba Boboto, zugegeben, dass ihr
Ministerium dem Problem machtlos gegenuber steht. "Wir mussen
leider sagen, dass die meisten der Entwurzelten in unserem Land
in grosser Armut leben. Ganze Familien sind seit mehr als zwei
Jahren in irgendwelchen Unterkunften, die hier und dort
eingerichtet wurden, untergebracht. Sie leben dort unter
bedauernswerten Bedingungen. Andere irren in den Strassen der
Stadte umher, weil sie ihr Zuhause verloren haben."  

An die Kirchentur klopfen

 "Diese Tragodie appelliert an unser aller Gewissen. Die
Gesellschaft im Allgemeinen und die Kirche im Besonderen mussen
daruber nachdenken, wie sie dieser Herausforderung gerecht werden
konnen," so Mgr Marini Bodho, nationaler Vorsitzender der Kirche
Christi im Kongo bei der Eroffnung des Kolloquiums zum Thema "Die
Kirche und der Fremde: Wie geht die Kirche Christi im Kongo mit
den entwurzelten Menschen in der Demokratischen Republik Kongo
um?", das vom 5. bis 16. August 2001 in Kinshasa stattfand.  

Als die Kirche Christi im Kongo sich dessen bewusst wurde, dass
es ihre Pflicht ist, sich der entwurzelten Menschen anzunehmen,
dass ihr aber die Mittel dafur fehlen, entschloss sie sich,
Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Bereichen in der
Demokratischen Republik Kongo sowie Experten aus dem Ausland
zusammenzubringen, um uber dieses Thema zu sprechen.  

Delegierte von den Synoden aus den besetzten Ostprovinzen waren
fest entschlossen, diese Reise zu unternehmen, um uber ihre
Erfahrungen zu berichten. Ein Pastor aus Bukavu in Sud-Kivu
berichtete beispielsweise davon, dass es seine Provinz "mit fast
500.000 Fluchtlingen und durch den Krieg Vertriebenen besonders
hart getroffen habe. Viele dieser Menschen klopfen taglich an die
Turen der Kirche und bitten um Hilfe. Als wir vom nationalen Buro
der Kirche Christi im Kongo horten, dass ein Kolloquium zu
Fluchtlingsfragen stattfinden sollte, beschlossen wir, das
Risiko der Reise auf uns zu nehmen." Die Gruppe aus Sud-Kivu flog
uber Kigali und Nairobi nach Kinshasa und furchtete auf dem
Ruckflug aus guten Grunden um ihr Leben.  

In anderen Berichten aus den Regionen war die Rede vom Bruch,
der durch das Land geht und vom Ausmass der menschlichen
Tragodien, die die vom Krieg Entwurzelten erleben. In den von
den Rebellenstreitkraften besetzten Provinzen wird geraubt,
vergewaltigt, geplundert und lebendig begraben. Menschen irren
durch den Busch, Ackerbau und Viehzucht sind zum Erliegen
gekommen, die Infrastruktur im wirtschaftlichen, sozialen,
schulischen und im Gesundheitsbereich ist zerstort, und die
Rekrutierung von Kindersoldaten geht weiter. Die Aufnahmezonen
fur Fluchtlinge aus den Nachbarlandern und fur
Binnenvertriebene befinden sich in Provinzen, die von der
Regierung kontrolliert werden, doch sind die Aufnahmestrukturen
ungenugend, und es fehlt am Allernotigsten.  

Das Problem der Entwurzelung wurde von inlandischen und
auslandischen Wissenschaftlern, Ministern und
Parlamentsmitgliedern, Kirchenfuhrern und Vertretern der
Hilfsorganisationen und westlicher Botschaften auch unter
geschichtlichen  theologischen, juristischen, politischen,
humanitaren, diplomatischen und wirtschaftlichen Aspekten
erortert. Armut, Ungerechtigkeit, Fremdenfeindlichkeit und
Globalisierung wurden als Hauptursachen fur den Krieg und die
daraus folgende Entwurzelung der Bevolkerung in der
Demokratischen Republik Kongo angeprangert. Der Kongolesische
Professor Roger Kibasomba von der Wits University in
Johannesburg, Sudafrika gab jedoch zu bedenken, dass "wir uns
selbst fragen mussen, wo wir mit zur heutigen Situation
beigetragen haben, die nun von auslandischen
Wirtschaftsinteressen ausgenutzt wird. "  

Pastorin Shirley DeWolf aus Zimbabwe, regionale Koordinatorin
des Kirchlichen Dienstes fur entwurzelte Menschen im sudlichen
Afrika und Mitglied der ORK-Kommission der Kirchen fur
Internationale Angelegenheiten (CCIA), zeigte auf zwei Pflanzen,
von denen eine aufrecht stand, ihre Wurzeln fest im Boden
verankert, der sie nahrte und ihr Wachstum ermoglichte und eine
zweite, deren Wurzeln ausgerissen waren und die eingehen muss, da
sie keine Nahrung erhalt. "Was bedeutet dieses Bild fur uns als
Kirche?" fragte sie.  

S. Tilewa Johnson, Bischof aus Gambia und Vorsitzender des
Ausschusses fur Fluchtlinge und Nothilfe der Gesamtafrikanischen
Kirchenkonferenz (AACC), unterstrich, dass "wir als Kirche
aufgerufen sind, allen Entwurzelten zu helfen," und er ermutigte
die Kirche Christi im Kongo, ein Hilfsprogramm aufzustellen, um 
sicherzustellen, dass "entwurzelte Menschen selbst mit einbezogen
werden, indem sie ihre wahren Bedurfnisse benennen." Doch "wie
kann man in einem Land, in dem Nahrungsmittelsicherheit nicht
mehr existiert und in dem fast die gesamte Bevolkerung durch den
Zusammenbruch der Wirtschaft und den Krieg bedurftig geworden
ist, denjenigen benennen, der Unterstutzung erhalten sollte?"
fragte der stellvertretende Direktor der Caritas Bruno Miteyo.  

Auf dem Kolloquium wurden eine Reihe von Empfehlungen
ausgesprochen, die die Dienststelle fur Fluchtlinge und Nothilfe
der Kirche Christi im Kongo (MERU) in ihren Bemuhungen
unterstutzen sollen, sich die geeigneten Mittel an die Hand zu
geben, um die Herausforderungen des nachsten Jahrzehnts annehmen
zu konnen. Die Empfehlungen betrafen die Notwendigkeit einer
internen Umstrukturierung, der Erstellung eines Arbeitsprogramms,
einer Bewusstseinsscharfung, um nationale Ressourcen zu
mobilisieren, die Notwendigkeit, ein effizientes
Informationsnetzwerk einzurichten, um besser auf Notfalle
reagieren zu konnen und schliesslich die Notwendigkeit, mit der
Regierung, Hilfsorganisationen und Kirchen in Europa, den USA und
Kanada zusammenzuarbeiten. Auf dem Kolloquium wurden der
Okumenische Rat der Kirchen und die Gesamtafrikanische
Kirchenkonferenz gebeten, die Einberufung einer Konferenz mit
Verantwortlichen der Kirchen aus dem Gebiet der grossen Seen zu
unterstutzen, um das Problem der entwurzelten Menschen zu
erortern und alternative Losungen fur die politischen
Entscheidungstrager vorzuschlagen.  

Weitere Informationen erhalten Sie von:  
Karin Achtelstetter, Medienbeauftragte, Tel:   (++41.22)
791.61.53    Handy:  (+41) 79.284.52.12

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Der Okumenische Rat der Kirchen (ORK) ist eine Gemeinschaft von
342 Kirchen in uber 100 Landern auf allen Kontinenten und aus
praktisch allen christlichen Traditionen. Die romisch-katholische
Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ORK
zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die
ungefahr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ORK wurde 1948 in
Amsterdam (Niederlande) offiziell gegrundet. An der Spitze der
Mitarbeiterschaft steht Generalsekretar Konrad Raiser von der
Evangelischen Kirche in Deutschland.

Okumenischer Rat der Kirchen
ORK-Medienbeauftragte 
Tel: (41 22) 791 6153 / 791 6421
Fax: (41 22) 798 1346
E-Mail: ka@wcc-coe.org 
Internet: www.wcc-coe.org 

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