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Nicht von Rachegefuehlen, sondern von Glaubensueberzeugungen leiten lassen


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Wed, 26 Sep 2001 10:34:55 -0500

LWB-Generalsekretaer Noko ruft zu Dialog auf ueber Grenzen hinweg

Genf, 25. September 2001 (LWI) * Der Generalsekretaer des
Lutherischen Weltbundes (LWB), Dr. Ishmael Noko, hat die lutherischen
Kirchen weltweit dazu aufgerufen, auf eingehende Beratungen zwischen
den Voelkern der Welt zu draengen, um Reaktionen zu foerdern, die
nicht zu einer Ausweitung von Gewalt, Gegensaetzen und Verzweiflung
fuehren. Zwei Wochen nach den verheerenden Terroranschlaegen in den
USA, bei denen vermutlich ueber 6.000 Menschen ums Leben kamen,
erklaerte Noko in einem Schreiben an die Mitgliedskirchen und
Nationalen Komitees des LWB, dass es fuer die Kirchen entscheidend
sei, sich in ihren Reaktionen von ihren Glaubensueberzeugungen leiten
zu lassen.

Es gebe viele Vorschlaege, so Noko, wie auf die Tragoedie angemessen
zu reagieren sei. Die Ereignisse vom 11. September in den USA seien
"ein besonders frappierendes Symptom des allgemeinen Gebrechens des
Hasses und der Gewalt", unter dem so viele verschiedene
Gemeinschaften weltweit zu leiden haetten. Die Reaktion auf diese
Ereignisse muessten daher in eine umfassende Reaktion auf Hass und
Gewalt eingebunden sein, betonte der LWB-Generalsekretaer. In dieser
Zeit, in der die Sprache des Krieges vorherrsche, bete er, so Noko,
"dass die Fuehrenden der Welt sich bei ihrer Reaktion nicht von
Rachegefuehlen leiten lassen, die die Gewalt nur verschaerfen und
fortsetzen koennn."

Die Kirchen seien aufgerufen, "Tendenzen entgegenzuwirken, die andere
aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen Zugehoerigkeit oder
Nationalitaet ausgrenzen oder verteufeln wollen". Ueber Grenzen
hinweg muesste ein echter Dialog gefuehrt werden. "Wo wir uns
bemuehen zuzuhoeren, zu verstehen und wo noetig unsere eigenen
Positionen zu korrigieren, koennen wir gemeinsam konstruktive
Reaktionen entwickeln", erklaerte Noko. Ein solcher Dialog beinhalte
die Chance, die hoffnungslose Situation in vielen Teilen der Welt zu
verstehen, die dazu beitraegt, Hass und Gewalt zu naehren. (286
Woerter)

Im Folgenden finden Sie den vollen Wortlaut des Schreibens von
LWB-Generalsekretaer Dr. Ishmael Noko:

An die Mitgliedskirchen und
Nationalen Komitees des LWB

24. September 2001

Liebe Schwestern und Brueder,

am Tag nach den tragischen Ereignissen des 11. September 2001 sandten
Praesident Krause und ich im Namen des Lutherischen Weltbundes ein
Schreiben an Bischof H. George Anderson und Bischof Hans Dumpys, die
Leitenden Bischoefe der LWB-Mitgliedskirchen in den Vereinigten
Staaten von Amerika. In diesem Schreiben sprachen wir den Familien
der Opfer und der gesamten Bevoelkerung der Vereinigten Staaten unser
tiefes Mitgefuehl aus. Weiterhin versicherten wir beide Kirchenleiter
unseres Gebets und unserer Unterstuetzung bei der Aufgabe, ihre
seelsorgerliche Verantwortung in dieser schwierigen Zeit
wahrzunehmen. Wir beten weiter fuer die Hinterbliebenen, die
Verletzten und Traumatisierten wie auch fuer die SeelsorgerInnen, die
sie begleiten. Wir sind dankbar dafuer, dass viele andere Mitglieder
der LWB-Familie ebenfalls Briefe schicken, fuer die Betroffenen beten
und auch in anderer Form zum Ausdruck bringen, was es bedeutet,
wirklich eine Gemeinschaft zu sein, in der, wenn ein Glied leidet,
alle Glieder als Teil des einen Leibes Christi mitleiden (1. Kor. 12,
26).

Inzwischen ist mehr als eine Woche vergangen und wir hatten Zeit,
ueber diese Ereignisse nachzudenken, die sich in einer Welt
zugetragen haben,wo an so zahlreichen Orten in vielfaeltigster Form
weiter Gewalt herrscht. Was am 11. September in den Vereinigten
Staaten geschah, ist ein besonders frappierendes Symptom des
allgemeinen Gebrechens des Hasses und der Gewalt, unter dem so viele
verschiedene Gemeinschaften weltweit leiden. Die Reaktion auf diese
Ereignisse muss daher in eine umfassende Reaktion auf Hass und Gewalt
eingebunden sein.

Es gibt viele Vorschlaege, wie auf die Tragoedie angemessen zu
reagieren sei. Fuer uns als Kirchen ist entscheidend, dass wir uns in
unseren Reaktionen von unseren Glaubensueberzeugungen leiten lassen.
Fuer uns steht im Mittelpunkt, dass der verborgene Gott am Kreuz
inmitten tiefster Schmaehung, inmitten von Leiden und Tod offenbart
wird. Anstatt in Macht und Triumph wird Gottes mitleidende Liebe in
Zeiten groesster Gefaehrdung erfahren.

In der vergangenen Woche zerstoerten mit unversoehnlichem Hass
bewaffnete Attentaeter in einem Augenblick Symbole globaler
finanzieller und militaerischer Macht und mit ihnen das Leben von
tausenden Maennern, Frauen und Kindern. In diesem Augenblick wurde
die Wirklichkeit des Boesen, die Tiefe der menschlichen Suende und
die Gefaehrdung menschlichen Lebens, die Teil seines ureigensten
Wesens ist, in schrecklicher Weise offenbar. Die Symbole der Macht
konnten das Leben der Menschen nicht schuetzen. Konfrontiert mit
diesen Tatsachen muessen wir als Glaubende darueber nachdenken, wo
unsere Sicherheit und unsere Hoffnung wirklich verankert sind. Wir
sind herausgefordert, die Vertrauensbeziehungen, die allem Leben in
Gemeinschaft zugrunde liegen, und den Glauben, in dem unsere wahre
Sicherheit liegt, in den Mittelpunkt zu stellen.

In der Asche der von Menschen heraufbeschworenen Zerstoerung handelt
Gott weiter durch Menschen, die viele Graeben ueberbruecken, um
einander zu helfen und zu troesten. Diese Liebe zu unseren Naechsten,
die inmitten der Krise und des Chaos erblueht, ist der Geist Gottes,
der in unserer gebrochenen Welt wirkt. Sie zeugt von einer Reaktion,
die wahrhaft ie Macht hat, den Hass zu ueberwinden, der solch
schreckliche Gewaltakte gebiert.

Wir sind nach wie vor mit vielen Fragen konfrontiert. Was war der
Zweck und der Sinn dieser Terrorakte? Was kann solche Wut und solchen
Fanatismus hervorgebracht haben? Welche Art Reaktion ist im Angesicht
solchen Hasses sinnvoll und konstruktiv? Unsere Kirchen sollten Orte
sein, wo die Fragen, die derartige Ereignisse aufwerfen, artikuliert
und diskutiert werden koennen. Wir sind aufgerufen, Tendenzen
entgegenzuwirken, die andere aufgrund ihrer Hautfarbe, ethnischen
Zugehoerigkeit oder Nationalitaet ausgrenzen oder verteufeln wollen.
Wir muessen miteinander ueber solche Grenzen hinweg sprechen, einen
echten Dialog fuehren. Wo wir uns bemuehen zuzuhoeren, zu verstehen
und wo noetig unsere eigenen Positionen zu korrigieren, koennen wir
gemeinsam konstruktive Reaktionen entwickeln. In einem solchen Dialog
moegen wir beginnen, die hoffnungslose Situation in vielen Teilen der
Welt zu verstehen, die dazu beitraegt, Hass und Gewalt zu naehren.
Ich bete darum, dass wir durch diesen Dialog neue Kraft und neues
Engagement finden werden, um Armut, wirtschaftliches Ungleichgewicht,
Menschenrechtsverletzungen, Machtmissbrauch und anderes Unrecht, die
die Verzweiflung vertiefen, zu verringern.

In dieser Zeit, in der die Sprache des Krieges vorherrscht, bete ich
darum, dass die Fuehrenden der Welt sich bei ihrer Reaktion nicht von
Rachegefuehlen leiten lassen, die die Gewalt nur verschaerfen und
fortsetzen koennen. Wir, als Kirchen, die die Botschaft des Friedens
verkuenden, sollten auf eingehende Beratungen zwischen den Voelkern
der Welt draengen, um Reaktionen zu foerdern, die nicht zu einer
Ausweitung von Gewalt, Gegensaetzen und Verzweiflung fuehren.

Moegen bei unserer Mitwirkung am weltweiten Kampf gegen die Gewalt
Mitgefuehl, Dialog, Gerechtigkeit und Liebe unsere vorrangigen
Werkzeuge sein. Gott gebe uns Kraft in der Gefaehrdung und Mitgefuehl
in unserem Leid.

In Christus verbunden,

Ishmael Noko
Generalsekretaer

(759Woerter)

*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 60,5 Millionen der
weltweit rund 64,3 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt
als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen
Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die
mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
Quellenangabe abgedruckt werden.

***
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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