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Menschen haben Angst zu verhungern


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Mon, 08 Oct 2001 15:10:22 -0500

Hilfsorganisationen: Verhindern, dass die Menschen in Afghanistan zu
Fluechtlingen werden

Peshawar (Pakistan)/Genf, 8. Oktober 2001 (LWI) - Karim Mullah macht
sich Sorgen um seinen Bruder und dessen Familie in Afghanistan,
nachdem die USA das Land angegriffen haben. Der Afghane lebt schon
seit 14 Jahren im benachbarten Pakistan. Der Grund: "Zu viele
Probleme in Afghanistan: keine Arbeit, keine Nahrungsmittel und
Buergerkrieg", zaehlt Karim auf. Und jetzt wird befuerchtet, dass die
Luftangriffe Chaos im Land ausloesen.

Der 54-Jaehrige hat in Peshawar im Norden Pakistans nahe der Grenze
zu Afghanistan Arbeit als Koch bei einer Hilfsorganisation gefunden
und verdient sich nebenbei mit dem Handel von Teppichen noch etwas
dazu. Regelmaessig schaut er auch bei Geir Valle, dem Leiter des
Bueros des norwegischen christlichen Hilfswerks Norwegian Church Aid
(NCA) in Peshawar, vorbei.

Der Direktor der NCA-Programme in Pakistan und Afghanistan kennt
Karim gut. Eine der neun afghanischen Hilfsorganisationen in dem zu
"NCA&Partner" zusammengeschlossenen Netzwerk unterstuetzt afghanische
Fluechtlinge in Peshawar, die vom Teppichknuepfen leben. Diese sind
jetzt noch staerker auf Hilfe angewiesen. Wegen der Krise um
Afghanistan ist der Markt fuer Teppiche zusammengebrochen. "Tausende
von Familien leiden", klagen die afghanischen HelferInnen.

Ab und zu hat auch Valle, lutherischer Pfarrer aus Norwegen, einen
Teppich gekauft. Doch im Moment hat er andere Sorgen. NCA bereitet
sich fieberhaft auf moegliche Hilfsmassnahmen im Gefolge der Angriffe
auf Afghanistan vor. Morgen werden Wassertanks, Reinigungsanlagen und
Pumpen per Flugzeug erwartet. Ausserdem hat NCA Zelte geordert.

Norwegian Church Aid gehoert zu den Hilfswerken, die massgeblich die
Nothilfe- und Entwicklungsprojekte der Abteilung fuer Weltdienst
(AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) unterstuetzen. Weiterhin
kooperiert NCA eng mit ACT (Action by Churches Together - Kirchen
helfen gemeinsam), einem weltweiten Netzwerk von Kirchen und
Partnerorganisationen, die ihre Hilfsmassnahmen fuer Menschen in Not
gemeinsam koordinieren. Der LWB gehoert zu den Gruendungsmitgliedern
von ACT, das im Oekumenischen Zentrum in Genf angesiedelt ist.

Die Planungen laufen zweigleisig: zum einen fuer die neuen Lager an
der Grenze, die die zu erwartenden Fluechtlinge aufnehmen sollen, zum
anderen fuer die Menschen, die in Afghanistan dringend auf Hilfe
angewiesen sind. Auch die bisherigen Projekte in Afghanistan, auf die
sich NCA konzentriert, laufen weiter - soweit es die Einschraenkungen
durch die herrschende Taliban-Regierung erlauben. Zum Beispiel wurde
jetzt an 1.200 Bauern in der Gegend von Kabul Saatgut ausgegeben.
Dies sowie die kuenftige Hilfe sollen verhindern, dass die Menschen
in Afghanistan gezwungen sind, ihre Doerfer auf der Suche nach
Nahrung zu verlassen. "Die Lage ist ernst, sehr schwierig und
gefaehrlich, aber es ist moeglich weiterzuarbeiten", betonen die
afghanischen Partner.

Die Partner von NCA draengen darauf, mehr Hilfe in Afghanistan zu
leisten, um einerseits den intern Vertriebenen zu helfen und
andererseits zu verhindern, dass noch mehr Menschen fliehen. Schon
jetzt sind Zehntausende aus den Staedten aufs Land gefluechtet - aus
Furcht vor Bombenangriffen. Doch in den Doerfern gibt es nach vier
Jahren Duerre keine Nahrungsmittelreserven und auch keine Arbeit fuer
die Neuankoemmlinge. "Die Menschen haben Angst zu verhungern", sagen
die HelferInnen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) sind weit mehr als drei
Millionen Menschen in Afghanistan dringend auf Nahrungsmittelhilfe
angewiesen, viele von ihnen laufen Gefahr zu verhungern. Auch die
Partner von NCA vor Ort werden sich in Afghanistan an der Verteilung
von Weizen beteiligen, der vom Welternaehrungsprogramm der UN (World
Food Program - WFP) bereitgestellt wird.

Die beruhigende Botschaft lautet: Nahrungsmittel stehen ausreichend
zur Verfuegung, es gilt nur, sie rechtzeitig zu verteilen. Und das
moeglichst schnell, denn ab 15. November sind die Bergregionen in
Afghanistan wegen des einsetzenden Winters nicht mehr zugaenglich. Zu
verhindern, dass die Menschen in Afghanistan zu Fluechtlingen werden,
ist fuer Valle die gegenwaertige Hauptaufgabe der humanitaeren
Gemeinschaft.

Geir Valle, der streng unterscheidet zwischen seinem Pastorenamt und
seiner Arbeit als Helfer, kennt Pakistan schon lange und weiss um die
religioesen und sozialen Konflikte, die im Grenzgebiet im Nordwesten
schwelen und leicht dazu fuehren koennten, dass sich der Konflikt in
Afghanistan ueber die Grenze hinweg ausbreitet. Viele
Taliban-Anhaenger leben in dem Gebiet, in dem die Koranschulen
liegen, aus denen die Talibanbewegung hervorgegangen ist.

Zehn Jahre lang - von 1979 bis 1989 - war er als Pfarrer in einer
Kirchengemeinde in Mardan unweit von Peshawar taetig. Nach seiner
Rueckkehr nach Norwegen ging er zu NCA und kehrte im November
vergangenen Jahres nach Peshawar zurueck. Aufgefallen ist ihm nach
seiner Rueckkehr besonders der explosionsartige Anstieg der
Bevoelkerung, der sich laut Valle nicht nur in den Statistiken
niederschlage, sondern auch im Alltag augenfaellig sei. Von mehr als
80 Millionen Mitte der 80er Jahre soll die Bevoelkerungszahl auf 130
Millionen angestiegen sein - allein dies sorgt fuer sozialen
Sprengstoff. Zusammen mit allen anderen Problemen, wie der tiefen
Kluft zwischen radikalen und liberalen MuslimInnen, der hohen
Arbeitslosigkeits- und Analphabetenrate, macht dies deutlich, wie
bruechig der soziale Friede im Land ist. (780 Woerter)

(Ein Beitrag von Rainer Lang, er berichtet gegenwaertig im Auftrag
von ACT ueber die Situation afghanischer Fluechtlinge in Pakistan.)

*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 60,5 Millionen der
weltweit rund 64,3 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt
als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen
Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
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