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Simbabwe: Erneute Gewalt bedroht Aussichten auf freie und faire


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 07 Mar 2002 15:05:08 -0600

Wahlen
LWB-Generalsekretaer ruft zur Wiederherstellung abgebrochener
Beziehungen auf

Genf, 7. Maerz 2002 (LWB) - Angesichts der zunehmenden Gewalt im
Vorfeld der Wahlen in Simbabwe am kommenden Wochenende und des
Rueckzugs der WahlbeobachterInnen der Europaeischen Union (EU) hat
sich der Generalsekretaer des Lutherischen Weltbunds (LWB), Pfr.
Dr. Ishmael Noko, ausdruecklich dafuer ausgesprochen, "die vielen
nationalen und internationalen Beziehungen, die jetzt abgebrochen
werden", wiederherzustellen. Dies koenne sich Simbabwe nicht
leisten, so Noko, der selbst aus dem afrikanischen Land stammt.

Ungluecklicherweise werde der Wahlkampf in Simbabwe "durch
politische Gewalt, schwerwiegende Verstoesse gegen Menschenrechte,
zweifelhafte Beschuldigungen, unnoetige Beschraenkungen der
Medien, Beschimpfungen und oeffentliche Einschuechterung der
Bevoelkerung" gestoert, erklaerte Noko gegenueber der Lutherischen
Welt-Information (LWI). Durch diese Schwierigkeiten werde jede
Garantie fuer eine freie und faire Wahl auf ein Minimum reduziert.
Er hoffe, betonte der LWB-Generalsekretaer, dass die Anwesenheit
von WahlbeobachterInnen aus Suedafrika, der Suedafrikanischen
Entwicklungsgemeinschaft, anderen afrikanischen Nationen, dem
Commonwealth und der breiteren oekumenischen Gemeinschaft dazu
beitragen werde, "unmaessige politische Gewalt einzudaemmen".

Zwar habe Simbabwe als souveraener Staat das Recht, "darueber zu
entscheiden, wen es in sein Land einreisen laesst, wem es dort
Aufenthalt gewaehrt und wen es als BeobachterInnen bei
Landeswahlen akkreditiert". Er frage sich jedoch, so Noko, wenn
Simbabwe wirklich demokratisch ist und in Bezug auf die
Akkreditierung internationaler BeobachterInnen nichts zu verbergen
hat, warum den WahlbeobachterInnen nicht der Status von
MonitorInnen zugestanden wurde, die traditionell an hoeherer
Stelle Bericht erstatten und notfalls zum Eingreifen in den
Wahlablauf befugt sind. Die Berichterstattung von
WahlbeobachterInnen ist von offizieller Seite weniger anerkannt.

Der Erfolg einer politischen Partei muesse "ein wuerdevolles Leben
fuer alle Menschen" zur Folge haben, anstatt diese Menschen zu
Opfern von Erniedrigung und Angst zu machen, betonte Noko. Er
bedauere, dass Menschen, die als ehemalige Fluechtlinge in der
Aussicht auf ein unabhaengiges und demokratisches Simbabwe
zurueckkehrten, jetzt auf Grund von Gewalt und Einschuechterung
wieder das Land verlassen muessten. (314 Woerter)

Im Folgenden finden Sie den vollen Wortlaut des Interviews:

LWI: Wie beurteilen Sie die jetzige Praesidentschaftswahl in
Simbabwe?

Noko: Im heutigen politischen Stil und Umfeld sind die politischen
Parteien in Simbabwe wie ueberall in der Welt in Wahlkampagnen
verfangen, die auf ungesunden Methoden beruhen, naemlich dass die
Chancen, die Wahl zu gewinnen, mit dem Ausmass der Diffamierung
des Gegners steigen. Der Wahlprozess endet damit, dass die
politischen Fuehrer ihre gegenseitige Achtung verloren haben, die
Nation gespalten ist und die waehrend der Wahlkampagne
ausgestreute Saat zu wachsen und zu reifen beginnt. Die negativen
Auswirkungen sind noch lange nach der Wahl spuerbar. Dies ist
meiner Meinung nach so etwas wie eine politische "Krankheit", die
langsam aber sicher die Substanz der Demokratie zernagt. Ich bin
mir durchaus dessen bewusst, dass Demokratie kein perfektes System
ist, aber man kann doch nicht seine Gegner verteufeln und
gleichzeitig darauf hoffen, am Tag darauf deren "geliebter"
Praesident zu sein.

LWI: Meinen Sie, dass eine Institution wie die Kirche sich mit
dieser "Krankheit" befassen sollte?

Noko: Unbedingt. Politik ist nicht ausschliesslich den
PolitikerInnen und ihren Parteien vorbehalten, insbesondere
waehrend eines Wahlprozesses wie jetzt in Simbabwe. Wenn wir darin
uebereinstimmen, dass eine zu starke Konzentration auf die
WahlgewinnerInnen zu einer gesellschaftspolitischen "Krankheit"
wird, dann muss die Kirche dagegen sprechen. Als moralische
Hueterin der Gesellschaft ist die Kirche der jungen Generation
Rechenschaft schuldig. Wie koennen wir sonst darauf hoffen, fuer
die Zukunft aufrichtige Fuehrungskraefte heranzubilden, wenn die
jungen Menschen lediglich eine Kultur der Einschuechterung
erleben?

LWI: Das Team der WahlbeobachterInnen der Europaeischen Union zog
sich vor kurzem aus Simbabwe zurueck, weil, wie sie sagten, die
Behoerden es ihnen nicht ermoeglichten, ihre Aufgabe richtig
durchzufuehren. Meinen Sie, dass die jetzige Situation fuer die
noch im Lande verbleibenden BeobachterInnen und MonitorInnen und
auch fuer die WaehlerInnen bei der Wahl vom 9. - 10. Maerz einen
unabhaengigen Wahlprozess gewaehrleistet?

Noko: Ungluecklicherweise ist die Wahlkampagne in Simbabwe
gestoert durch politische Gewalt, schwerwiegende Verstoesse gegen
Menschenrechte, zweifelhafte Beschuldigungen, unnoetige
Beschraenkungen der Medien, Beschimpfungen und oeffentliche
Einschuechterung der Bevoelkerung im Hinblick auf die Ausuebung
ihres demokratischen Rechts, eine politische Fuehrung zu waehlen.
Durch diese Schwierigkeiten wird jede Garantie fuer eine freie und
faire Wahl auf ein Minimum reduziert. Ich hoffe, dass die
Anwesenheit von BeobachterInnen aus Suedafrika, der
Suedafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, anderen afrikanischen
Nationen, dem Commonwealth und der breiteren oekumenischen
Gemeinschaft dazu beitragen wird, unmaessige politische Gewalt
einzudaemmen. In diesem Zusammenhang moechte ich noch darauf
hinweisen, dass die Probleme zwischen Simbabwe und der EU haetten
vermieden werden koennen, wenn beide Seiten gleichermassen
engagiert gewesen waeren, eine Loesung zu finden.

LWI: Was waeren Ihrer Meinung nach die unmittelbaren und
langfristigen Auswirkungen des Fernbleibens der EU von Simbabwe in
diesem entscheidenden Augenblick?

Noko: Augenblicklich sind die Beziehungen zwischen Simbabwe und
der EU angespannt. Die "intelligenten Sanktionen" wurden
angekuendigt und nun angewandt. Dies wird zu noch mehr Spannungen
zwischen beiden fuehren. Es ist durchaus moeglich, dass den
Einschraenkungen, die Praesident Mugabe und seinen engsten
Verbuendeten auferlegten wurden, bald weitere Sanktionen folgen
werden, die ungluecklicherweise langfristig normale SimbabwerInnen
treffen werden.

LWI: Wie erklaeren Sie die Spannungen zwischen Simbabwe und der
EU?

Noko: Wenn die Schwierigkeiten zwischen beispielsweise Simbabwe
und dem Vereinigten Koenigreich auch unnoetig sind, so koennte man
sie doch als eine belastende Folge des historischen Erbes
erklaeren. Schwerer verstaendlich ist die jetzt entstandene
Verbitterung zwischen der Regierung von Simbabwe und anderen
Staaten in der EU. Ist deren Haltung so zu verstehen, dass sie
sich politisch gegen Simbabwe stellen als Unterstuetzung der
britischen Regierung im Kontext der Aussenpolitik der EU?

Bekanntlich bestehen zwischen Simbabwe und Grossbritannien
Spannungen im Zusammenhang mit der Frage der Landverteilung. Die
gerechte Umverteilung des Ackerlandes in Simbabwe ist eine
entscheidende Frage, die im politischen und oeffentlichen Bereich
beachtet werden muss, doch in letzter Zeit sind alle legitimen
Gruende fuer eine Behandlung dieses Problems?ar Praesident zu sei durch
Gewalt und
illegales Vorgehen untergraben worden. Diese Angelegenheit
interessiert die anderen EU-Partner nicht. Simbabwe hat als
souveraener Staat das Recht, darueber zu entscheiden, wen es in
sein Land einreisen laesst, wem es dort Aufenthalt gewaehrt und
wen es als BeobachterInnen bei Landeswahlen akkreditiert. Wenn
Simbabwe wirklich demokratisch ist und in Bezug auf die
Akkreditierung internationaler BeobachterInnen nichts verbirgt,
waere es dann nicht transparenter, diese BeobachterInnen zu
MonitorInnen zu machen?

LWI: Koennten Sie anhand spezifischer Beispiele aufzeigen, welche
Beziehungen sich ohne das Dach der EU nicht verschlechtert
haetten?

Noko: Viele Jahre lang haben die schwedische Regierung und die
Schweden mit ihrer Unterstuetzung fest hinter der Selbstbestimmung
Simbabwes und dem Prozess des Aufbaus der Nation nach der
Unabhaengigkeit gestanden, insbesondere im Bereich des
Gesundheits- und Bildungswesens. Als schwarze SimbabwerInnen im
Exil waren, hat Schweden sich zusammen mit gleichgesinnten
Nationen darum bemueht, im Rahmen der Vereinten Nationen fuer die
zum Schweigen gebrachte Mehrheit zu sprechen, und Fluechtlingen
aus Simbabwe in Botswana, Mosambik, Sambia und Tansania direkte
Hilfe zukommen lassen. Diese Freundschaft zeigte sich auch an der
besonderen Rolle, die einige Personen dabei spielten, wie
beispielsweise der ehemalige schwedische Premierminister, der
verstorbene Olof Palme, und seine enge persoenliche Beziehung zu
Mugabe und dem ehemaligen Vizepraesidenten Simbabwes, dem
verstorbenen Joshua Nkomo. Wie Sie wohl bemerkt haben, haben die
juengsten Ereignisse die Beziehungen zwischen diesen beiden
befreundeten Nationen einerseits und Simbabwe und der EU
andererseits auf einen Tiefstand gebracht. Man haette gehofft,
dass die wahre Freundschaft mit Schweden dazu beitragen koennte,
eine Loesung fuer die gegenwaertigen Probleme zu finden.

LWI: Haben Sie noch weitere Bemerkungen zur politischen Lage in
Simbabwe?

Noko: Lassen Sie mich mit der Bemerkung schliessen, dass ich es in
der Tat sehr traurig finde, dass in einem Land, das die
Unabhaengigkeit erreicht hat und eine Demokratie geschaffen hat,
die politische Konfrontation sich so verschaerft hat, dass zwanzig
Jahre spaeter die Menschen Simbabwe wieder als Fluechtlinge
verlassen und in Nachbarlaender oder nach Uebersee fluechten.
Einige von denselben Leuten, die als ehemalige Fluechtlinge und
UnterstuetzerInnen des Befreiungskampfes in die Heimat
zurueckkehrten, weil ihnen ein unabhaengiges und demokratisches
Simbabwe verheissen wurde, werden jetzt wieder gezwungen, aus
Angst zu fluechten. Ganz abgesehen von dem Bild, das die uebrige
Welt jetzt von Simbabwe haben mag, ist dies die schwerwiegendste
Folge dieser ernsten Lage. Nachdem die Nation es soweit gebracht
hat, sollte die heutige Politik mehr als ein Mittel zum Zweck
sein, das heisst in diesem Fall, um jeden Preis eine Wahl zu
gewinnen. Diese bedauerliche Notlage der Menschen in Simbabwe ist
ein weiteres eindrueckliches Beispiel fuer die vielen nationalen
und internationalen Beziehungen, die jetzt abgebrochen werden. Das
kann Simbabwe sich nicht leisten. Diese Beziehungen muessen
wiederhergestellt werden. Der Erfolg einer politischen Partei muss
sich umsetzen in ein wuerdevolles Leben fuer alle Menschen,
anstatt diese Menschen zu Opfern von Erniedrigung und Angst zu
machen. (1083 Woerter)

(Mit LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko sprach
LWI-Redakteurin Pauline Mumia.)

*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 60?ar Praesident zu sei,5
Millionen der
weltweit rund 64,3 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
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***
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-Mail: dmg@lutheranworld.org
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