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Medizinische Versorgung droht zu kollabieren


From "Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date Sat, 06 Apr 2002 20:45:52 -0600

Palaestinensische Autonomiegebiete: Medizinische Versorgung droht
zu kollabieren
Auguste Victoria-Krankenhaus ist fuer Dialyse-Bedarf im gesamten
Westjordanland zustaendig

Jerusalem/Genf, 6. April 2002 (LWI) - Craig Kippels fuerchtet vor
allem eins, dass das bereits massiv angeschlagene
Gesundheitssystem in den Staedten des Westjordanlandes und im
Gazastreifen vollends zusammenbricht. Kippels ist als
Repraesentant des Lutherischen Weltbundes (LWB) zustaendig fuer
die LWB-Programme in Jerusalem und den palaestinensischen
Gebieten. Notstand herrsche nicht nur bei der Versorgung der
Krankenhaeuser mit dingend benoetigten Medikamenten und Geraeten.
Sogar medizinisches Personal und PatientInnen werde daran
gehindert, in die Krankenhaeuser zu gelangen.

Seit Beginn der israelischen Militaeroffensive in der vergangenen
Woche als Reaktion auf die neue Welle palaestinensischer
Selbstmordanschlaege, verschlechtere sich die Situation von Tag zu
Tag, so Kippels. Ebenso nehme Armut und Arbeitslosigkeit unter der
palaestinensischen Bevoelkerung rasant zu.

Dr. Tawfiq Nasser, Leitender Direktor des Auguste
Victoria-Krankenhauses (AVH) auf dem Oelberg in Ostjerusalem, das
unter LWB-Verwaltung steht, berichtet, dass inzwischen die
Bestaende im Krankenhaus knapp geworden sind. So sei das AVH nicht
mehr in der Lage, medizinische Ausruestung und Medikamenten aus
dem Westjordanland zu beziehen. Durch die Abriegelung vieler
palaestinensischer Staedte durch israelisches Militaer sei das
Krankenhaus gezwungen, dingend benoetigte Materialien zu erheblich
hoeheren Kosten in Israel zu ordern. Andere Krankenhaeuser im
Westjordanland stuenden vor aehnlichen Schwierigkeiten.

Von den Versorgungsengpaessen sind vor allem Dialyse- und
KrebspatientInnen betroffen. Das AVH ist ein Allgemeinkrankenhaus,
zu dem u.a. eine spezialisierte Hals-Nasen-Ohren-Klinik sowie ein
Krebstherapiezentrum gehoeren. Weiterhin ist das Krankenhaus das
einzige Kinderdialyse-Zentrum fuer das Westjordanland.

Das AVH ist jetzt fuer den Dialyse-Bedarf im gesamten
Westjordanland zustaendig, betont Tawfiq Nasser. Nach der
Besetzung der groessten palaestinensischen Stadt Nablus durch
israelisches Militaer sei eines der groessten Krankenhaeuser im
Gebiet der Palaestinensischen Autonomiebehoerde (PA) von der
Umwelt abgeschnitten.

Am Freitag, 5. April, wurden mit Hilfe des Internationalen Roten
Kreuzes zwei Kinder aus der Region um Nablus zur lebenswichtigen
Dialyse-Behandlung ins AVH nach Jerusalem transportiert. "Wir
wissen nicht, wieviele in den naechsten Tagen noch zu uns kommen
werden, weil immer mehr PatientInnen nicht mehr zu den
Krankenhaeusern der Palaestinensischen Autonomiebehoerde gelangen
koennen," berichtet Nasser. 15 weitere PatientInnen warten allein
in Nablus und Jenin auf eine Behandlung.

Ein weiteres Problem stellt die Abriegelung der palaestinensischen
Gebiete dar. Von den rund 160 palaestinensischen AerztInnen und
MitarbeiterInnen des Krankenhauses leben etwa 130 im
Westjordanland und benoetigen deshalb eine Genehmigung, um
Jerusalem zu betreten. Doch trotz von israelischen Behoerden
ausgestellter Passierscheine wird immer mehr Angestellten des
Krankenhauses der Zugang nach Jerusalem verweigert. Inzwischen hat
die Krankenhausleitung angeordnet, dass ein Teil des medizinischen
Personals auf dem Klinikgelaende uebernachtet, um den
Krankenhausbetrieb zu gewaehrleisten.

VertreterInnen der Krankenhaeuser in Ostjerusalem planen nun eine
gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie mit Belaestigungen der
MitarbeiterInnen durch das israelische Militaer umzugehen sei, so
der Leitende AVH-Direktor.

Das Auguste Victoria-Krankenhaus ist eines der Projekte im Rahmen
des Jerusalemer Programms der LWB-Abteilung fuer Weltdienst (AWD).
Das heutige Krankenhaus liegt auf dem Oelberg und wurde 1910 als
Teil der Kaiserin Auguste Victoria-Stiftung eingeweiht. Weiterhin
gehoert zum Komplex der Stiftung, benannt nach der letzten
deutschen Kaiserin Auguste Victoria, der Gattin Kaiser Wilhelms
II., die Jerusalemer Himmelfahrtkirche. Die Stiftung wurde nur
vier Jahre entsprechend ihrer urspruenglichen Bestimmung als
Hospiz, Erholungs- und Gemeindezentrum genutzt. Mit Ausbruch des
Ersten Weltkriegs wurde sie militaerisch besetzt und diente als
Hauptquartier der jeweiligen Mandatsmaechte, bis ein Erdbeben 1927
die Gebaeude schwer beschaedigte. Waehrend des Zweiten Weltkriegs
wurden die Hospizgebaeude erstmals als Krankenhaus genutzt.

Nach der Gruendung des Staates Israel 1948 wurde das Auguste
Victoria-Krankenhaus 1950 in die treuhaenderische Verwaltung des
Lutherischen Weltbundes ueberfuehrt. In Absprache und enger
Zusammenarbeit mit dem UN-Hilfswerk fuer palaestinensische
Fluechtlinge UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for
Palestine Refugees in the Near East), das vom Internationalen
Roten Kreuz die Verantwortung fuer die palaestinensischen
Fluechtlinge uebernommen hatte, versorgt das Auguste
Victoria-Krankenhaus in Zusammenarbeit mit der palaestinensischen
Autonomiebehoerde vorwiegend Fluechtlinge aus palaestinensischen
Gebieten. Rund 75 Prozent der PatientInnen des Krankenhauses
kommen aus dem Westjordanland bzw. dem Gazastreifen. (639 Woerter)

*       *       *

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