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Chile: LutheranerInnen wollen Hoffnung saeen


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Mon, 03 Jun 2002 12:35:16 -0500

Aus illegaler Siedlung auf besetztem Boden soll normales
Stadtviertel werden

Santiago de Chile (Chile)/Genf, 3. Juni 2002 (LWI) - Maria Soledad
Puebla laeuft von einem Gebaeude zum anderen und begutachtet die
Schaeden, die der Regen hinterlassen hat. Es ist Winter in der
chilenischen Hauptstadt Santiago, das bedeutet tagelang heftiger
Regen. "Ich tue alles, um den Kindergarten instand zu halten",
sagt die Verwalterin der Einrichtung. Doch der Regen waescht den
Kiesboden aus, auf dem der Kindergarten der lutherischen Gemeinde
gebaut ist, genauso wie alle Huetten in dieser Siedlung.

Eigentlich duerfte hier kein Kindergarten stehen und kein Haus.
1.800 Familien haben dieses Stueck Brachland illegal besetzt. "Das
sind Leute, die vorher bei Verwandten untergekommen waren und
keine Moeglichkeit hatten, eine eigene Wohnung zu bezahlen",
erklaert Maria Soledad. Die 24 Hektar im Osten von Santiago
gehoeren einem Sportunternehmer, der sie urspruenglich als
Fussballplaetze vermietete.

Den BewohnerInnen der Siedlung fehlt das Geld fuer das
Allernoetigste. Norma etwa, eines ihrer vier Kinder besucht den
Kindergarten, ist hochschwanger, sie erwartet Zwillinge. "Ich
weiss nicht, wie ich dann Windeln kaufen soll", klagt sie. Ihr
Mann helfe bei Bauarbeiten aus, sei aber schon seit Monaten nicht
bezahlt worden, berichtet Norma.

"Unser groesstes Problem hier ist die Arbeit", berichtet Ana
Puebla, Vorsitzende eines Buergerkomitees. Vielen ergeht es so wie
Pablo Gomez, dem bei seiner Arbeitsuche immer wieder zum
Verhaengnis wird, dass er in der illegalen Siedlung lebt. "Ich
habe mich auf eine Stelle als Schreinergehilfe beworben, aber als
ich meine Adresse angegeben habe, sagten sie mir sofort ab". Jetzt
verdient Pablo etwas Geld damit, dass er aus Muell Papier und
Kartons heraussucht und verkauft. "Wie sollen die Leute dann Strom
und Wasser bezahlen", fragt Ana Puebla. Es ist ein nicht endender
Kreislauf.

Als sich die Familien vor drei Jahren hier niederliessen, zapften
sie zunaechst die Stromleitungen an. Inzwischen sind Strom- und
Trinkwasserversorgung offiziell geregelt. Eine Kanalisation haben
die BewohnerInnen selbst angelegt, sie ist aber noch nicht fertig.
Bis dahin muss die Siedlung mit chemischen Toiletten auskommen,
eine fuer zwoelf Familien. Die Muellabfuhr kommt manchmal,
manchmal aber auch nicht.

Auch wenn die hygienischen Bedingungen mangelhaft sind, krank zu
werden, koennen sich die meisten nicht leisten. Monica etwa, sie
lebt mit ihren vier Kindern und einem Enkel in drei Raeumen. Sie
hat eine Stelle als Hausangestellte, ihr Mann arbeitet mal hier,
mal dort. "Solange mein Mann bei einem Unternehmen arbeitete,
hatten wir auch eine Krankenversicherung. Aber jetzt sind wir
nicht mehr versichert", berichtet Monica.

Monica gehoert zu zehn lutherischen Familien, die hier wie alle
anderen Wohnraum suchten. Diese Familien sorgten dafuer, dass die
naechstgelegene lutherische Gemeinde sich in der Siedlung
engagierte. "El Sembrador" heisst der Kindergarten, "Der Saemann".
Hoffnung saeen will dieses Projekt. In naher Zukunft will die
Verwalterin des Kindergartens auch ein Angebot fuer Jugendliche
schaffen. Aus Langeweile greifen viele zu Drogen oder Alkohol.
"Die Jugendlichen sind hier voellig sich selbst ueberlassen, und
sie haben keinen eigenen Raum, in dem sie sich treffen und
diskutieren koennen", meint Maria Soledad.

Noch ist nicht sicher, dass diese Zukunkftsplaene Wirklichkeit
werden koennen. Denn noch laeuft ein Gerichtsprozess, in dem der
Besitzer gegen die illegale Besetzung des Grundstuecks klagt. In
diesem Prozess wie in vielen aehnlichen geht es allerdings nicht
darum, die illegalen BewohnerInnen zu vertreiben, sondern darum,
das Land mit moeglichst hohem Profit an den Staat zu verkaufen.
Denn dem Staat liegt daran, die Situation zu legalisieren. Dann
koennten die BewohnerInnen Stueck fuer Stueck ihre Haeuser
erwerben. In einigen Jahren wuerde dann aus dem besetzten Gebiet
ein Stadtviertel wie jedes andere. (583 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Alexandra Jaenicke, die
gegenwaertig in der Oeffentlichkeitsarbeit der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile mitarbeitet.)

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