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LWB-Ratstagung in Lutherstadt Wittenberg


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 05 Sep 2002 15:21:13 -0500

LWB-Ratstagung in Lutherstadt Wittenberg kann wie geplant
stattfinden
LWB-Praesident Krause: Treffen ist auch als Solidaritaet mit den
von der Hochwasserflut betroffenen Menschen zu verstehen

Hannover (Deutschland)/Genf, 5. September 2002 (LWI) - Der
Lutherische Weltbund (LWB) wird seine Ratssitzung wie geplant vom
9. bis 17. September in Lutherstadt Wittenberg (Deutschland)
abhalten. Darauf hat der Praesident des LWB, Landesbischof i. R.
Dr. h. c. Christian Krause (Wolfenbuettel), in einem Interview der
"VELKD Informationen" hingewiesen. Zwar sei eine Verlegung nach
Berlin angesichts der Flutkatastrophe eroertert worden, doch
haetten die Partner in Wittenberg Entwarnung gegeben. "Wir
verstehen das Treffen auch als Solidaritaet mit den Menschen, die
von der Hochwasserflut betroffen sind", sagte Krause.

Die Tagung des Rates ist das letzte Treffen dieses Gremiums in
vollem Umfang einschliesslich der Ausschusssitzungen vor der
Vollversammlung 2003 in Winnipeg (Kanada). Krause bekraeftigte das
Bekenntnisprofil des LWB. Fuer viele der Mitgliedskirchen sei dies
eine existentielle Frage, so dass lutherische Identitaet fuer ihr
Selbstverstaendnis wichtig sei. Diese Identitaet bestimme zugleich
den Weg dieser Kirchen in die groessere Gemeinschaft des
Weltbundes und durch ihn in die weltweite Oekumene hinein. "Nur in
Deutschland kommt man dann und wann auf den Gedanken, zu meinen,
dass das Bekenntnis der Oekumene entgegenstuende", kritisierte
Krause.

In Winnipeg endet auch die Amtszeit des LWB-Praesidenten.
Christian Krause war auf der Neunten LWB-Vollversammlung 1997 in
Hongkong (China) gewaehlt worden. Im Interview zog er eine erste
Bilanz seiner Amtszeit. Ihm sei die "pastorale Dimension" seines
Amtes sehr wichtig gewesen, die Mitgliedskirchen und ihre Menschen
zu besuchen. Die interkonfessionellen Beziehungen seien ihm nicht
weniger wichtig gewesen. Das Ringen um die "Gemeinsame Erklaerung
zur Rechtfertigungslehre" (GE) von LWB und roemisch-katholischer
Kirche, die am 31. Oktober 1999 feierlich bestaetigt wurde,
bezeichnete Krause als "wichtige, aber nicht immer leichte Phase"
seiner Amtszeit. Die Anstrengungen haetten sich jedoch gelohnt,
denn die GE sei das einzige interkonfessionelle Dialogergebnis,
das weltweit gelte. Es sei jedoch bedauerlich, dass die
wechselseitige Anerkennung als Kirche durch das vatikanische
Papier "Dominus Iesus" wieder in Frage gestellt worden sei. Dieses
Dokument habe "sehr geschadet".

Gleichwohl bleibt LWB-Praesident Krause bei seiner positiven
Einschaetzung. Die GE habe eine "neue Basis" in den Beziehungen
zwischen LutheranerInnen und KatholikInnen geschaffen. "Wir
begegnen uns in groesserer Offenheit als zuvor und mit einem
deutlich gestaerkten Willen zur Gemeinschaft." Im Dialog mit Rom
seien jedoch noch viele Fragen offen, die jetzt gemeinsam
angegangen werden muessten. Fuer vordringlich haelt Krause die
Verstaendigung ueber ein gemeinsames Abendmahl, "wenigstens aber
die gastweise Zulassung evangelischer Christen zur Eucharistie",
was umgekehrt in der evangelischen Kirche schon seit mehr als 20
Jahren praktiziert werde. "Hier kann, hier muss sich die
Gemeinsame Erklaerung positiv auswirken", hofft der Praesident des
Lutherischen Weltbundes. Auf die Frage, ob es nach der GE eine
"Gemeinsame Erklaerung zum Abendmahl" geben werde, antwortete
Krause: "Da wage ich keine Prognose, denn die theologische
Gemengelage ist komplex. Das Thema Eucharistie ist mit der
Ekklesiologie, der Lehre von der Kirche, verknuepft. Und diese mit
dem Verstaendnis des Priesteramtes. Das ist ein theologisches
Riesenpaket." (488 Woerter)

Im Anschluss finden Sie den vollen Wortlaut des Interviews:

Das Interview - mit LWB-Praesident Landesbischof i. R. Dr. h. c.
Christian Krause

LWB-Ratstagung in Wittenberg kann wie geplant stattfinden

Der Praesident des Lutherischen Weltbundes, Landesbischof i. R.
Dr. h. c. Christian Krause (Wolfenbuettel), sagte im Interview der
"VELKD Informationen", das Treffen sei auch als Solidaritaet mit
den von der Hochwasserflut betroffenen Menschen zu verstehen -
Positive Bilanz der 2003 zu Ende gehenden Amtszeit gezogen -
"Gemeinsame Erklaerung zur Rechtfertigungslehre" als "neue Basis"
in den Beziehungen zu Rom gewuerdigt - Verstaendigung beim
Abendmahl angemahnt.

VELKD-Informationen: Herr Praesident, der Rat des Lutherische
Weltbundes haelt seine letzte Tagung vor der Vollversammlung in
Wittenberg ab. Enthaelt die Wahl dieses Tagungsortes, der aufs
Engste mit der Reformation Martin Luthers verbunden ist, auch eine
geheime Botschaft, etwa noch mehr lutherisches Profil zeigen zu
wollen?

Christian Krause: Eigentlich haette diese Ratssitzung - wie auch
schon die im vergangenen Jahr - in Jerusalem stattfinden sollen.
Es war uns wichtig, mit unserer lutherischen Schwesterkirche und
Mitgliedskirche in Palaestina eine gemeinsame Sitzung dort zu
haben und damit auch ein Zeichen der Solidaritaet und
Gemeinsamkeit zu setzen. Angesichts der politischen Lage in Israel
und Palaestina konnten und koennen wir dieses Vorhaben leider
nicht verwirklichen. Ich bedauere das, weil so eine Ratssitzung
mit vielen Menschen aus der ganzen Welt auch ihre besondere
Ausstrahlung hat, die der jeweiligen gastgebenden Mitgliedskirche
gut tut. 2001 wurde die Ratssitzung kurzerhand in ein Hotel bei
Genf verlegt. Um diese "splendid isolation" nicht zu wiederholen,
habe ich mit dem Vorsitzenden des deutschen Nationalkomitees des
Lutherischen Weltbundes, Bischof Hans Christian Knuth, und dem
Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Axel
Noack, gesprochen, ob die Ratstagung nach Deutschland geholt und
an einem fuer die lutherische Reformation bedeutenden Ort wie
Wittenberg stattfinden koennte. Beide haben dieses Anliegen
dankenswerterweise sofort aufgegriffen.

Im Blick auf den Tagungsort muss man allerdings festhalten: In
Wittenberg gibt es heute keine Mitgliedskirche des Lutherischen
Weltbundes. Die Kirchenprovinz Sachsen ist Teil der Evangelischen
Kirche der Union, die zwar zu grossen Teilen aus dem Luthertum
hervorgegangen ist, sich aber nicht dazu verstehen konnte, dem LWB
beizutreten. Nur die ebenfalls unierte Landeskirche in Pommern hat
diesen Schritt bereits vor Jahren vollzogen. Vom Ausland aus
betrachtet, wird das Evangelische in Deutschland nach wie vor mit
dem Luthertum gleichgesetzt, was so freilich hierzulande nicht
stimmt. Wenn man sich hingegen die ehemaligen deutschen
Auswandererkirchen zum Beispiel in Lateinamerika oder im
Suedlichen Afrika ansieht, dann stellt man fest, dass sie heute
als Kirchen ihrer jeweiligen Laender fast ausnahmslos dem LWB
angehoeren. Gleiches gilt von den Kirchen, die ueberall in der
Welt aus der deutschen evangelischen Missionsarbeit hervorgegangen
sind. Fuer viele unserer Mitgliedskirchen in aller Welt ist ihr
Bekenntnisprofil eine existentielle Frage. Es sind beispielsweise
kleine Kirchen, die inmitten anderer Religionen leben, oder auch
Kirchen - wenn ich an die USA denke -, die von einer Vielfalt
anderer Konfessionen umgeben sind, so dass lutherische Identitaet
fuer ihr Selbstverstaendnis wichtig ist. Und diese Identitaet
bestimmt zugleich ihren Weg in die groessere Gemeinschaft des
Lutherischen Weltbundes und durch ihn in die weltweite Oekumene
hinein, weil sie ihr Bekenntnis nicht nur fuer sich selber leben,
sondern in der weltweiten Gemeinschaft der Kirchen mit anderen
teilen wollen. Nur in Deutschland kommt man dann und wann auf den
Gedanken, zu meinen, dass das Bekenntnis der Oekumene
entgegenstuende. Die Wahrheit ist, dass die Kirchen in der Welt
ueber die lutherische oder gleichermassen auch ueber die weltweite
reformierte Gemeinschaft und ueber ihre Bekenntnisidentitaet
hinein den Weg in die Oekumene finden. Wenn das Zusammenkommen in
der Lutherstadt Wittenberg dazu ermutigt, die Oekumenizitaet und
die Globalitaet der LWB-Gemeinschaft zu profilieren, dann soll mir
das recht sein.

VELKD-Informationen: Das Hochwasser der Elbe hat entlang dieses
Flusses zu einer katastrophalen Lage gefuehrt und etwa auch
Wittenberg in Mitleidenschaft gezogen. Ist die Ratssitzung
gefaehrdet?

Christian Krause: Die Ratstagung kann wie geplant stattfinden.
Gleichwohl ist eine Verlegung nach Berlin eroertert worden. Unsere
Partner in Wittenberg haben jedoch Entwarnung gegeben. Und so
verstehen wir das Treffen auch als Solidaritaet mit den Menschen,
die von der Hochwasserflut betroffen sind.

VELKD-Informationen: Die Tagung in Wittenberg bietet die
Moeglichkeit die Arbeit des Lutherischen Weltbundes bei uns noch
bekannter zu machen. Schliesslich sind es insbesondere die
deutschen Kirchen, die den Weltbund finanziell kraeftig
unterstuetzen. Welche Bedeutung hat der LWB fuer seine
Mitgliedskirchen in Deutschland?

Christian Krause: Es ist richtig, dass der LWB heute ohne die
Finanzmittel aus Deutschland materiell kaum lebensfaehig waere.
Das zeigt, wie sich die Gewichte verschoben haben. Es ist einmal
umgekehrt gewesen, dass die deutschen Kirchen lebenswichtige Hilfe
durch den Lutherischen Weltbund erhielten. Das sollte man in
Deutschland nicht so schnell vergessen. Die Tatsache, dass der
Lutherische Weltbund auch heute noch die groesste kirchliche
Fluechtlingsorganisation ist - mit etwa 5.000 Frauen und Maennern
weltweit im Einsatz - hat damit zu tun, dass bei seiner Gruendung
1947 jeder siebte Lutheraner ein Fluechtling war. So war die Lage
damals in Europa und ganz besonders in Deutschland. Die Lutheraner
gehoerten damals weltweit zu den ersten, die ueber die Grenzen
hinweg die Haende reichten in Gestalt einer daraus erwachsenden
Institution - naemlich des Lutherischen Weltbundes, der 1947 noch
vor den Vereinten Nationen oder dem Oekumenischen Rat der Kirchen
gegruendet wurde.

Heute sind die lutherischen Kirchen in Deutschland aufgrund ihrer
finanziellen Moeglichkeiten materiell nicht mehr auf den LWB
angewiesen. Aber natuerlich profitieren sie nach wie vor von dem
Eingebundensein in eine weltweite Gemeinschaft, vom Austausch mit
anderen Kirchen. Das ist wohl der wirksamste Schutz vor
Provinzialismus.

Die deutschen Landeskirchen, nicht nur die lutherischen, haben
Partnerkirchen in aller Welt, die ihrerseits Mitglied im
Lutherischen Weltbund sind. Das heisst, viel direkte Hilfe, auch
den Partnern gegenueber, geschieht durch den LWB.

VELKD-Informationen: Sind die Kirchen in Deutschland durch
Provinzialismus gefaehrdet?

Christian Krause: Wir muessen darauf achten, dass wir uns nicht
auf uns selbst zurueckziehen. Ich erlebe es auf verschiedenen
Ebenen, dass der Schwerpunkt zunehmend auf bilaterale Kontakte
gelegt wird, dass Gemeinden und Landeskirchen primaer ihre
Partnerschaften pflegen. Was an sich eine gute Sache ist, wird
problematisch, wenn das gemeinschaftliche Handeln der Kirchen
dahinter zurueckfaellt. Das gilt fuer die internationalen Werke
ebenso wie fuer die nationalen Einrichtungen des Diakonischen
Werkes oder den Evangelischen Entwicklungsdienst. Gerade bei
letzterem sehen wir, dass die Mittel, die von den Landeskirchen
direkt kommen, massiv zurueckgehen, nicht weil die Landeskirchen
es nicht geben, sondern die helfen bilateral. Alle reden von
Globalisierung. Da sollten sich die Kirchen, die wohl zu den
aeltesten "global players" gehoeren, nicht die Chance nehmen
lassen, durch weltweites gemeinsames Handeln auch eine weltweite
Solidaritaet mit den Schwachen zu bewaehren.

VELKD-Informationen: Die naechste Vollversammlung des Lutherischen
Weltbundes in Winnipeg steht unter dem Thema: "Zur Heilung der
Welt". Was ist darunter konkret zu verstehen?

Christian Krause: Lassen Sie mich umgekehrt ansetzen: Was brauchen
wir heute? Was sind die Defizite, Hoffnungen, Sehnsuechte? Vor
diesem Hintergrund kommt man schnell zum Begriff "Heilung".
Winnipeg in Kanada war nicht zuletzt auch deshalb als Tagungsort
gewaehlt worden, weil in diesem Kontext die Fragen entwickelt
wurden, die schliesslich zu diesem Thema fuehrten. Dort wurde etwa
die grosse oekologische Gefaehrdung in Kanada gesehen, durch
riesige Staudaemme, durch das Bohren nach weiteren Oelvorkommen
und den Bau von Pipelines. Die Menschen sehen die schlimmen
Konsequenzen schaerfer den je, zum Beispiel der Kolonialisierung,
also der Indianer, der Reservate, der Vernichtung, der Bedrohung
von Identitaeten und Kulturen. Hinzu kommt der 11. September, der
gerade auch fuer die Vereinigten Staaten einen ungeheuren Einbruch
der persoenlichen Sicherheit und des Selbstbewusstseins als der
Supermacht gebracht hat.

Sehnsucht nach Heilung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es
dort, wo Zerrissenheit herrscht und die Gefahr weiterer
Verletzungen besteht, zur Heilung kommt. Dieses Thema laesst sich
auf vielen Ebenen entfalten. Und da kommt das Zentrum des
Evangeliums zur Sprache, was zugleich das Zentrum der
reformatorischen Kirchen, also auch unserer lutherischen
Weltgemeinschaft ist: Wir leben allein aus der Gnade Gottes, der
uns mit Jesus Christus einen Weg weist zur Heilung und zum
Vertrauen auf seine Barmherzigkeit.

VELKD-Informationen: Welches Signal koennte Ihrer Meinung nach von
Winnipeg ausgehen?

Christian Krause: Dass die Sehnsucht nach Heil und Heilung keine
Utopie ist. Dass wirklich ein Zeichen der Hoffnung von der
Vollversammlung ausgeht, dass solche Heilung im Vertrauen auf die
Barmherzigkeit Gottes moeglich ist. Das waere das globale Signal
nach aussen. Das Signal nach innen, fuer die Mitgliedskirchen,
waere, dass die eigene Gemeinschaft grenzueberschreitend gestaerkt
wird. Wir sehen, dass ein wachsender Teil der Menschheit und also
auch der Gemeinschaft des Lutherischen Weltbundes in der
suedlichen Hemisphaere, also unter den Armen dieser Welt, zu Hause
ist. Und wenn dies das Signal nach innen sein kann, dass wir
fuereinander einstehen, ein Signal des Friedens und der
Gerechtigkeit und der Hoffnung miteinander, dann sind beides - die
Ausstrahlung in die Welt hinein wie auch die Staerkung und
Ermutigung nach innen - wichtige Zeichen.

VELKD-Informationen: In Winnipeg endet Ihre Amtszeit als
Praesident des Lutherischen Weltbundes. Wenn Sie eine vorlaeufige
Bilanz Ihrer Amtszeit ziehen, was waren die praegendsten
Eindruecke?

Christian Krause: Die pastorale Dimension meines Amtes ist mir
sehr wichtig gewesen, die Mitgliedskirchen und ihre Menschen zu
besuchen, auf sie zu hoeren, mit ihnen ueber die Dinge
nachzudenken, die sie bewegen, sie auch zu troesten. Es ist ja
auch eine wichtige Botschaft, die der Praesident des Lutherischen
Weltbundes gerade den kleinen Kirchen bringen kann, die lautet:
Ihr seid nicht allein. Ihr gehoert zu dieser Gemeinschaft, die
fuereinander einzustehen bereit ist. Bei meinen Besuchen habe ich
eine unglaubliche Gastfreundschaft erfahren, die mir gezeigt hat,
dass ich, wo auch immer ich in der Welt unterwegs war, nach Hause
gekommen bin in dem Bewusstsein: es ist meine Kirche, die zugleich
unsere geistliche Heimat. Ueber alle nationalen oder ethnischen
Grenzen hinweg ist.

Gerade die kleineren Kirchen haben die Gelegenheit des Besuchs
durch den Praesidenten des LWB genutzt - etwa in Zentralosteuropa
-, um wichtige Gespraeche mit ihren Regierungen zu fuehren und
sich dabei neu in diesen Laendern in der postkommunistischen Zeit
zu positionieren. Da ging es in den Gespraechen unter anderem um
die Rueckgabe von Gebaeuden und Laendereien, um die Frage der
Gefaengnisseelsorge, um die Militaerseelsorge, um kirchliche
Feiertage, aber auch um eine Neupositionierung im Gegenueber zur
und im Miteinander mit der roemisch-katholischen Kirche in diesen
Laendern. In Indonesien, um ein anderes Beispiel zu nennen, waren
die Lage der Christen und die Moeglichkeiten eines
interreligioesen Dialogs im volksreichsten muslimischen Land der
Welt gewichtige Themen. Dies ist fuer mich der wichtigste Aspekt:
die Moeglichkeiten einer Weltgemeinschaft gerade fuer die
kleineren Kirchen als Vermittler zu nutzen, gemeinsames Handeln zu
ermoeglichen und auch dort, wo Spannungen innerhalb der
lutherischen Kirchen entstanden sind, zur Verstaendigung zu
helfen. Diesen Dienst habe ich mit grosser Freude wahrgenommen.

Nicht weniger wichtig waren fuer mich die interkonfessionellen
Beziehungen. In meine Amtszeit fiel die Bestaetigung der
Gemeinsamen Erklaerung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober
1999 in Augsburg. Hier durfte ich als Praesident die Ernte eines
30-jaehrigen Dialogs einfahren, wenngleich es 1998 nicht nach
einem positiven Abschluss aussah. Als die erste Reaktion des
Vatikan erfolgte, musste ich das Schiff zum Stehen bringen, denn
ich sah in dem Votum keine Basis, die mir eine Unterschrift
ermoeglicht haetten. Das Ringen um eine Verstaendigung ueber den
Hauptstreitpunkt, an dem sich die Reformation Luthers entzuendete,
war eine wichtige, aber nicht immer leichte Phase in meiner
Amtszeit gewesen. Aber es hat sich gelohnt.

VELKD-Informationen: Die Bestaetigung der Gemeinsamen Erklaerung
in Augsburg hat weltweit grosse Erwartungen geweckt, dass damit
ein neues Kapitel im Dialog mit der roemisch-katholischen Kirche
aufgeschlagen wuerde. Wie beurteilen Sie den gegenwaertigen Stand
des lutherisch/roemisch-katholischen Gespraechs auf Weltebene?
Waren die Hoffnungen, die man in diese Gemeinsame Erklaerung
hatte, berechtigt?

Christian Krause: Ich glaube, man muss die laengerfristige
Perspektive sehen. Was geleistet wurde, war nicht, einen
Schlusspunkt zu setzen, sondern einen Anfang, eine Plattform zu
schaffen, von der aus man weiter miteinander reden kann und dies
unverkrampfter als vorher. Hinzu kommt: Die Gemeinsame Erklaerung
ist das einzige interkonfessionelle Dialogergebnis, das weltweit
gilt. Es ist jedoch bedauerlich, dass wenige Monate nach Augsburg
durch die Schrift "Dominus Iesus" die wechselseitige Anerkennung
als Kirche - um die wir vor der Unterzeichnung gerungen hatten -
wieder in Frage gestellt worden ist. "Dominus Iesus" hat sehr
geschadet. Die Kritiker der Gemeinsamen Erklaerung, die sich fast
ausschliesslich im deutschen Raum befinden, sahen sich in ihrer
ablehnenden Haltung bestaetigt. Aus meiner Sicht bleibt es aber
bei der Einschaetzung, dass die Gemeinsame Erklaerung eine neue
Basis geschaffen hat: Wir begegnen uns in groesserer Offenheit als
zuvor und mit einem deutlich gestaerkten Willen zur Gemeinschaft.
Auch dies habe ich bei meinen Besuchen, etwa in Polen, deutlich
spueren koennen. Das alles sollte man nicht gering schaetzen.

Natuerlich sind im Dialog mit der roemisch-katholischen Kirche
noch viele Fragen offen, die wir jetzt gemeinsam angehen muessen.
Fuer vordringlich halte ich die Verstaendigung ueber ein
gemeinsames Abendmahl, wenigstens aber die gastweise Zulassung
evangelischer Christen zur Eucharistie - umgekehrt wird dies ja
schon seit mehr als zwanzig Jahren in der evangelischen Kirche
praktiziert. Dabei ist die Situation in Deutschland - im
Wertmassstab betrachtet - eine besondere. Es ist das einzige Land,
in dem etwa gleich viele Protestanten und Katholiken leben. Das
heisst, es gibt kaum eine deutsche Familie, die rein evangelisch
beziehungsweise rein katholisch waere. Das Miteinander ist eine
existentielle Frage. Und deswegen ist es auch berechtigt, dass
gerade in unserem Land so ungeheuer gedraengt wird, dass wir zu
einer Loesung kommen. Hier kann, hier muss sich die Gemeinsame
Erklaerung positiv auswirken.

VELKD-Informationen: Sie haben das Abendmahl als zentrales Thema
genannt. Wird es nach der Gemeinsamen Erklaerung zur
Rechtfertigungslehre eine Gemeinsame Erklaerung zum Abendmahl
geben?

Christian Krause: Da wage ich keine Prognose, denn die
theologische Gemengelage ist komplex. Das Thema Eucharistie ist
mit der Ekklesiologie, der Lehre von der Kirche, verknuepft. Und
diese mit dem Verstaendnis des Priesteramtes. Das ist ein
theologisches Riesenpaket. Daran soll und muss man auch arbeiten,
aber es wird die Welt nicht bewegen. Ich moechte von einem anderen
Ansatzpunkt ausgehen und nach dem pastoralen Auftrag fragen. Ich
hoffe, dass wir darauf ein Schwergewicht legen und uns die
pastorale Dimension, die Seelsorge, die Fuersorge fuer die
Menschen staerker als bisher vor Augen stellen. In diesem
Zusammenhang ist das Abendmahl ein ganz entscheidendes Thema. Denn
aus seelsorgerlichen Gruenden haben sich die lutherischen Kirchen
entschieden, auch katholische Christinnen und Christen gastweise
zum Abendmahl einzuladen, weil sie sich haben klar gemacht haben:
Gastgeber ist Christus.

Weiter besteht die Notwendigkeit, etwa im Blick auf die Grenzen
und Moeglichkeiten der Gentechnologie oder bei sozialen Fragen zu
gemeinsamen Positionen des christlichen Zeugnisses zu kommen. Hier
muss mehr Gemeinsamkeit entstehen, die das Evangelium - in dem
beide Kirchen wurzeln - noch staerker zum Leuchten bringen. (2387
Woerter)

(Die Fragen stellte Udo Hahn, Pressesprecher der VELKD).

*       *       *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 133 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 73 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
Quellenangabe abgedruckt werden.

***
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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