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Bangladesch: Schulbildung ist Voraussetzung fuer bessere Zukunft


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 24 Oct 2002 09:25:10 -0500

Rabeya will Lehrerin zu werden, eine zu fruehe Heirat wuerde alle
Plaene zunichte machen

Kurigram (Bangladesch)/Genf, 23. Oktober 2002 (LWI) - Das
allmorgendliche Ritual der elfjaehrigen Mosammat Rabeya ist
typisch fuer viele Maedchen ihrer Altersgruppe. Fuer gewoehnlich
steht sie gegen fuenf Uhr auf, hilft ihrer Mutter bei der
Hausarbeit und geht dann fuer eine Stunde zum Koranunterricht zu
ihrem Religionslehrer im Ort. Das Fruehstueck danach besteht aus
gekochtem Reis, der am Vorabend uebrig geblieben ist.

Ihre Eltern wollen jedoch unter keinen Umstaenden, dass ihre
Tochter das gleiche Schicksal teilt wie die meisten Maedchen im
Ort. Als Juengste von drei Geschwistern besucht Rabeya die fuenfte
Klasse des "Bhagabatipur Children's Education Center", des
Kinderschulzentrums Bhagabatipur in Jhunkerchar im Bezirk
Kurigram, etwa 400 km noerdlich von Dhaka, der Hauptstadt
Bangladeschs. Ihr Dorf auf einer Insel im Brahmaputra ist nur mit
dem Boot erreichbar. Die InselbewohnerInnen leben wie NomadInnen
an den Ufern des Flusses. Da sie von dem jeweiligen Wasserstand
des Flusses abhaengig sind, ziehen sie von einer Uferbefestigung
zur andern und lassen sich dort fuer einige Zeit nieder, bis sie
ihre Siedlungen wieder aufgeben muessen.

Das Kinderschulzentrum Bhagabatipur ist eines von 70 aehnlichen
Zentren mit etwa 2.430 SchuelerInnen, in denen die lokale
Nichtregierungsorganisation "Rangpur Dinajpur Rural Service"
(RDRS) Bildungsarbeit fuer die arme Bevoelkerung leistet. Der RDRS
wurde 1971 vom Lutherischen Weltbund (LWB) gegruendet und 1997 als
nationale NGO registriert. "Gaebe es in meiner Umgebung kein
Schulzentrum des RDRS, koennte ich gar keine Schule besuchen",
sagt Rabeya.

Obwohl die Familie arm ist und Rabeya oft ohne eine Mahlzeit aus
dem Hause geht, ermutigen sie ihre Eltern, weiter zu lernen. "Mein
Vater und meine Mutter machen mir Mut, fleissig zu lernen, damit
ich eine bessere Zukunft habe. Jetzt in der fuenften Klasse muss
ich mehr Zeit fuer die Schule aufbringen, damit meine Leistungen
besser werden. Ich bin fest entschlossen, den Magistergrad zu
erreichen." In ihrer Wohnung gibt es keine Uhr. So schaetzt
Rabeya, dass sie den Schularbeiten zu Hause taeglich
durchschnittlich drei Stunden widmet.

Als das Schulzentrum vor vier Jahren seine Taetigkeit aufnahm,
hatte es 30 SchuelerInnen, darunter sechzehn Maedchen. Sechs
Maedchen haben inzwischen die Schule verlassen, zwei sind
verheiratet. Wie Rabeyas Klassenlehrerin berichtet, verbieten
manche Eltern den Maedchen den Schulbesuch, wenn ihre koerperliche
Entwicklung schwerere Arbeiten erlaube. In den meisten Familien
seien die jungen Maedchen hauptsaechlich fuer die Hausarbeit
verantwortlich. Die Schule stehe nicht an erster Stelle, so die
Lehrerin.

Im Bevoelkerungsindex des Entwicklungsprogramms der Vereinten
Nationen (UNDP) fuer das Jahr 2001 rangiert Bangladesch mit seinen
135 Millionen EinwohnerInnen am unteren Ende, auf Platz 132 von
162 Laendern. Das Haupthindernis fuer Entwicklung ist die Armut.
Rund 36 Prozent der Bevoelkerung leben unter der Armutsgrenze.
Noch immer ist der Analphabetismus das Haupthindernis fuer
Fortschritt im Land. 41 Prozent der Erwachsenen koennen lesen und
schreiben, 75 Prozent besuchen eine Grundschule, 22 Prozent eine
Sekundarschule.

In den aermsten Familien soll der Anteil der Schulabbrecher extrem
hoch sein. Zudem gibt es ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen
der Zahl der Maenner, naemlich 55 Prozent, die damit fast doppelt
so hoch ist wie die der Frauen - 27 Prozent -, die lesen und
schreiben koennen. Trotz der Anstrengungen des Staates fuer die
weitere Verbreitung der Schulbildung in Bangladesch ist das
Engagement der NGOs in den entlegenen laendlichen Gebieten auch
weiterhin unverzichtbar.

Rabeyas Familie ist von den Auswirkungen der Armut nicht verschont
geblieben. Ihr aelterer Bruder, der jetzt als Rikscha-Fahrer in
der Hauptstadt Dhaka arbeitet, konnte wegen der finanziellen
Situation der Familie keine Ausbildung absolvieren. Rabeyas
aeltere Schwester, die inzwischen verheiratet ist, konnte nicht
einmal eine Schule besuchen. Ihre Eltern finden nur gelegentlich
eine Arbeit, in den Monaten Maerz und September ist es fast
aussichtslos.

Rabeya meint, sie haette ohne das vom RDRS getragene Schulzentrum
sicher die gleiche Entwicklung genommen wie ihre Geschwister. Nach
Abschluss der Ausbildung moechte sie auf dem Festland in Kurigram
das College besuchen; das geht aber nur, wenn sie bei einer Tante,
die dort lebt, wohnen kann.

Inzwischen hat Rabeyas auch begriffen, dass eine fruehe Heirat
ihre Chancen fuer ein besseres Leben zunichte machen wuerde.
"Meine Lehrerin hat mir erklaert, dass es fuer mich nicht ratsam
waere zu heiraten, ehe ich 18 Jahre alt bin. Ich werde mich mit
allen Mitteln gegen jeden vorzeitigen Heiratsantrag zur Wehr
setzen", sagt sie und fuegt hinzu, sie sei bereit, auf vieles zu
verzichten, um ihr Bildungsziel zu erreichen.

Rabeya moechte Lehrerin werden. "Wenn ich die Chance dazu bekomme,
moechte ich meinem Volk dienen." Sie weiss, dass ihr ein harter
Kampf bevorsteht, vor allem, wenn sie erst die Ausbildung im
RDRS-Zentrum abgeschlossen hat. Fuer ihre Zukunft hat sie keine
finanzielle Absicherung.

Der leitende Direktor des RDRS Bangladesch, Kamaluddin Akbar,
erklaert, die Schulzentren wuerden vor allem fuer die armen Kinder
auf den Inseln ins Leben gerufen. Sie arbeiten nach einem
Fuenf-Jahres-Plan, der Gruppen von Kindern die Moeglichkeit gibt,
die Klassen I bis V zu besuchen. Der Grund und Boden, auf dem die
Schulen errichtet worden sind, wurde von Einheimischen gespendet:
Das Lehrmaterial stellt der RDRS zur Verfuegung.

"Eines der wichtigsten Ziele der Zentren ist es, armen Kindern auf
den Inseln den Zugang zum allgemeinen Schulsystem des Landes zu
ermoeglichen", sagt Akbar. "Jetzt koennen die Kinder lesen,
schreiben und verstehen, was im Radio gesagt wird", fuegt er
hinzu.

Rund 88 Prozent der knapp 135 Millionen EinwohnerInnen
Bangladeschs sind Muslime, 10, 5 Prozent Hindus, der Anteil der
ChristInnen belaeuft sich auf 0,4 Prozent. (893 Woerter)

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
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Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
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