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Argentinische Kirchen staerken Zivilgesellschaft mit Workshops


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 24 Oct 2002 09:17:06 -0500

Wir wollen nicht Marionetten der PolitikerInnen sein

Buenos Aires (Argentinien)/Genf, 23. Oktober 2002 (LWI) - Wenn in
einem argentinischen Volkstheaterstueck ein/e PolitikerIn
auftritt, so ist es eine/r, der/die den ohnehin schon armen Leuten
noch das letzte Geld aus der Tasche zieht. Auch in der Realitaet
bringen die ArgentinierInnen ihren PolitikerInnen tiefstes
Misstrauen entgegen. Nach allen Meinungsumfragen fuehlen sie sich
von keiner einzigen politischen Institution repraesentiert, weder
von der Regierung noch vom Parlament noch vom Obersten
Gerichtshof. Die Krise, die das Land erlebt, ist nicht nur eine
Wirtschaftskrise, sondern vor allem eine Krise der demokratischen
Institutionen.

Politik gilt als korruptes und schmutziges Geschaeft. "Der Staat
gilt als Beute", sagt Gustavo Driau, Projektleiter in einem
gemeinsamen Buero der Evangelischen Kirche am La Plata und der
Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche. "Die Menschen denken,
der Staat gehoert den Politikern und Politikerinnen, und nicht
allen Argentiniern und Argentinierinnen".

Die beiden Minderheitskirchen im ueberwiegend katholischen
Argentinien sind der Ueberzeugung, dass sie dieser
Politikmuedigkeit etwas entgegensetzen und damit zu einer
demokratischeren Gesellschaft beitragen koennen, zumindest auf
kommunaler Ebene. Deswegen organisieren sie Workshops, bei denen
es darum geht, VertreterInnen von Stadtverwaltungen, lokale
Vereinigungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an einen
Tisch zu bringen. Die Workshops finden in fuenf aufeinander
aufbauenden Teilen im Zeitraum September 2002 bis Juni 2003 statt,
bisher allerdings nur im aeussersten Nordosten Argentiniens.

Ziel der Workshops ist, die TeilnehmerInnen zu motivieren, in
Zukunft die Kommunalpolitik gemeinsam zu gestalten. "Wir stellen
uns unser Land anders vor als bisher", sagt Alejandra Vieitez,
eine der beiden Workshopleiterinnen, zu den rund 50
TeilnehmerInnen. Und ihre Kollegin Graciela Maiztegui fuegt hinzu:
"Seit Jahren gehen wir regelmaessig waehlen und dann zurueck nach
Hause, um dann irgendwann zu protestieren." Jetzt gehe es darum,
mit konstruktiver Kritik in der Gesellschaft aktiv zu werden.
Voraussetzung dafuer sei, so Maiztegui, zu verstehen, wie es zu
der aktuellen Krise gekommen ist. "Es gibt hier grosse Armut und
hohe Arbeitslosigkeit. Was sind die Gruende dafuer? Die Dinge
geschehen nicht einfach so."

"Wir fuehlen uns verpflichtet, den Menschen zu helfen, ihre
eigenen Probleme zu verstehen", darum gehe es den beiden Kirchen,
die die Workshops organisieren, betonte Gustavo Driau. Dafuer sei
es noetig, dass die TeilnehmerInnen ihre Rechte besser kennen
lernen, besonders ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte. Dazu gehoeren das Recht auf Arbeit ebenso wie das Recht
auf Nahrung, Kleidung und Wohnraum. Nach Ansicht des
Kirchenvertreters sind die Workshops ein Beitrag zur nachhaltigen
kommunalen Entwicklung. Wirtschaft, Soziales und Umweltschutz
sollen dabei gleichermassen beruecksichtigt werden.

Mit Blick auf das Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung im Juli
2003 im kanadischen Winnipeg "Zur Heilung der Welt" sagte Driau,
die Kirchen koennten nicht auf alle Fragen eine Antwort geben,
aber sie koennen Denkanstoesse bieten. "Was wir tun, ist wie ein
kleines Samenkorn fuer eine bessere Gesellschaft, damit unser Land
nicht noch einmal in eine solche Krise geraet."

In den Diskussionen waehrend des Workshops zeigt sich, dass es gar
nicht so einfach ist, gemeinsame Ziele fuer die Kommunalpolitik zu
entwickeln. Jeder sieht die Prioritaeten auf anderen Gebieten. Den
BesitzerInnen von kleinen Plantagen mit Matebaeumen geht es darum,
sich die Preise fuer Matekraut nicht von GrossgrundbesitzerInnen
verderben zu lassen. UmweltschuetzerInnen dagegen erscheint es das
Allerwichtigste, die Suempfe von Ibera, die groesste
Suesswasserreserve des Kontinents, nicht zu verschmutzen.

Auch wenn alles vorrangig erscheine, sagt Graciela Maiztegui, so
muessten sich doch die VertreterInnen aus jeder Stadt, aus jedem
Landkreis darauf einigen, was in welcher Reihenfolge und mit
welchem Geld getan werden soll. "Wohin wollen wir gehen? Wenn wir
das nicht entscheiden, werden andere fuer uns entscheiden, werden
uns sagen: *Geht dorthin', und wir werden dorthin gehen. Dann
werden wir nur wie Marionetten sein."

Die Evangelische Kirche am La Plata hat rund 47.000 Mitglieder und
gehoert seit 1991 zum Lutherischen Weltbund (LWB). Die Vereinigte
Evangelisch-Lutherische Kirche mit rund 7.000 Mitgliedern ist seit
1951 Mitgliedskirche des LWB. (631 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Alexandra Jaenicke, die
gegenwaertig die Evangelische Kirche am La Plata in Buenos Aires
in der Oeffentlichkeitsarbeit unterstuetzt.)

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung
2003 "Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz des
Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen
Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt
Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter
Bedrohung. Die Zehnte LWB-Vollversammlung findet vom 21. - 31.
Juli 2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada) statt.

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
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***
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