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Bescheidenheit im Angebot, aber keine Scheu vor Selbstdarstellung


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Tue, 25 Feb 2003 10:39:55 -0600

Wiener Theologieprofessorin Heine fordert "Perspektivenwechsel" in
den Kirchen

Wien (Oesterreich)/Genf, 25. Februar 2003 (LWI) - Zu einem
"Perspektivenwechsel" in den Kirchen hat die Wiener
Theologieprofessorin Dr. Susanne Heine aufgerufen. Unter den
Bedingungen des Pluralismus haetten die Kirchen die Chance, "als
serioese Informationsquelle fuer religioese Fragen" wahrgenommen
zu werden, so die Hochschullehrerin fuer Praktische Theologie und
Religionspsychologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultaet
der Universitaet Wien am Sonntag, 23. Februar, in ihrem
Eroeffnungsvortrag vor der europaeischen Konsultation zur
Vorbereitung der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB)
in Wien. An der Tagung vom 23. bis 26. Februar nehmen rund 80
VertreterInnen aus europaeischen LWB-Mitgliedskirchen teil.

Obwohl das Christentum "in Sachen Religion" das Monopol verloren
haette, empfehle sie "Bescheidenheit im Angebot, aber keine Scheu
vor Selbstdarstellung", betonte die Theologin. Sehr oft komme die
kirchliche Bescheidenheit auf diesem Gebiet von der Schwierigkeit,
"sich im pluralistischen Feld der religioesen Gruppen
selbstbewusst zu bewegen". Dies heisse, den Verlust des Monopols
einzugestehen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, so Heine.

Die christlichen Kirchen stuenden in Konkurrenz zu zahlreichen
Religione und Weltanschauungen und koennten sich hinsichtlich
ihrer Glaubwuerdigkeit "nicht mehr auf die theologische
Begruendung von Institution und Amt berufen", so die Analyse der
Theologieprofessorin. Auch koennten sich PfarrerInnen nicht mehr
hinter ihrem kirchlichen Auftrag verstecken. Mit Blick auf das
Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung "Zur Heilung der Welt"
betonte Heine, Heilung werde von den Kirchen kaum noch erwartet.
Die LWB-Vollversammlung findet vom 21. bis 31. Juli 2003 in
Winnipeg (Kanada) statt. Gastgeberin ist die
Evangelisch-Lutherische Kirche in Kanada (ELKIK).

Als Perspektivenwechsel bezeichnete die Theologin den christlichen
Glauben selbst, dies belegten zahlreiche "anstoessige" Geschichten
und Gleichnisse der Bibel. Noetig sei allerdings, die christliche
Botschaft in eine nicht mehr christliche Kultur zu transportieren.
Wenig hilfreich seien dabei die verbreiteten "moralischen
Predigten", die auf Vorwuerfen basierten und nicht aufbauten,
sowie Predigten, die lediglich "die Unordnung der Welt" beklagten.
Heine kritisierte auch dogmatische und exegetische Predigten, die
sich eines "theologischen Insider-Vokabulars" bedienten, ohne es
fuer Aussenstehende aufzuschluesseln.

"Wenn heute am Christentum etwas attraktiv ist, dann nicht die
Botschaft als solche, sondern das Milieu, das von ihr sichtbar
bestimmt ist", erklaerte sie. Die Gemeinden koennten zur Heilung
beitragen, wenn in ihnen die Menschenliebe Gottes erfahrbar werde.
Wichtig sei dabei eine ehrliche Selbsteinschaetzung. Jeder
Aussenstehende spuere sofort, ob die hohen moralischen Ansprueche
nur geredet oder auch gelebt wuerden, davon haenge die
Attraktivitaet des kirchlichen Milieus im Wesentlichen ab, so
Heine. Die Frage nach der Selbsteinschaetzung bewahre dabei vor
Ueberforderung, mache Entwicklung moeglich und wirke sich
besonders spuerbar im Geschlechterverhaeltnis aus.

Weiterhin sieht die Theologin Handlungsbedarf in der Seelsorge.
Heute habe Seelsorge mit Menschen zu tun, die mehr Wert auf ihren
individuellen Weg egten und nicht bereit seien, nur auf gute
Ratschlaege zu hoeren. Seelsorge erfordere daher, "dass zuerst mit
professioneller Zurueckhaltung gefragt und zugehoert wird ohne
falschen Trost, der Krisen herunterspielt und den Schmerz klein
redet".

"Aber wir haben einen eigenen Kontext zu bieten, ein Haus, eine
Gemeinschaft, worin ein groesserer Zuspruch und eine tiefere
Wandlung Menschen miteinander verbindet", unterstrich die
Theologin. Grund fuer diesen Zuspruch sei die lutherische
Rechtfertigungslehre, die besage: "Es ist gerechtfertigt, dass ihr
da seid. Es ist gut, dass es euch gibt." Wer das glauben koenne,
erfahre Heilung.

Die europaeische Vorbereitende Konsultation zur Vollversammlung
ist die zweite von insgesamt fuenf regionalen Tagungen im Vorfeld
der Zehnten LWB-Vollversammlung, die sich aus der Perspektive der
verschiedenen Regionen mit Thema und Inhalt der Vollversammlung
beschaeftigen. In Winnipeg werden zur Zehnten Vollversammlung etwa
1.000 TeilnehmerInnen erwartet, einschliesslich der 436
Delegierten aus den 136 LWB-Mitgliedskirchen. Die Vollversammlung
ist das oberste Entscheidungsgremium des LWB und tritt in der
Regel alle sechs Jahre zusammen. (601 Woerter)

*     *    *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffetlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
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