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Diplomatische Mittel sind noch nicht ausgeschoepft worden


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Mon, 17 Mar 2003 11:29:59 -0600

LWB-Exekutivkomitee: Diplomatische Mittel sind noch nicht
ausgeschoepft worden
Entschlossenheit, Krieg gegen den Irak zu fuehren, gefaehrdet
kollektives UN-Sicherheitssystem

Genf, 17. Maerz 2003 (LWI) - Das Exekutivkomitee des Lutherischen
Weltbundes (LWB) hat auf seiner Tagung am 14. und 15. Maerz 2003
in Genf Regierungen scharf kritisiert, die mit ihrer
Entschlossenheit, einen Krieg gegen den Irak zu fuehren, das
kollektive Sicherheitssystem der Vereinten Nationen gefaehrden.
"Wir wenden uns energisch gegen den Unilateralismus und die
Vorstellungen von einem *Praeventivkrieg' und einer *Koalition der
Willigen' ausserhalb des Rahmens der Vereinten Nationen", so die
Erklaerung "Ein Aufruf zum Frieden" des elf-koepfigen LWB-
Exekutivkomitees unter Vorsitz von LWB-Praesident Bischof i. R.
Dr. Christian Krause.

Das Exekutivkomitee bekraeftigte die Rolle der Vereinten Nationen
als legitime Autoritaet fuer die Entscheidung ueber die Anwendung
von Waffengewalt in internationalen Beziehungen. Der Hauptzweck,
fuer den die Vereinten Nationen geschaffen worden seien, sei die
Wahrung von Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene durch
kollektive Massnahmen, so die Erklaerung, die heute von
LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko sowie
LWB-Vizepraesident Bischof Mark S. Hanson (Evangelisch-Lutherische
Kirche in Amerika) vor JournalistInnen in Genf vorgestellt wurde.

Das LWB-Exekutivkomitee begruesste die Vielzahl von Gebetswachen
und Fuerbitten fuer den Frieden sowie die zahlreichen Erklaerungen
von Mitgliedskirchen und oekumenischen Organisationen, die sich
gegen ein militaerisches Vorgehen gegen den Irak wenden.
Politische FuehrerInnen haetten die Verantwortung, auf die zu
hoeren, die einer kriegerischen Politik ablehnend gegenueber
stehen. Bedauern aeusserte das Exekutivkomitee ueber die Weigerung
der Bush-Regierung, mit ReligionsfuehrerInnen der Vereinigten
Staaten zusammenzutreffen, die die Irak-Politik ihrer Regierung
hinterfragten.

"Alle Massenvernichtungswaffen, ueber die das Regime Saddam
Husseins verfuegen mag, sollten zerstoert werden", forderte das
LWB-Leitungsgremium in seiner Erklaerung. "Wir glauben jedoch
nicht, dass bereits alle diplomatischen Mittel ausgeschoepft
sind." Gleichzeitig rief das LWB- Exekutivkomitee zur globalen
Abruestung und zur Zerstoerung aller Massenvernichtungswaffen,
egal in wessen Besitz diese sein moegen, auf.

Die in der gegenwaertigen internationalen Debatte so haeufig
bemuehten Kriterien eines "gerechten Krieges" seien entwickelt
worden, um die Anwendung kriegerischer Mittel einzuschraenken und
nicht, sie zu rechtfertigen, so das LWB-Exekutivkomitee.
Keinesfalls koenne die Theorie des gerechten Krieges, die Teil der
lutherischen Tradition ist, im Kontext des internationalen
Terrorismus und der Massenvernichtungswaffen angewendet werden.

Fuer die Kirchen blieben schwerwiegende Zweifel an der ethischen
Vertretbarkeit des Einsatzes von Waffengewalt bestehen. Sorge
gelte zuerst und vorrangig den unschuldigen Opfern eines jeglichen
militaerischen Vorgehens im Irak. Das Ziel, ein ungeliebtes Regime
zu stuerzen, koenne Tod, Verletzung, Hunger und Krankheit
unschuldiger ZivilistInnen nicht rechtfertigen. Das
LWB-Leitungsgremium verwies auch auf den dauerhaften Schaden, den
die zur Diskussion stehenden Massnahmen den
christlich-muslimischen Beziehungen in der Region und weltweit
aller Wahrscheinlichkeit nach zufuegen wuerden.

Das elf-koepfige Exekutivkomitee hat die Aufsicht ueber den
ordnungsgemaessen Ablauf der Taetigkeiten des LWB in der Zeit
zwischen den Ratstagungen. Der 49-koepfige LWB-Rat ist das
hoechste Leitungsgremium zwischen den in der Regel alle sechs
Jahre stattfindenden LWB-Vollversammlungen. Zum
LWB-Exekutivkomitee gehoeren neben LWB-Praesident Bischof i. R.
Krause die LWB-VizepraesidentInnen Bischof Dr. Julius Filo
(Slowakische Republik), Parmata Abasu Ishaya (Nigeria), Pfr.
Huberto Kirchheim (Brasilien), Pfarrerin Dr. Prasanna Kumari
(Indien) und Bischof Mark S. Hanson (USA) sowie
LWB-Schatzmeisterin Inger Johanne Wremer (Norwegen). Weiterhin
sind die Vorsitzenden der LWB-Programmausschuesse Mitglieder des
LWB-Exekutivkomitees: Bischof Dr. Bela Harmati aus Ungarn
(Kommunikationsdienste), Pfarrerin Susan E. Nagle aus den USA
(Mission & Entwicklung), Prof. Dr. Joachim Track aus Deutschland
(Theologie & Studien) und Bischof Dr. Samson Mushemba aus Tansania
(Weltdienst). (547 Woerter)

Im Folgenden finden Sie die Erklaerung des LWB-Exekutivkomitees im
vollen Wortlaut:

Ein Aufruf zum Frieden
Erklaerung des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltbundes
zum drohenden Krieg gegen den Irak

Genf, 15. Maerz 2003

Das Exekutivkomitee des Lutherischen Weltbundes tagt gegenwaertig,
am 14. und 15. Maerz 2003, in Genf, um eine Vollversammlung mit
dem Thema "Zur Heilung der Welt" vorzubereiten. Aus diesem Anlass
richtet es eine Botschaft des Friedens an die Welt, die dieser
Tage von kriegerischen Toenen widerhallt. Wir rufen diejenigen,
die die Strasse des Krieges beschreiten, auf, auf den Weg des
Friedens zurueckzukehren.

Der Frieden, den wir verkuenden, gruendet in unserem christlichen
Glauben. Am 11. September 2002 erklaerte der LWB-Rat anlaesslich
des Jahrestages der Terroranschlaege auf die Vereinigten Staaten
von Amerika: "* wir [glauben], dass unsere Sicherheit und Hoffnung
im dreieinigen Gott gruenden, der alles Leben schafft, versoehnt
und erhaelt. Gewalt in ihren zahlreichen Auspraegungen ist ein
Zeichen unter anderen fuer unser gebrochenes Verhaeltnis zu Gott.
Wir sind aufgerufen umzukehren, uns von der Gewalt ab- und Gott
wieder zuzuwenden. Versoehnt mit Gott und untereinander sind wir
aufgerufen, uns fuer Versoehnung einzusetzen und zusammen mit den
Mitgliedern anderer Glaubensgemeinschaften fuer Frieden und
Gerechtigkeit in der Welt zu arbeiten."

Heute schliessen wir uns den Millionen Angehoerigen zahlreicher
unterschiedlicher Glaubensrichtungen in aller Welt an, die in
oeffentlichen Demonstrationen, Erklaerungen, Schreiben und
Meinungsumfragen ihrer Ablehnung eines Kriegs gegen den Irak
Ausdruck verliehen haben. Wir begruessen die zahlreichen
Erklaerungen von Mitgliedskirchen und oekumenischen
Organisationen, die sich gegen ein militaerisches Vorgehen gegen
den Irak wenden, und die Vielzahl von Gebetswachen und Fuerbitten
fuer den Frieden. Politische FuehrerInnen haben die Verantwortung,
auf die zu hoeren, die einer kriegerischen Politik ablehnend
gegenueber stehen, und duerfen sich nicht hinter den Privilegien
ihres Amtes verschanzen. Wir bedauern besonders die Weigerung der
Bush-Regierung, mit ReligionsfuehrerInnen der Vereinigten Staaten
zusammenzutreffen, die die Irak-Politik ihrer Regierung
hinterfragen.

Alle Massenvernichtungswaffen, ueber die das Regime Saddam
Husseins verfuegen mag, sollten zerstoert werden. Wir glauben
jedoch nicht, dass bereits alle diplomatischen Mittel
ausgeschoepft sind. Und selbst dann, wenn erklaert wird, dass der
Irak keine solchen Waffen mehr besitzt, wird die Menschheit weiter
mit dieser Bedrohung konfrontiert bleiben, da viele andere Staaten
- einschliesslich derer, die momentan die Entwaffnung des Irak
fordern - auch in Zukunft ueber solche Arsenale verfuegen werden
und international der Waffenhandel weiterhin floriert. Wir rufen
auf zur globalen Abruestung und zur Zerstoerung aller
Massenvernichtungswaffen, egal in wessen Besitz diese sein moegen.

Wir bekraeftigen die Rolle der Vereinten Nationen als legitime
Autoritaet fuer die Entscheidung ueber die Anwendung von
Waffengewalt in internationalen Beziehungen. Der Hauptzweck, fuer
den die Vereinten Nationen geschaffen wurden, ist die Wahrung von
Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene durch kollektive
Massnahmen zur Praevention und Beseitigung jeder Bedrohung des
Friedens. Es ist zutiefst besorgniserregend, dass einige der
selben Staaten, die dieses System der kollektiven Sicherheit
mitbegruendet haben, um "kuenftige Geschlechter vor der Geissel
des Krieges zu bewahren" (Praeambel der Charta der Vereinten
Nationen), nun in ihrer Entschlossenheit, Krieg zu fuehren, dessen
Stabilitaet und Autoritaet gefaehrden. Wir wenden uns energisch
gegen den Unilateralismus und die Vorstellungen von einem
"Praeventivkrieg" und einer "Koalition der Willigen" ausserhalb
des Rahmens der Vereinten Nationen.

Die Frage der Rechtmaessigkeit eines Krieges mag durch eine
Abstimmung des Sicherheitsrates zu klaeren sein, fuer uns als
Kirchen blieben jedoch schwerwiegende Zweifel an der ethischen
Vertretbarkeit des Einsatzes von Waffengewalt. Unsere Sorge gilt
zuerst und vorrangig den unschuldigen Opfern eines jeglichen
militaerischen Vorgehens im Irak. Das Ziel, ein ungeliebtes Regime
zu stuerzen, kann Tod, Verletzung, Hunger und Krankheit, die als
Kollateralschaeden der Jagd auf Saddam Hussein und die Waffen, die
er angeblich besitzt, unweigerlich ueber unschuldige ZivilistInnen
kommen werden, nicht rechtfertigen, ebenso wenig wie den
dauerhaften Schaden, den die zur Diskussion stehenden Massnahmen
den christlich-muslimischen Beziehungen in der Region und weltweit
aller Wahrscheinlichkeit nach zufuegen werden. Schon jetzt, bevor
es ueberhaupt zum Krieg gekommen ist, verursachen die Kosten fuer
den militaerischen Aufmarsch eine zutiefst ungerechte und
schuldhafte Fehlverteilung von Mitteln in einer Welt, in der solch
grosse Not herrscht.

Die in der gegenwaertigen internationalen Debatte so haeufig
bemuehten Kriterien eines "gerechten Krieges" wurden entwickelt,
um die Anwendung kriegerischer Mittel einzuschraenken und nicht,
sie zu rechtfertigen. Ja, sie widersprechen eindeutig einem
Praeventivkrieg mit dem Ziel eines "Regimewechsels". Keinesfalls
kann die Theorie des gerechten Krieges, die Teil der lutherischen
Tradition ist, im Kontext des internationalen Terrorismus und der
Massenvernichtungswaffen angewendet werden. In unserer Zeit
besteht die entscheidende Aufgabe darin, sich von der Theorie des
"gerechten Krieges" ab- und der Entwicklung von Kriterien fuer
einen "gerechten Frieden" zuzuwenden.

In diesem entscheidenden Moment beten wir fuer diejenigen, die die
Folgen des geplanten Krieges zu spueren bekommen werden, am
eigenen Leib und in ihrem Lebensumfeld. Wir beten fuer die
SoldatInnen, denen womoeglich befohlen wird, ihr Leben bei dieser
gefaehrlichen Unternehmung aufs Spiel zu setzen, und fuer ihre
Familien. Und wir beten fuer die vielen Opfer der Sanktionen, die
bereits seit ueber einem Jahrzehnt gelten - und vor allem viele
unschuldige Kinder getroffen haben.

Moege der Heilige Geist die Herzen und Sinne verwandeln, die sich
auf den Konflikt hin verhaertet haben, und moege er in unserer
Welt wirken, um die Gewalt zu ueberwinden, die wir tun.

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
Quellenangabe abgedruckt werden.

***
LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
E-Mail: dmg@lutheranworld.org
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