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VRK:Herzen


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Date Wed, 09 Apr 2003 17:01:34 +0200

Vkumenischer Rat der Kirchen
VRK-Feature Feat-03-04
zur Vervffentlichung frei
9. April 2003

"Die Herzen der Menschen gewinnen"  
oder unparteiisch Hilfe leisten
Von Nils Carstensen

Wdhrend sich der Krieg im Irak vielleicht seinem Ende zuneigt, bleibt die
Zukunft des Landes ungewiss und wdchst die Besorgnis um die irakische
Bevvlkerung. Die Kdmpfe der alliierten Streitkrdfte in den Strassen von
Bagdad werden die Leiden und Entbehrungen der irakischen Zivilbevvlkerung
noch verschlimmern.

Viele der 1,7 Millionen Einwohner Basras haben nicht genug zu essen und kein
sauberes Trinkwasser mehr. Diese Situation ist unhaltbar und unannehmbar, und
auf ldngere Sicht wird sie nicht nur das Leben vieler Zivilpersonen
gefdhrden, sondern kvnnte auch dazu f|hren, dass den alliierten Streitkrdften
und ihren Regierungen Verstv_e gegen die Genfer Konventionen vorgeworfen
werden. Die Genfer Abkommen verbieten es den kriegf|hrenden Parteien
ausdr|cklich, Hunger als Waffe einzusetzen, und sie schreiben freies Geleit
f|r humanitdre Hilfe vor. Die militdrische Realitdt im Irak bringt die
kriegf|hrenden Parteien - selbst wenn es nicht ihre Absicht ist - auf
Kollisionskurs zum humanitdren Vvlkerrecht. 

Die Lage im Gebiet von Basra kvnnte einen Vorgeschmack von dem geben, was in
Bagdad geschehen wird. Die nahezu vier Millionen Menschen, die dort leben,
sind schon heute extrem geschwdcht durch ein Jahrzehnt UN-Sanktionen, Tage
und Wochen von Luftangriffen, die sie "schockieren und einsch|chtern" sollen,
abnehmende Nahrungsmittelvorrdte, den Zusammenbruch des Verkehrssystems und
unzureichende Wasserversorgung. Mit anderen Worten: Es steht eine humanitdre
Katastrophe bevor. 

Wie immer es um den Ruf des irakischen Regimes und dessen Umgang mit den
eigenen B|rgern bestellt sein mag - die USA, Gro_britannien und die anderen
alliierten Regierungen m|ssen mit schdrfster Kritik im In- und Ausland
rechnen, sobald der Eindruck entsteht, dass sie gegen das Kernst|ck des
humanitdren Vvlkerrechts, ndmlich die Genfer Konventionen, versto_en. 

Kampf um Lebensmittel

Im Fernsehen waren k|rzlich schlecht vorbereitete Hilfsg|terverteilungen im
s|dlichen Irak zu sehen, bei denen Menschen um Lebensmittelpakete kdmpften,
wobei die Jungen und die Starken im Vorteil waren. Einige Vertreter von
Hilfswerken sind der Meinung, derartige Vorfdlle w|rden sich wiederholen, 
wenn sich die Militdrs mit ihrer Strategie "Die Herzen der Menschen gewinnen"
um die Bed|rfnisse von kranken, hungrigen und durstigen Zivilisten k|mmerten.
Hingegen w|rden erfahrene und unabhdngige Hilfswerke sicherstellen, dass so
etwas nicht mehr vorkommt. 

"Was in den letzten Tagen im S|den des Irak geschehen ist, macht deutlich,
weshalb die Militdrs die Planung und Durchf|hrung von Hilfsaktionen
erfahrenen humanitdren Akteuren aus dem zivilen Bereich |berlassen sollten",
meint Rick Augsburger, Direktor des Nothilfeprogramms des US-amerikanischen
Church World Service (CWS) und Ko-Vorsitzender des Humanitarian Practice and
Policy Committee of Interaction, eines Zusammenschlusses von US-Hilfswerken. 

In Amman (Jordanien) erkldrte Martin Dawes vom Kinderhilfswerk der Vereinten
Nationen (UNICEF), es komme dann zu so chaotischen Vorfdllen wie jenen im
S|den Iraks, wenn "Hilfsg|ter ohne vorherige Bedarfsermittlung verteilt
werden und wenn man nicht |ber erfahrenes Personal vor Ort verf|gt, das
sicherstellen kann, dass die Lebensmittel zu den Bed|rftigsten gelangen". 

F|r Augsburger sind dies nicht lediglich bedauerliche Zwischenfdlle. "Wenn
die Militdrs innerhalb kurzer Zeit eine Viertelmillion Menschen auf der
anderen Seite des Globus stationieren kvnnen, dann sollte man annehmen, dass
sie - sofern ihnen tatsdchlich am Wohlergehen der Menschen im Irak liegt -
auch in der Lage sind daf|r zu sorgen, dass humanitdre Organisationen die
Mvglichkeit haben, den Menschen wirksame und unparteiische Hilfe zukommen zu
lassen."

Erfahrung ist nicht gefragt 

Augsburger und seine Kollegen von Interaction du_ern Kritik am Vorgehen und
an der Einstellung der US-Regierung im Hinblick auf die humanitdre Hilfe f|r
den Irak. 

"Seit einigen Wochen sehen wir, wie die USA erfahrene humanitdre
Einrichtungen missachten", sagt Augsburger im Hinblick darauf, dass die
Unterscheidung zwischen humanitdren und militdrischen Operationen gezielt
verwischt wird. So hat etwa die US-Regierung im Verteidigungsministerium eine
Abteilung f|r Wiederaufbau und humanitdre Angelegenheiten (ORHA)
eingerichtet. Diese ist Teil einer unter der Regie der USA stehenden
Struktur, die k|nftige humanitdre Operationen im Irak planen und
kontrollieren soll, und sie unterhdlt auch ein Humanitdres Operationszentrum
(HOC) mit derzeitigem Sitz in Kuwait. Das B|ro des HOC ist mit
US-amerikanischem, kuwaitischem und britischem Militdrpersonal besetzt. 

Mit diesen Strukturen umgehen die alliierten Streitkrdfte und ihre
Regierungen die bestehenden UN-Einrichtungen und
Nichtregierungsorganisationen (NROs), die |ber jahrzehntelange Erfahrungen im
Irak und bei Notstandssituationen in aller Welt verf|gen. Viele Hilfswerke
bef|rchten auch, dass eine solche gezielte Vermischung von militdrischer
F|hrung und humanitdrer Hilfe eine konkrete Bedrohung f|r die Grundsdtze der
Neutralitdt und der bedarfsbezogenen Verteilung von Hilfe darstellt, ohne die
es keine wirksame Nothilfe geben kann. 

"Mvglicherweise wird hier ein Prdzedenzfall geschaffen, der die humanitdre
Arbeit nicht nur im Irak, sondern in Konfliktgebieten in aller Welt
erschwert", meint Augsburger. 

UN-Koordination unverzichtbar 

Mittlerweile erkldren die meisten humanitdren Organisationen, dass sie nicht
bereit sind, die Anweisungen des HOC und der ORHA stillschweigend zu
befolgen. Sie treten vielmehr mit grv_tem Nachdruck daf|r ein, dass das
UN-B|ro f|r die Koordination humanitdrer Angelegenheiten (OCHA) wieder als
|bergeordnete Koordinationsstelle f|r die gegenwdrtige und k|nftige
humanitdre Arbeit im Irak eingesetzt wird. 

"Nicht ein einziges unserer Mitglieder ist bereit, die vom HOC in Kuwait
ausgestellten Ausweise zu benutzen. Sie alle plddieren f|r einen Mechanismus,
der in die bestehenden UN- und NRO-Strukturen eingebettet ist", sagt Joel
McClellan vom Lenkungsausschuss f|r humanitdre Arbeit mit Sitz in Genf. Dies
ist ein Zusammenschluss von neun der weltgrv_ten und erfahrensten privaten
humanitdren Organisationen, darunter Save the Children, die Fvderation der
Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, das Internationale Komitee vom Roten
Kreuz und ACT International (*Kirchen helfen gemeinsam"). Diese
Organisationen fordern im Interesse der Unparteilichkeit und Unabhdngigkeit
eine Koordination durch die Vereinten Nationen anstatt durch ein Gremium, das
letztlich der US-Militdrf|hrung verantwortlich ist. 

Daniel Augstburger vom OCHA-B|ro im Irak fasst die Lage wie folgt zusammen:
"Die Verteilung von Hilfsg|tern sollte von zivilen Organisationen
durchgef|hrt werden. Nur spezialisierte Organisationen wie die UNO und NROs
kvnnen gewdhrleisten, dass lebenswichtige G|ter unparteiisch verteilt werden.
Dank ihrer Unabhdngigkeit und Erfahrung sind sie in der Lage, Zivilpersonen
in Konfliktsituationen zu helfen, und zwar auf der Grundlage von Neutralitdt
und professioneller Bedarfsermittlung."

Angesichts der Tatsache, dass sich der Krieg in die Ldnge zieht, ist eine
strikte Trennung von humanitdren und militdrischen Operationen dringend
notwendig. Die Grundsdtze, die Au_enstehenden als hehre humanitdre Prinzipien
erscheinen mvgen, haben in der Praxis eine durchaus konkrete Bedeutung: sie
ermvglichen es, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen humanitdrer
Organisationen Zugang zu hilfsbed|rftigen Menschen erhalten und dass ihre
Sicherheit wdhrend und nach dem Krieg gewdhrleistet ist.		     
  

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Das Feature ist die aktualisierte Fassung eines Artikels von Nils Carstensen
vom 31. Mdrz 2003. Carstensen ist ein Journalist und arbeitet f|r
DanChurchAid / ACT International mit Sitz in Amman, Jordanien. ACT ist ein
weltweites Netz von Kirchen und kirchlichen Hilfswerken, das Hilfe f|r
Menschen in Not koordiniert. Die Zentrale von ACT befindet sich am Sitz des
Vkumenischen Rates der Kirchen (VRK) und des Lutherischen Weltbundes (LWB). 

Weitere Informationen erhalten Sie vom B|ro der VRK-Medienbeauftragten,  
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