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Theatergruppen klaeren in Malawi ueber HIV/AIDS auf


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Fri, 09 May 2003 08:47:59 -0500

"Wir waren nicht bereit, HIV/AIDS als unser Problem zu
akzeptieren, allmaehlich brechen wir das Schweigen"

Lilongwe (Malawi)/Genf, 9. Mai 2003 (LWI) - Lange hatte die
vierkoepfige Familie auf diesen Tag gewartet. Nach dem Auspflanzen
der Tabaksetzlinge auf dem zwei Hektar grossen Landstueck der
Familie waren sieben lange, arbeitsreiche Monate vergangen. Nun
stand der Verkauf der Tabakernte bevor.

Den ganzen Abend herrschte festliche Stimmung. Die Eltern gingen
gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Sohn die lange Liste von
Wuenschen und dringend benoetigten Artikeln durch, die das
Familienoberhaupt am naechsten Tag mit dem Erloes der Ernte
einkaufen sollte.

Doch in der grossen Stadt erwartete den "reichen" Tabakfarmer
etwas ganz anderes. Als er drei Tage spaeter voller Scham in sein
Dorf zurueckkehrte, hatte er weder Geschenke, noch war ein
einziger Cent des Erloeses uebrig. Die Familie wollte nicht
glauben, dass ihm das Geld von Gaunern abgenommen worden war.
Schnell kam heraus, dass er das dringend benoetigte Geld mit
Freunden in den Clubs der Stadt ausgegeben hatte. Bald darauf
ueberschlugen sich die Ereignisse. Es folgten immer wiederkehrende
Krankheiten, pausenloser Husten, wunde Stellen am ganzen Koerper
und nicht endender Durchfall. Freunde kehrten sich ab und das
boese Geruechte kam auf, er habe "die Krankheit" und werde bald
sterben.

Es war keine Ueberraschung, dass seine Frau und seine Kinder
angesichts der Tragoedie, die ueber die Familie hereingebrochen
war, das Interesse am Anbau von Tabak, Malawis wichtigstem
Exportprodukt, verloren. Alle bewegte die bange Frage, ob sie
ebenfalls krank wuerden.

Die Zuschauer und Zuschauerinnen klatschen. Und waehrend die
Buehne fuer eine weitere Vorstellung hergerichtet wird, berichtet
der 23-jaehrige Kleinbauer Frank Lemusani ueber sein Engagement in
der HIV/AIDS-Bewusstseinsbildung in Malawi.

Frank Lemusani ist Mitglied einer Theatergruppe, die vom
Evangelisch-Lutherischen Entwicklungsprogramm (ELEP) ausgebildet
und unterstuetzt wird, um das HIV/AIDS-Bewusstsein zu staerken.
ELEP ist das Laenderprogramm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD)
des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Malawi. Mit seiner
Unterstuetzung wurden bereits ueber 70 solcher Theatergruppen in
ganz Malawi gegruendet.

Lemusani, der in seinem Dorf im Suedosten Malawis viele Menschen
an der HIV/AIDS-Pandemie sterben gesehen hat, gehoerte zu den
InitiatorInnen der Theatergruppe in seinem Dorf Kabwazi. "Durch
den Kontakt zu FreundInnen, die im Bereich Bewusstseinsbildung
engagiert waren, hatte ich gluecklicherweise Zugang zu den
notwendigen Informationen. So entstand das Beduerfnis, in unserer
Region eine Theatergruppe ins Leben zu rufen. Bekannte starben an
einer Krankheit, vor der sich die Menschen schuetzen koennen. Ich
musste etwas unternehmen", betont der Vater von zwei Kindern. Die
2001 entstandene 24-koepfige Theatergruppe wurde vom ELEP
ausgebildet und sie wird auch weiterhin gefoerdert.

Einsatz fuer Veraenderung in den Gemeinden

Das Evangelisch-Lutherische Entwicklungsprogramm hat
HIV/AIDS-Komponenten in alle Projekte integriert, betont Dr.
Eliamony Meena, LWB/AWD-Vertreter in Malawi. Die Aktivitaeten
sollen bei den Angestellten und freiwilligen HelferInnen wie
Lemusani sowohl zur Bewusstseinssteigerung als auch zur
Wissenserweiterung beitragen. Auf Grund ihres Einflusses auf die
Meinungsbildung innerhalb der Gemeinschaft profitieren hiervon
letztlich etwa 60.000 Menschen direkt oder indirekt.

Relevante Botschaften wie Enthaltsamkeit vor der Ehe und Treue
gegenueber dem/der SexualpartnerIn sollen eine Aenderung des
Verhaltens bewirken. Die Botschaften werden durch
Theaterauffuehrungen, Lieder, Gedichte, oeffentliche
Podiumsdiskussionen, Spiele und Gemeinschaftsaktivitaeten, die
sich mit der HIV/AIDS-Pandemie auseinandersetzen, transportiert.
Die Beteiligung von Fuehrungspersoenlichkeiten der Gemeinschaft,
wie zum Beispiel traditioneller Stammeshaeuptlinge, die Einfluss
haben auf Sitten und kulturelle Braeuchen, die moeglicherweise
wesentlich zur Verbreitung von HIV/AIDS beitragen, liegt Meena
besonders am Herzen. "Es besteht ein Bedarf an Informationen ueber
HIV/AIDS, insbesondere in Gemeinschaften, die Initiationsriten
fuer heranwachsende Maedchen, Polygamie oder die Vererbung von
Ehefrauen praktizieren", so Meena.

Das LWB/AWD-Laenderprogramm in Malawi wurde 1989 auf Bitten der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Malawi (ELKM) und der Regierung
Malawis ins Leben gerufen. Wichtigstes Ziel war die Hilfe fuer
mosambikanische Fluechtlinge, die damals ins Land gekommen waren.
Zur Zeit konzentriert sich das Programm auf Aktivitaeten in drei
Hauptbereichen: Motivation und Entwicklung der Landbevoelkerung,
Umweltsanierung und Ernaehrungssicherheit. Uebergreifende
Arbeitsbereiche umfassen HIV/AIDS, Analphabetismus unter
Erwachsenen, den Einsatz fuer Menschenrechte einschliesslich der
Verhuetung von Gewalt gegen Frauen sowie die Verbesserung der
hygienischen Bedingungen in den Gemeinden.

Das Programm befindet sich gegenwaertig in einer Uebergangsphase
und wird in einheimische Traegerschaft ueberfuehrt, um in
Partnerschaft mit der ELKM weiterzuarbeiten. ELKM-Bischof Joseph
P. Bvumbwe lobt das ELEP fuer seine umfassende Arbeit und die
Zusammenarbeit mit der Kirche, insbesondere im Bereich HIV/AIDS.
"Als in Malawi die toedliche Gefahr der Krankheit offiziell
wahrgenommen wurde, waren wir in der Kirche nicht bereit, diese
Realitaet auch als unser Problem zu akzeptieren", so Bvumbwe. Aber
heute setze sich die Kirche gemeinsam mit der Regierung und
anderen Organisationen offen mit der Situation auseinander und
versuche, HIV-Neuinfektionen wirksam entgegenzutreten. Von den
rund 11,5 Millionen EinwohnerInnen Malawis sind rund 15 Prozent
von HIV/AIDS betroffen. "Allmaehlich brechen wir das Schweigen
durch Bewusstseinsbildung, auch in Predigten und im Rahmen von
speziellen kirchlichen Projekten im Zusammenhang mit dieser
Frage", betont Bvumbwe. Kirche und Regierung befassen sich
weiterhin mit den taeglichen Aufgaben wie Schulung und Bekaempfung
von Armut und Krankheiten in einem Land, dessen Pro-Kopf-Einkommen
weniger als 100 US-Dollar betraegt.

LWB-Vollversammlungsthema ruft zu Zuwendung und Liebe gegenueber
HIV/AIDS-Betroffenen auf

Die lutherische Kirche in Malawi arbeitet zur Zeit an einem
Handbuch, das PfarrerInnen helfen soll, sich angemessen mit der
HIV/AIDS-Pandemie auseinanderzusetzen. Bvumbwe beschreibt HIV/AIDS
als "eine Krankheit, die uns alle angeht". Die Auseinandersetzung
mit der Krankheit geschehe auch im globalen Kontext des LWB,
besonders im Rahmen der Zehnten Vollversammlung im Juli 2003 im
kanadischen Winnipeg. Die Vollversammlung steht unter dem Thema
"Zur Heilung der Welt". Es sei fuer die ELKM von grosser
Bedeutung, die Menschen im Rahmen der HIV/AIDS-Arbeit in Wort und
Tat zu ermutigen. "Das Thema der LWB-Vollversammlung ruft uns zu
Liebe und Zuwendung gegenueber Betroffenen auf, so dass niemand
vernachlaessigt wird, sondern alle als Teil der Kirche und der
Gemeinschaft aufgenommen werden", betonte Bvumbwe.

Eine zentrale Aufgabe der diakonischen Arbeit der ELKM ist die
Betreuung von HIV/AIDS-Waisen. In Malawi leben rund 400.000
HIV/AIDS-Waisen und die Kirche versucht, einer kleinen Zahl von
ihnen in 68 ueber das ganze Land verteilten Zentren zu helfen.
Eine Gruppe von 50 Kindern, die meisten unter fuenf Jahren alt,
erhaelt in jedem dieser Zentren dreimal woechentlich eine
eiweissreiche Mahlzeit aus Haferbrei. "Ein betraechtlicher
Prozentsatz der Kinder hat Eltern, die von HIV/AIDS betroffen sind
", so Mebo Madinga, Koordinatorin der Zentren. "Fuer viele von
ihnen ist der Haferbrei die einzige regelmaessige Mahlzeit", fuegt
sie hinzu. (1.034 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Redakteurin Pauline Mumia.)

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung
2003 "Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz des
Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen
Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt
Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter
Bedrohung. Die Zehnte LWB-Vollversammlung findet vom 21. bis 31.
Juli 2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada) statt.

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
Die mit "LWI" gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit
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***
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