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Wenn Menschen hungern, gibt es in der Regel keine Alternative


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Fri, 09 May 2003 13:43:50 -0500

Staendiges Komitee der LWB-Abteilung fuer Weltdienst fordert
Richtlinien zum Einsatz von gentechnisch veraenderten
Nahrungsmitteln in der Nothilfe
Pfr. Enos Moyo aus Sambia: Wenn Menschen hungern, gibt es in der
Regel keine Alternative

Montreux (Schweiz)/Genf, 9. Mai 2003 (LWI) - Der Staendige
Ausschuss der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen
Weltbundes (LWB) hat Empfehlungen zum Einsatz von gentechnisch
veraenderten Nahrungsmitteln (Genfood) bei Hilfsmassnahmen
erarbeitet. Auf seiner Tagung Ende April in Montreux (Schweiz)
beschloss der Ausschuss, eine ExpertInnengruppe zu bilden, die
Richtlinien fuer den Einsatz von Genfood im Bereich der
Nahrungsmittelhilfe der Abteilung fuer Weltdienst unter anderem
aus theologischer Sicht und ihre Integration in bestehende
LWB-Leitsaetze pruefen soll. Fragen nach Ernaehrungssicherung,
Gerechtigkeit, Verantwortlichkeit und Teilhabe sollen ebenfalls
beruecksichtigt werden.

Geplant ist, dass der ExpertInnengruppe unter anderen
MitarbeiterInnen des LWB, des Oekumenischen Rates der Kirchen
(OeRK) und des weltweiten Netzwerkes von Kirchen und
Partnerorganisationen ACT (Action by Churches Together - Kirchen
helfen gemeinsam) angehoeren. Bei der Erarbeitung der Richtlinien
soll auch die Mitarbeit des LWB in internationalen Netzwerken
Beruecksichtigung finden. Fuer eine Uebergangszeit schlug der
Ausschuss die Anwendung der Richtlinien von EuronAid, der
Europaeischen Vereinigung von Nichtregierungs-Organisationen fuer
Nahrungsmittelhilfe und Nothilfe mit Sitz in Den Haag
(Niederlande), als Mindeststandard vor.

Die Forderungen des Staendigen Ausschusses gehen auf Empfehlungen
von TeilnehmerInnen des AWD-Jahrestreffens mit
Partnerorganisationen Ende April in Montreux zurueck. Waehrend der
Tagung informierten Rudolf Buntzel-Cano,
Welternaehrungsbeauftragter des Evangelischen Entwicklungsdienstes
(EED), und Allan Jury, Leiter der Abteilung Ernaehrungssicherheit,
Sicherheitssysteme und Nothilfe beim Welternaehrungsprogramm der
Vereinten Nationen, ueber Chancen und Risiken des Einsatzes von
Genfood in der Nahrungsmittelhilfe. Pfr. Enos Moyo, Leiter des
Sambia-Programms der LWB-Abteilung fuer Weltdienst, schilderte die
Entwicklungen in Sambia waehrend der Hungerkatastrophe im
vergangenen Herbst.

"Die Verwendung von gentechnisch veraenderten Nahrungsmitteln in
der Nahrungsmittelhilfe ist aeusserst problematisch", lautete das
Fazit von Buntzel-Cano. Mit der spektakulaeren Zurueckweisung von
gentechnisch veraendertem US-Mais durch Sambia und andere
suedafrikanische Laender Ende 2002 sei das Problem ins Bewusstsein
der Oeffentlichkeit gerueckt worden. Buntzel-Cano betonte, dass im
Nahrungsmittelbereich vor allem gentechnisch veraenderter Mais und
Soja angeboten wuerden - allerdings in der Regel als Viehfutter.
Durch die Umwandlung im Tiermagen verliere sich das Risiko fuer
den Menschen. "Wenn aber gentechnisch veraendertes Viehfutter
direkt zum menschlichen Verzehr genutzt wird, sind die Risiken
nicht abschaetzbar", erklaerte Buntzel-Cano.

Doch auch der Einsatz von zur menschlichen Ernaehrung bestimmtem
Getreide sei nicht folgenlos. Traditionell hielten die Kleinbauern
einen Teil ihrer Nahrung als Saatgut zurueck, so dass die Angst
vor oekologischen Veraenderungen und oekonomischer Abhaengigkeit
von den Geberlaendern durchaus realistisch sei. Jeder Einsatz als
Saatgut verletze z. B. das Patentrecht, das die fuenf
marktbeherrschenden Firmen auf ihre Produkte haetten. Buntzel-Cano
forderte ein Ursprungszeugnis fuer die Nahrungsmittelhilfe und das
Recht fuer die Empfaengerlaender auf Zurueckweisung von
gentechnisch veraenderten Produkten.

Allan Jury bedauerte die vorherrschende Rechtsunsicherheit beim
Einsatz von Genfood: "Solange es keine allgemein akzeptierten
Standards gibt, koennen wir auch keine einhalten", betonte er.
Jury begruesste jedoch die bevorstehende Ratifizierung des
sogenannten Cartagena-Protokolls ueber die biologische Sicherheit.

Das im Januar 2000 in Montreal (Kanada) verabschiedete
internationale Abkommen schreibt erstmals voelkerrechtlich
verbindliche Regeln ueber den grenzueberschreitenden Handel mit
"lebenden gentechnisch veraenderten Organismen" fest. "Die Frage,
ob wir solche Nahrungsmittel einsetzen sollen, ist oft reduzierbar
auf die Frage, wie vielen Menschen wir mit einer bestimmten Summe
Geldes helfen wollen. Wir halten uns an die bestehenden
Richtlinien der Welternaehrungs- und der
Weltgesundheitsorganisation", betonte Jury. Jede Regierung habe
das Recht auf eine eigene Entscheidung.

Die Moeglichkeit der freien Entscheidung bezweifelte Pfr. Enos
Moyo. "Oft ist es nicht die Frage, welche Nahrungsmittel wir den
Hungernden anbieten koennen, sondern vielmehr, ob wir ihnen
ueberhaupt etwas anbieten koennen." Die Grundfrage sei, ob die
Armen ueberhaupt Rechte haetten und wenn, welche Rechte. "Wenn ich
nur meinem Bauch gehorchen kann, welches Recht habe ich dann
noch", fragte Moyo. Solange genuegend Nahrung zur Verfuegung
stehe, koenne man sich fuer oder gegen gentechnisch veraenderte
Nahrungsmittel entscheiden. Wenn aber Menschen hungerten, gebe es
in der Regel keine Alternative. (640 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Regina Karasch, Stuttgart.)

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