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Aethiopischer Gudina Tumsa war ein Maertyrer seiner Kirche


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Mon, 12 May 2003 08:10:25 -0500

Ermordeter aethiopischer Kirchenfuehrer Gudina Tumsa war ein
Maertyrer seiner Kirche
LWB-Praesident Krause besucht die Aethiopische Evangelische Kirche
Mekane Yesus

Addis Abeba (Aethiopien)/Genf, 9. Mai 2003 (LWI) - Als eine
"wirklich bemerkenswerte lutherische Persoenlichkeit der juengsten
Geschichte unserer Kirche" hat der Praesident des Lutherischen
Weltbundes (LWB), Landesbischof i. R. Dr. Christian Krause, den
1979 ermordeten aethiopischen Theologen und ehemaligen
Generalsekretaer der Aethiopischen Evangelischen Kirche Mekane
Yesus (EECMY) Gudina Tumsa gewuerdigt. In einem Vortrag zum Thema
"Gudina Tumsa, die EECMY, der aethiopische Staat und die
internationale christliche Gemeinschaft" betonte Krause am 1. Mai
in Addis Abeba (Aethiopien), Gudina Tumsa sei im echten Sinne des
Wortes ein Maertyrer seiner Kirche, ein Zeuge des Evangeliums in
unserer Zeit gewesen.

LWB-Praesident Krause, der am zweiten Missionsseminar der Gudina
Tumsa-Stiftung ueber Leben und Dienst von Pfr. Gudina Tumsa unter
dem Thema "Kirche und Gesellschaft" Anfang Mai in Addis Abeba
teilnahm, erklaerte, Gudina habe nach der Maxime von Dietrich
Bonhoeffer gehandelt, dass die letzte verantwortliche Frage nicht
sei, "wie ich mich heroisch aus der Affaere ziehe, sondern wie
eine kommende Generation weiterleben soll". Gudina Tumsa habe der
naechsten Generation Wege aufgezeigt und sei ein "grosses Vorbild
fuer unsere Zeit", so Krause. In dem Augenblick, wo er haette
fliehen koennen, sei Gudina bei seiner Kirche geblieben, obwohl er
um die drohenden Gefahren gewusst habe.

Als einen gluecklichen Abschluss seiner Amtszeit bezeichnete
Krause, dass er auf seiner letzten Afrikareise als LWB-Praesident
an der Wuerdigung eines engen Freundes teilnehmen koenne. Im Juli
dieses Jahres werden die Delegierten der Zehnten
LWB-Vollversammlung im kanadischen Winnipeg eine/n neue/n
Praesidentin/Praesidenten waehlen. Krause, von 1994 bis Januar
2002 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in
Braunschweig, war waehrend der Neunten LWB-Vollversammlung 1997 in
Hongkong zum Praesidenten des LWB gewaehlt worden.

Ihn freue ebenso, betonte Krause, dass die bisherigen Spannungen
zwischen der EECMY und der von ihm gemeinsam mit Freunden und
Verwandten von Gudina Tumsa Anfang der 90er Jahre gegruendeten
Gudina Tumsa-Stiftung ausgeraeumt werden konnten. Das zweite
Missionsseminar der Stiftung Anfang Mai mit ueber 250
TeilnehmerInnen fand daher auch in gemeinsamer Verantwortung mit
der EECMY statt.

Die SeminarteilnehmerInnen wuerdigten Gudina Tumsa als anerkannten
Kirchenfuehrer innerhalb der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen.
Sie unterstuetzen den Vorschlag der Kirchenleitung und des
Vorstandes des Mekane Yesus Theological Seminary, eine Gudina
Tumsa-Professur einzurichten, um die Bedeutung von Leben und
Dienst des aethiopischen Theologen zu untersuchen und
weiterzugeben. Sie riefen Zeitzeugen dazu auf, Dokumente und
Erfahrungsberichte von Begegnungen mit Gudina an die Gudina
Tumsa-Stiftung weiterzuleiten.

Der 1929 in der Provinz Wollega geborene Gudina Tumsa sei von zu
Hause weggelaufen, um in Nedjo die Schule zu besuchen, berichtete
Krause. In der Missionsschule in Nedjo sei Gudina durch seine
grosse Begabung aufgefallen und von den Missionaren oft als
Dolmetscher eingesetzt worden. Zunaechst habe er als
Krankenpfleger und Lehrer in Nakamte gearbeitet und sei dort auch
seiner spaeteren Frau Tsehay Tolessa begegnet. Am Seminar von
Nedjo erhielt Gudina seine theologische Grundausbildung und wurde
Pfarrer. Die 1959 aus der Arbeit lutherischer Missionare aus
Uebersee entstandene Aethiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus
schickte ihn 1961 zur weiteren theologischen Ausbildung in die
USA, wo er den Bachelor of Divinity erhielt.

Als Sekretaer und spaeterer Generalsekretaer habe Gudina Tumsa
seiner Kirche die entscheidenden Impulse zur Eigenstaendigkeit im
theologischen Denken und in der kirchlichen Praxis gegeben, so
Krause. Gudina habe sich gegen die auslaendische Bevormundung
gestemmt sowie gegen die Zersplitterung seiner Kirche in
Missionsgebiete einzelner Missionsgesellschaften aus Uebersee. Er
sei ein kaempferischer, dynamischer Kirchenfuehrer gewesen, der
sich auch durch finanzielle Abhaengigkeit bedingt durch die Armut
des Landes nicht habe einschuechtern lassen. Gudina sei es um eine
neue, missionarische Gemeinschaft lutherischer Kirchen gegangen,
in der die EECMY mit ihren besonderen Gaben und Moeglichkeiten ein
gleichrangiger Partner sein sollte, betonte der LWB-Praesident.

Der aethiopische Theologe sei ein engagierter Streiter gegen die
Zerteilung des Menschen in Leib und Seele, gegen die Trennung von
Mission und kirchlichem Entwicklungsdienst gewesen. Unter Gudinas
Leitung war die EECMY dem LWB, der Gesamtafrikanischen
Kirchenkonferenz und dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
beigetreten. Dies habe dem Durchbruch einer Tabuzone geglichen, so
Krause.

Ebenso war Gudina Tumsa im gesellschaftlichen und sozialen Bereich
engagiert, berichtet Krause. Er wandte sich gegen jede Form von
Rassismus, die Ausbeutung der Bauern und Leibeigenen in seinem
eigenen Volk und sympathisierte mit der Idee einer grundlegenden
Landreform. Fuer viele der Armen, Unterdrueckten und Entrechteten
in Aethiopien sei Gudina und damit die EECMY zu einem Zeichen der
Hoffnung geworden.

Die aethiopische Revolution im Jahr 1974, die von vielen
Hoffnungen begleitet war, habe jedoch weder Frieden noch
wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Innere Konflikte,
kriegerische Auseinandersetzungen unter den Voelkerschaften
Aethiopiens und der blutige Terror des mit Hilfe der Sowjetunion
und Kubas errichteten sozialistischen Regimes unter Fuehrung von
Mengistu Haile Mariam bestimmten die Entwicklung des Landes.
Gudina Tumsa verkuendigte kompromisslos das Evangelium, was
Verhaftungen und Verhoere zur Folge hatte. Gudina sei dabei ganz
und gar ein Mann der Kirche und nicht der Politik gewesen, so
Krause.

1978 wurde Gudina Tumsa erstmals verhaftet und nach einigen Wochen
wieder freigelassen. Nach seiner zweiten Verhaftung 1979 versuchte
das Regime, ihn als Konterrevolutionaer und politischen Agenten
abzustempeln. Nach weltweiten Protesten kam er im Juni 1979
nochmals auf freien Fuss. Wenige Wochen spaeter wurde er nach
einem Gottesdienstbesuch auf offener Strasse in Addis Abeba von
bewaffneten Maennern ueberfallen und entfuehrt. "Heute wissen wir,
dass er unmittelbar danach von Regierungskraeften ermordet wurde",
erklaerte LWB-Praesident Krause zum Abschluss seines Vortrages.
Dies gehe eindeutig aus den heute zugaenglichen Akten hervor.

Krause verwies auch auf das schwere Schicksal von Tsehay Tolessa,
die nach der Entfuehrung ihres Mannes ebenfalls inhaftiert und
misshandelt wurde. Erst nach fast zwoelf Jahren Haft sei sie
wenige Monate vor Niederschlagung des Militaerregimes unter
Mengistu 1991 entlassen worden. Sie lebt heute in Aethiopien. Zwei
Toechtern Gudinas, die damals in Europa studierten, sei die Flucht
in die Bundesrepublik Deutschland gelungen, berichtete er. Die
juengste Tochter habe aus Aethiopien ausreisen koennen, ueber
Deutschland gelangte sie in die USA. Die Flucht des Sohnes habe
ueber Kenia nach Deutschland gefuehrt, so Krause, wo er mit zwei
seiner Schwestern von Freunden der Familie Gudinas aufgenommen
worden sei. Der LWB-Praesident betonte, dass die Teilnahme am
Missionsseminar der Stiftung fuer ihn und seine Frau daher auch
ein Art Abschied nehmen von der Familie Gudinas sei.

Waehrend seiner zehntaegigen Aethiopienreise traf LWB-Praesident
Krause mit dem Praesidenten der EECMY, Pfr. Iteffa Gobena, und
weiteren Mitgliedern der Kirchenleitung zusammen und besuchte
Gemeinden und verschiedene diakonische Projekte der Kirche sowie
des Laenderprogramms der LWB-Abteilung fuer Weltdienst (AWD) in
Aethiopien. Weiterhin traf Krause mit VertreterInnen der
aethiopischen Regierung und dem Botschafter der Bundesrepublik
Deutschland in Aethiopien zusammen.

Die Aethiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus hat rund 3,36
Millionen Mitglieder und gehoert seit 1963 zum LWB. (1.091
Woerter)

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der
Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen.
Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen
gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische Beziehungen, Theologie,
humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene
Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst
des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes
Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die
Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder.
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