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Tansania: Einbindung der Oeffentlichkeit in die Umsetzung von NEPAD


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Mon, 23 Jun 2003 08:33:05 -0500

Tansania: Fuehrende VertreterInnen von Religionsgemeinschaften
fordern Einbindung der Oeffentlichkeit in die Umsetzung von NEPAD
Ruf nach Massnahmen zur Eindaemmung von Korruption und
Kapitalflucht

Moshi (Tansania)/Genf, 21. Juni 2003 (LWI) - In Tansania haben
fuehrende VertreterInnen von Religionsgemeinschaften die
Regierungen der afrikanischen Laender aufgefordert, die aktive
Beteiligung ihrer BuergerInnen an den Diskussionen zur Umsetzung
der Initiative "Neue Partnerschaft fuer die Entwicklung Afrikas"
(NEPAD) sicherzustellen.

"Uns treibt die Frage um, wie die NEPAD-Initiative so mit Leben
erfuellt werden kann, dass der Armut unter uns begegnet und sie
ueberwunden werden kann", erklaerte Bischof Dr. Erasto N. Kweka
von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELKT) den
rund 100 TeilnehmerInnen des Beratungstreffens zur
NEPAD-Initiative. Das Treffen fand am 13. und 14. Mai in Moshi
(Tansania) statt und war von der ELKT in Zusammenarbeit mit der
Abteilung fuer Mission und Entwicklung (AME) des Lutherischen
Weltbundes (LWB) organisiert worden.

Ziel dieses Treffens war es, die Meinung fuehrender VertreterInnen
der Kirchen und der Zivilgesellschaft zu NEPAD zu erfahren und
eine offene Diskussion ueber soziale und wirtschaftliche
Missstaende herbeizufuehren, denen auf nationaler Ebene begegnet
werden muesste, um Afrikas neuer Entwicklungsinitiative zum Erfolg
zu verhelfen. Mit der 2001 ins Leben gerufenen NEPAD-Initiative
haben sich Regierungen afrikanischer Laender darauf verstaendigt,
die Armut zu ueberwinden und ihre Laender auf einen Weg zu
nachhaltigem Wachstum und Entwicklung zu fuehren.

Die Diskussionen auf diesem zweitaegigen Treffen befassten sich
mit den verschiedensten Aspekten und Einfluessen der
Globalisierung, einschliesslich der Auswirkungen einer liberalen
Weltwirtschaft. Bischof Simon Makundi von der Anglikanischen
Kirche von Tansania, forderte die tansanische Regierung auf,
"nicht wahllos Finanzinstitute zu privatisieren, die der
Normalbevoelkerung dienen sollen. Pauschalprivatisierung ist
selbstmoerderisch", erklaerte er.

Makundi zitierte als Beispiel den umstrittenen Verkauf der
staatseigenen National Micro-finance Bank (NMB) an eine
suedafrikanische Gesellschaft, der Proteste bei
Parlamentsmitgliedern hervorgerufen hatte. Im Februar dieses
Jahres wurde eine Gesetzesvorlage zur Privatisierung der Bank
zurueckgezogen, da die Mitglieder des Parlaments dem Antrag die
Unterstuetzung verweigerten. Spaeter jedoch verkuendete Praesident
Benjamin Mkapa: "NMB wird privatisiert, darueber gibt es keine
Debatte mehr." Viele sehen in der Privatisierung dieses
Geldinstituts einen Versuch, die Bevoelkerung Tansanias in die
Marginalisierung abzudraengen. Die Bank war gegruendet worden, um
Privathaushalte, Kleinbauern/Kleinbaeuerinnen und Kleinunternehmen
in laendlichen und staedtischen Gebieten mit Krediten zu
versorgen.

Dr. Mohabe Nyirabu, Lektor der Universitaet von Daressalam,
forderte von RegierungsbeamtInnen, Verantwortung zu uebernehmen
gegenueber der Oeffentlichkeit, der zu dienen sie vorgaeben. In
Tansania wuerden durchschnittlich 2.400 Berichte pro Jahr fuer
auslaendische Geber angefertigt und weiterhin sei das Land Ziel
von rund 1.000 Besuchen von "Geber-Missionen", erklaerte er.
Daraus leitete Nyirabu ab, dass sich die Verantwortlichen in der
Regierung ihrer eigenen Bevoelkerung gegenueber nicht mehr zur
Rechenschaft verpflichtet fuehlten, solange sie nur Berichte fuer
Geldgeber schrieben und der Strom an Entwicklungshilfen weiter
fliesse.

Basilla Urasa vom Netzwerk gegen weibliche Genitalverstuemmelung
(Network Against Female Genital Mutilation - NAFGEM) mit Sitz in
Moshi, stellte die Frage, warum "afrikanische Staats- und
Regierungschefs NEPAD im Rahmen von kontinentalen Konferenzen
diskutieren, aber wenig Anstrengungen unternommen haben, um
sicherzustellen, dass die Botschaft auch auf der untersten Ebene
ankommt". Die Bevoelkerung auf lokaler Ebene aktiv mit
einzubeziehen, sei wichtig fuer dieses ostafrikanische Land mit 35
Millionen Menschen, von denen 80 Prozent auf dem Land lebten und
hauptsaechlich im kleinbaeuerlichen Bereich taetig seien. Die
Wirtschaft des Landes haenge grossenteils von der Landwirtschaft
ab, die 50 Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschafte, 85
Prozent der Exporte ausmache und bei weitem den groessten
Arbeitgeber darstelle. Aber der Staat verweigere der
Landbevoelkerung jegliche Unterstuetzung.

Joseph Butiku, Vertreter der Stiftung Mwalimu Nyerere, benannt
nach dem ersten Praesidenten Tansanias nach der Unabhaengigkeit,
erinnerte die Regierung an ihre Verantwortung, die
Landbevoelkerung finanziell zu unterstuetzen und dazu lokale
Ressourcen zu verwenden, selbst wenn die internationalen
Finanzinstitutionen (IFIs) den Ausschluss solcher staatlichen
Anreize zur Bedingung gemacht haetten. Agnes Shekifu,
Koordinatorin des Frauenwerkes der ELKT in der Dioezese Dodoma,
fragte, wie denn die Regierung Kleinbauern/Kleinbaeuerinnen sonst
wirklich helfen koenne, "wenn sie sich von ihrer Verantwortung,
die Landwirtschaft zu unterstuetzen, verabschiedet." Eine
Haushaltsumfrage im Jahr 2000 habe ergeben, dass mehr als 52
Prozent der EinwohnerInnen Tansanias unter der Armutsgrenze fuer
den Grundbedarf lebten und mehr als 31 Prozent sogar unter der
Armutsgrenze fuer Ernaehrung.

Waehrend Dr. Abdallah Kigoda, Staatsminister im Praesidialamt,
darauf drang, NEPAD eine Chance zu geben, stellte Prof. Chachage
Sethy Chachage, Soziologe der Universitaet Daressalam, einen
Vergleich zwischen NEPAD und den Strukturanpassungsprogrammen der
internationalen Finanzinstitute an. Er betonte, "NEPAD kennt den
Begriff des oeffentlichen Interesses nicht, es unterwirft sich den
Wertebegriffen der Wirtschaft und kehrt damit zurueck zum
Individualismus durch Selbsthilfe, Selbstbeschaeftigung,
Kostenteilung und damit auch zur Zerstoerung der Grundlagen fuer
oeffentliche Wohlfahrt und kollektives Verantwortungsbewusstsein
im Blick auf Armut, Elend, Krankheit, Unglueck, Bildung und so
weiter."

Alhaji M. S. Mollel, Stellvertretender Generalsekretaer des Rates
der MuslimInnen von Tansania (Muslim Council of Tanzania),
erklaerte, damit NEPAD Erfolg haben koenne, sollten die
afrikanischen Staaten mehr Macht haben, um auf dem Weltmarkt einen
hoeheren Wert fuer ihre Waren auszuhandeln und die Preise von
Primaererzeugnissen zu verbessern. Er forderte die Regierungen
auf, ihre Maerkte fuer Waren aus anderen Laendern Afrikas zu
oeffnen und Kartelle zu bilden, die die Vermarktung ihrer Waren
auf dem Weltmarkt besser foerdern koennten.

Dr. Rogate Reuben Mshana, der den LWB vertrat und Mitglied der
ELKT ist, rief die afrikanischen Regierungen auf, sicherzustellen,
dass sie faehige UnterhaendlerInnen entsenden, die sich fuer
bessere Wirtschaftsbedingungen in internationalen Gremien
einsetzen koennten, und nicht Personen, die jede Bedingung nach
ihrem vermeintlichen Wert annaehmen, ohne die Folgen fuer die
afrikanische Bevoelkerung zu bedenken. Er forderte die Schaffung
von Massnahmen zur Eindaemmung von Geldwaesche und Korruption
sowie Kontrollen bei der Kapitalflucht als einen Weg, das Image
der Nation im In- und Ausland wiederherzustellen.

An dem NEPAD-Beratungstreffen nahmen rund 100 Personen, vor allem
Fuehrungspersoenlichkeiten aus der ELKT und anderen Kirchen, vom
Christlichen Rat von Tansania, von muslimischen Gremien sowie
VertreterInnen der Zivilgesellschaft und RegierungsbeamtInnen
teil.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania hat 2,5 Millionen
Mitglieder und ist seit 1964 Mitglied im LWB. (966 Woerter)

(Von LWI-Korrespondentin Elizabeth Lobulu, aus Arusha)

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 61,7 Millionen der
weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.

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