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Nepal/Bhutan: Bilaterale Gespraeche bringen keine Loesung fuer


From "Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date Thu, 30 Oct 2003 06:23:20 -0600

Nepal/Bhutan: Bilaterale Gespraeche bringen keine Loesung fuer
Fluechtlingskrise
NGOs fordern Einbeziehung der Internationalen Gemeinschaft
 
Genf, 30. Oktober 2003	(LWI) - Als unzureichend betrachtet eine
Koalition von fuenf fuehrenden Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) die juengste Gespraechsrunde zwischen den Regierungen von
Bhutan und Nepal zur Beendigung der dortigen Fluechtlingskrise.
Die NGOs riefen die Geberlaender auf, eine internationale
Konferenz einzuberufen, um eine Loesung dieser langjaehrigen
Krise zu finden.
 
Die beiden beteiligten Regierungen hatten die bilateralen
Gespraeche, die vergangene Woche in Thimphu, der Hauptstadt
Bhutans, stattfanden, als "historischen Durchbruch" gefeiert.
 
"Diese Gespraeche zwischen Nepal und Bhutan waren weder von
historischer Bedeutung noch wurde ein Durchbruch erzielt",
erklaerte Rachael Reilly, Beraterin fuer Fluechtlingsfragen bei
Human Rights Watch (HRW). "Die bilateralen Gespraeche haben die
Anfragen der internationalen Gemeinschaft ausser Acht gelassen
und keine Loesung fuer die bhutanesischen Fluechtlinge in Nepal
erbracht. Die Geberlaender muessen darauf bestehen, dass die
internationale Gemeinschaft an der Loesung der Fluechtlingskrise
voll beteiligt wird."
 
Die NGO-Koalition unter Beteiligung von Amnesty International,
Human Rights Watch, dem Lutherischen Weltbund (LWB), Habitat
International Coalition und der Bhutanese Refugee Support Group
rief die Geber auf, schnellstmoeglich eine internationale
Konferenz unter Beteiligung beider Regierungen und VertreterInnen
der Fluechtlinge, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen
fuer Fluechtlinge (UNHCR) sowie weiterer relevanter Organe der
Vereinten Nationen einzuberufen, mit dem Ziel, eine umfassende
und gerechte Loesung fuer die seit zwoelf Jahren andauernde
Fluechtlingskrise zu finden.
 
Ueber 100.000 bhutanesische Fluechtlinge, schaetzungsweise ein
Sechstel der Bevoelkerung Bhutans, leben seit den fruehen 1990er
Jahren in Lagern im Suedosten Nepals. Damals war ihnen
willkuerlich ihre Staatsbuergerschaft aberkannt worden und sie
waren in einer der groessten ethnischen Vertreibungen der
modernen Geschichte zum Verlassen Bhutans gezwungen worden. In
Zusammenarbeit mit UNHCR und anderen Partnern leistet der LWB den
Fluechtlingen in den Lagern seit Beginn der Krise
Unterstuetzung.
 
Nach Jahren des Stillstands einigten sich die Regierungen
Bhutans und Nepals im Maerz 2001 darauf, im Lager Khudunabari im
Sinne eines Pilotprojekts die Identitaet der 12.000 dort lebenden
Fluechtlinge festzustellen und deren Anspruch auf eine Rueckkehr
nach Bhutan zu pruefen. Die Fluechtlinge wurden in vier
Kategorien eingeteilt:
 
Kategorie I - bona fide bhutanesische StaatsbuergerInnen (2,5
Prozent der Fluechtlinge),
Kategorie II - Fluechtlinge, die angeblich "freiwillig" aus
Bhutan auswanderten (70 Prozent der Fluechtlinge),
Kategorie III - Nicht-BhutanerInnen (24 Prozent der
Fluechtlinge),
Kategorie IV - Fluechtlinge, die "kriminelle" Handlungen
begangen haben, einschliesslich derjenigen, die an sogenannten
"anti-nationalen" pro-demokratischen Aktivitaeten in Bhutan
teilnahmen (3 Prozent der Fluechtlinge).
 
Im August besuchte eine von den NGOs entsandte Delegation im
Rahmen einer gemeinsamen internationalen Reise nach Nepal und
Indien das Lager Khudunabari. Die Delegation aeusserte grosse
Besorgnis ueber Maengel des Pruefprozesses, da er ohne
Beteiligung von UNHCR stattfinde, nicht den internationalen
Menschenrechts- und Fluechtlingsnormen entspreche und
Zehntausende Fluechtlinge in die Staatenlosigkeit zu draengen
drohe.
 
Weiterhin nahm die Delegation die Hauptanliegen der Fluechtlinge
im Zusammenhang mit einer Repatriierung nach Bhutan zur Kenntnis.
Zu
 ihnen gehoeren die Garantie der Sicherheit der Rueckkehrenden,
voller BuergerInnenrechte sowie der Rueckkehr in die
urspruengliche Heimat und Rueckgabe ihres Eigentums. Nach Angaben
der NGOs wurde keine dieser Bedingungen bei der letzten
Gespraechsrunde beruecksichtigt.
 
Die NGOs hatten gehofft, bei der 15. Runde bilateraler
Gespraeche wuerden Antworten auf einige der ernsten Fragen im
Zusammenhang mit der laufenden Pruefung der bhutanesischen
Fluechtlinge und den Repatriierungsplaenen gegeben werden.
 
Stattdessen sehen sie sich nun gezwungen, auf folgenden Maengel
bei den Ergebnissen der Gespraeche hinzuweisen:
7 Beide Regierungen haben die dringlichen Appelle der
internationalen Gemeinschaft zurueckgewiesen, eine unabhaengige
dritte Partei, bevorzugt den UNHCR, in den Pruef- und
Repatriierungsprozess einzubeziehen.
7 Die bhutanesische Regierung hat ihre bei der 14.
Gespraechsrunde im Mai bekannt gemachte Haltung bekraeftigt, sie
werde Fluechtlingen der Kategorien I, II und IV die Rueckkehr
gestatten. Die Gespraeche haben jedoch nicht geklaert, unter
welchen Bedingungen den Fluechtlingen die Wiedereinreise erlaubt
werden solle.
7 Die bhutanesische Regierung bekraeftigte, dass Fluechtlinge
der Kategorie II die bhutanesische Staatsbuergerschaft nach einer
Bewaehrungsfrist von mindestens zwei Jahren neu beantragen
muessten, obwohl die Mehrheit dieser Gruppe beim Verlassen
Bhutans gezwungen worden waren, sogenannte "freiwillige
Auswanderungsformulare" zu unterzeichnen. Angesichts des strengen
und diskriminierenden Staatsbuergerschaftsrechts in Bhutan und
insbesondere der Bedingung, dass alle Antragstellenden Dzongkha,
die Sprache Nordbhutans, beherrschen muessen, koennten viele aus
Suedbhutan stammende Menschen von der Wiedererlangung der
Staatsbuergerschaft ausgeschlossen werden.
7 Die nepalesische Regierung hat ihr Angebot erneuert, den
angeblich "freiwillig" ausgewanderten Fluechtlingen der Kategorie
II, die sich gegen eine Rueckkehr nach Bhutan entscheiden, die
Staatsangehoerigkeit zu verleihen. Die zunehmende Unsicherheit
und Instabilitaet in Nepal werfen jedoch Fragen im Blick auf die
Umsetzbarkeit dieses Angebots auf.
7 Fluechtlinge der Kategorie IV, einschliesslich derjenigen, die
an friedlichen pro-demokratischen Aktionen beteiligt waren,
haetten in Bhutan mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen, wobei
keinerlei Garantien fuer faire und ordnungsgemaesse Verfahren in
Bhutan gegeben wurden.
7 Bei den Gespraechen wurden keine Garantien gegeben, dass die
Fluechtlinge in ihre frueheren Haeuser, Wohnungen bzw. auf ihren
frueheren Besitz zurueckkehren koennen oder dass ihre Grundrechte
geschuetzt sein und sie vollen Zugang zu Sozialleistungen
einschliesslich Bildung haben werden. All diese Garantien sind
wesentlich fuer eine dauerhafte Rueckkehr.
7 Die Regierungen haben sich geeinigt, das Pruefverfahren auf
ein zweites Lager, Sanischare, auszudehnen, ohne irgendwelche
Zusagen, die erheblichen Unregelmaessigkeiten und
Unzulaenglichkeiten im Verfahren zu beheben. Die Entscheidung,
den Pruefprozess in den verbleibenden sechs Fluechtlingslagern
Lager fuer Lager fortzusetzen, wird diesen weiter verzoegern.
Allein die Pruefung im Lager Khudunabari nahm ueber zwei Jahre in
Anspruch.
7 Die Regierungen haben die Frist fuer die Ueberpruefung der von
in Kategorie III  eingeteilten Fluechtlingen erhobenen
Einsprueche auf Januar 2004 angesetzt, den ernsten Anfragen der
internationalen Gemeinschaft im Blick auf die Maengel im
Einspruchsverfahren jedoch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Hierzu
gehoeren: Fehlen einer unabhaengigen dritten Partei zur Anhoerung
der Einsprueche, Mangel an Transparenz im Blick auf die
Pruefkriterien sowie die extrem kurze Frist fuer die Einreichung
eines Einspruchs.
 
"Es entsteht der Eindruck, dass die beiden Regierungen alle beim
ersten Pruefverfahren im Lager Khudunabari gemachten Fehler
wiederholen werden", so Peter Prove, Assistent des
LWB-Generalsekretaers im Bereich Internationale Angelegenheiten
und Menschenrechte. "Die Aengste
der Fluechtlinge sind in keiner
Hinsicht angemessen beruecksichtigt worden und das Verfahren kann
sich ueber Jahre hinziehen, was die Leidenszeit der Fluechtlinge
verlaengert." 
 
Die NGOs haben die vom UNHCR in den vergangenen Wochen gemachte
Ankuendigung kritisiert, in Ermangelung einer gerechten und
dauerhaften Loesung durch Nepal und Bhutan die Hilfsleistungen
fuer die Fluechtlingslager schrittweise abzubauen.
 
Die NGOs riefen die Geber auf, verstaerkt Druck auf Nepal und
Bhutan auszuueben und darauf zu bestehen, dass beide Regierungen
die Rechte der Fluechtlinge wahren und eine Beobachtung des
Repatriierungsprozesses durch UNHCR zu gestatten.
 
"Die Geberregierungen haben zu lange den bilateralen Prozess
zwischen Nepal und Bhutan stillschweigend unterstuetzt", erklaert
Eve Lester, Koordinatorin der Fluechtlingsarbeit bei Amnesty
International. "Jetzt muessen sie zur Kenntnis nehmen, dass diese
Strategie fehlgeschlagen ist und internationale Anstrengungen
noetig sind, um eine umfassende Loesung fuer die Fluechtlinge zu
finden." (1.100 Woerter)
 
Weitere Informationen erhalten Sie:
in London bei Magda Wendorff-Kowalczuk, Amnesty International:
+44/20-7413 5729 oder +44/7778-472 173 (Mobiltelefon),
 
in Genf bei Peter Prove, Lutherischer Weltbund: +41/22-791 6364
oder +41/78-757 6749 (Mobiltelefon),
 
in New York bei Rory Mungoven, Human Rights Watch: +1/917-497
9704 sowie
 
in Neu-Delhi bei Malavika Vartak, Habitat International
Coalition: +91/11-2435 8492 oder +91/11-3590 0378
(Mobiltelefon).
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft
lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden)
gegruendet, zaehlt er inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund
61,7 Millionen der weltweit rund 65,4 Millionen LutheranerInnen
in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB)
herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.
 
*	*	*

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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E-Mail: dmg@lutheranworld.org


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