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LWB-Generalsekretaer Noko kritisiert franzoesischen


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Tue, 10 Feb 2004 10:45:55 -0600

LWB-Generalsekretaer Noko kritisiert franzoesischen Gesetzentwurf
zur Verwendung religioeser Symbole
Schreiben an Praesident Chirac: Gegenseitiges Verstaendnis ist nicht durch
Verschleierung der Unterschiede zu erreichen
 
Genf, 10. Februar 2004 (LWI) - Der Generalsekretaer des Lutherischen
Weltbundes (LWB), Pfr. Dr. Ishmael Noko, hat warnend darauf hingewiesen, dass
die geplante Einfuehrung eines Gesetzes, das das Tragen auffaelliger
religioeser Zeichen und Kleidungsstuecke an franzoesischen staatlichen
Schulen verbieten soll, nicht der nationalen Einheit dienen, sondern vielmehr
eine Verschaerfung der Gegensaetze herbeifuehren wuerde.
 
Es koenne zum Beispiel "die Einrichtung einer grossen Zahl von
eigenstaendigen Bildungseinrichtungen zur Folge haben, die sich bewusst im
Gegensatz zur uebrigen Gesellschaft darstellen und von ihr isolieren. Dies
koennte denjenigen in die Haende spielen, die Spaltungen und Extremismus
foerdern wollen und *die anderen' verteufeln", so Noko in einem Schreiben an
den franzoesischen Praesidenten Jaques Chirac.
 
Noko nahm in seinem Schreiben Bezug auf die Rede Chiracs am 17. Dezember 2003
zur Laizismus-Debatte in Frankreich und bekraeftigte dessen Aussage, dass das
harmonische Zusammenleben in einer multireligioesen Gesellschaft ein
"subtiles, kostbares und empfindliches Gleichgewicht" sei. Das Prinzip des
Laizismus, so Noko, duerfe nicht so verstanden werden, dass es die zentrale
Bedeutung leugne, die Glaube und religioese Praxis fuer viele Menschen
haetten. Den vorgesehenen Massnahmen im Blick auf religioese Symbole an
staatlichen Schulen "scheint mir aber gerade die notwendige Sensibilitaet zu
fehlen, um dieses Gleichgewicht zu foerdern und zu schuetzen", so Noko.
 
Der LWB-Generalsekretaer wies darauf hin, dass einer der Arbeitsschwerpunkte
des LWB bei der "Foerderung des Dialogs, der Verstaendigung und der
Zusammenarbeit von Angehoerigen unterschiedlicher Religionen" liege und
stellte fest, dass Intoleranz, Fundamentalismus und Konflikte am besten in
einem Umfeld gediehen, das von mangelndem Wissen uebereinander, mangelndem
Kontakt und Isolierung gepraegt sei. Er begruesste Chiracs Aussage, das
Prinzip des Laizismus "bringe unseren Willen zum Ausdruck, in Achtung, Dialog
und Toleranz zusammenzuleben". Er wies jedoch darauf hin, dass das Ziel des
Dialogs und gegenseitigen Verstaendnisses nicht durch die Verschleierung der
Unterschiede erreicht werden koenne. "Im Gegenteil, diese Unterschiede
muessen analysiert, verstanden und entsprechend ihrem je eigenen Wert
eingeordnet werden."
 
Noko brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass in der gegenwaertig
stattfindenden parlamentarischen Debatte die moeglichen Konsequenzen des
Gesetzentwurfs fuer den Zusammenhalt der franzoesischen Gesellschaft sowie
dessen Angemessenheit eingehend geprueft werden. Er betonte, dass es
schwierig sei "nachzuvollziehen, wie das Tragen sichtbarer Zeichen
religioeser Ueberzeugung von Schulkindern in irgendeiner Weise als
Proselytismus oder Unterdrueckung anderer Menschen wirken koenne". Was in
Frankreich geschehe, so Noko, koenne "erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft
der interreligioesen Zusammenarbeit und der Religionsfreiheit weltweit
haben."
 
Im Dezember letzten Jahres hatte Praesident Chirac ein Gesetz befuerwortet,
das das Tragen von auffaelligen religioesen Zeichen in Schulen verbietet.
Betroffen waeren die juedische Kippa, grosse christliche Kreuze sowie das von
muslimischen Maedchen getragene Kopftuch. Chirac reagierte auf den Bericht
einer staatlichen Kommission unter Leitung des ehemaligen Ministers Bernard
Stasi, die die Meinung eines breiten Querschnitts der Bevoelkerung
einschliesslich von Lehrkraeften, religioesen EntscheidungstraegerInnen,
SoziologInnen und PolitikerInnen eingeholt hatte. Von manchen VertreterInnen
religioeser Gruppen wurde der Gesetzesvorschlag abgelehnt. Nach
Meinungsumfragen soll jedoch eine Mehrheit der WaehlerInnen den Vorschlag
mittragen. Nach vielstuendiger Debatte wird eine Entscheidung des
franzoesischen Parlaments am Dienstagnachmittag, 10. Februar, erwartet. 
 
Noko wies darauf hin, dass sowohl die einzelne Person als auch die
Gesellschaft ihre Identitaet von jeher ueber vielfaeltige Bezugspunkte
definierten, dass diese Tatsache in der heutigen Welt jedoch noch staerker
zum Tragen komme, da in vielen Laendern die Gesellschaft immer
multikultureller werde. "Aus meiner Sicht waere es ein schwerwiegender
Fehler, eine *Hierarchie der Identitaeten' herstellen zu wollen, in der die
Identitaet jeder/jedes Einzelnen als BuergerIn eines bestimmten Landes
Vorrang erhielte vor allen anderen Identitaeten, einschliesslich der
Zugehoerigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, oder damit diese anderen
Identitaeten gar verneint wuerden", so Noko in seinem Schreiben an Chirac.
 
Der Generalsekretaer betonte, dass heutige Gesetze der Komplexitaet und
Vielfalt der bestehenden Identitaeten Rechnung tragen sollten. "Wenn diese
Gesetze dieser Komplexitaet und Vielfalt nicht entspraechen, gefaehrdeten sie
die gesellschaftliche Integration", so Nokos Schlussfolgerung. (639 Woerter)
 
*	*	*
 
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