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Liberia: Ex-KaempferInnen brauchen neue Lebensperspektive nach


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Wed, 12 May 2004 09:43:48 -0500

Liberia: Ex-KaempferInnen brauchen neue Lebensperspektive nach
Demobilisierung 
Beitrag des LWB-Laenderprogramms in Liberia zu Frieden und Versoehnung

 
Montreux (Schweiz)/Genf, 12. Mai 2004 (LWI) - Der Vertreter des
Lutherischen Weltbundes (LWB) in Liberia, Charles Pitchford, ist
zuversichtlich, dass sich die ehemaligen KaempferInnen des
vierzehnjaehrigen Buergerkriegs intensiv am laufenden Prozess der
Entwaffnung und Demobilisierung beteiligen werden. "Aber die groesste
Herausforderung ist, wie diese jungen Maenner und Frauen aktiv
einbezogen werden koennen, so dass sie auch andere Alternativen haben,
als zu pluendern und alle moeglichen Gewalttaten zu verueben, die sie im
Buergerkrieg unter Drogeneinfluss regelmaessig begingen", betonte der
Direktor des Liberia-Programms der LWB-Abteilung fuer Weltdienst (AWD)
in einem Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) waehrend
des AWD-Jahresforum, das vom 26. bis 27. April in Montreux (Schweiz)
stattfand. 
 
Bei der jaehrlichen Tagung treffen sich Geberorganisationen von
LWB/AWD, VertreterInnen von AWD-Laenderprogrammen sowie MitarbeiterInnen
des Genfer Sekretariats, um strategisch an gemeinsamen Anliegen zu
arbeiten. In einem Workshop zum Thema "Prophetische Diakonie: Beitraege
zu Frieden und Versoehnung" erlaeuterte Pitchford das Engagement des
AWD-Programms vor allem im gegenwaertigen Prozess der Entwaffnung,
Demobilisierung und Reintegration von etwa 40.000 Ex-KaempferInnen
ehemaliger Rebellengruppen und ehemaliger Regierungstruppen.
 
AWD-Laenderprogramm leitet zwei Entwaffnungszentren

Fuer den Entwaffnungs- und Demobilisierungsprozess unter Leitung der
UN-Mission in Liberia (UNMIL) wurden vier Zentren ausgewaehlt. Das
LWB-Programm ist zustaendig fuer die Einrichtung und Leitung von zwei
Lagern - Gbarnga (noerdlich der Hauptstadt Monrovia) und Buchanan
(suedlich von Monrovia). Mitte April wurde das Lager Gbarnga vom
AWD-Laenderprogramm in Liberia fertig gestellt. Am 20. April begannen
die Arbeiten in Buchanan, berichtete Pitchford. Das
UN-Entwicklungsprogramm foerdert die Verwaltung der Lager.
 
Eine Voraussetzung fuer die Entwaffnung und Demobilisierung sei, so
Pitchford, dass die UNMIL-Friedenstruppen mit den zugesagten 15.000
SoldatInnen vollstaendig im Einsatz sind. Obwohl erst 13.200
UNMIL-SoldatInnen im Land seien, habe der Prozess inzwischen dennoch
begonnen. Dies sei auch auf den Druck der internationalen Gemeinschaft
zurueckzufuehren, den diese auf die Nationale Uebergangsregierung
Liberias ausgeuebte habe. Die Demobilisierung stelle eine der
Hauptbedingungen fuer die Auszahlung von 520 Millionen US-Dollar dar,
die bei der Geberkonferenz in New York (USA) im Februar 2004 fuer
Liberia zugesichert wurden, erklaerte Pitchford.
 
Die tatsaechliche Uebergabe von Waffen erfolgt in UNMIL-Lagern. Im
Anschluss werden die Entwaffneten in Demobilisierungslager gebracht. Das
Engagement im Rahmen des Prozesses der Entwaffnung, Demobilisierung und
Reintegration war fuer das AWD-Laenderprogramm in Liberia eine grosse
Herausforderung, so Pitchford. Bis Anfang April verfuegte das Programm
nur ueber 153 MitarbeiterInnen, diese Zahl stieg aber innerhalb eines
Monats auf ueber 625 an und steigt weiter, um den Bedarf an Bauarbeiten
zu decken und die Betreuung der entwaffneten ehemaligen KaempferInnen
durch speziell ausgebildetes Personal sicherzustellen. Da die
Bauarbeiten in einem knappen Zeitrahmen zu erfolgen hatten, machten dies
den Einsatz von mehr als 500 Arbeitskraeften in jedem Lager
erforderlich, so Pitchford. 
 
Jedes Demobilisierungslager besteht aus 50 Schlafraeumen fuer je 28
Personen und verfuegt ueber Kuechen, Speiseraeume, Latrinen,
Waschraeume, Brunnen sowie Erholungsraeume. Die Lager sind so
konstruiert, dass Maenner, Jungen, Maedchen und Frauen getrennt
untergebracht sind. Jugendliche unter 18 Jahren werden von den
Erwachsenen getrennt und innerhalb von 72 Stunden aus dem
Demobilisierungslager in ein Uebergangsheim verlegt, wo sie drei Monate
bleiben. In dieser Zeit wird versucht, Kontakt zu ihren Eltern oder
BetreuerInnen aufzunehmen. 
 
Die entwaffneten Ex-KaempferInnen bleiben fuenf Tage im
Demobilisierungslager. Am ersten Tag erfolgt eine allgemeine Einfuehrung
mit Gespraechen, aerztlichen Untersuchungen, Erteilung von
Personalausweisen und Lebensmittelmarken. Die naechsten beiden Tage sind
einem Prozess der Reintegration in Form von Gespraechen gewidmet, wobei
AWD-Liberia vom Team der Lutherischen Kirche in Liberia (LKL) fuer
Traumaheilung und Versoehnung unterstuetzt wird. Darauf folgt eine
Orientierung in der persoenlichen Entwicklung, einschliesslich der
Unterrichtung ueber Buergerrechte und -pflichten, Berufsberatung,
Menschenrechte, Sexual- und Fortpflanzungshygiene und
Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV/AIDS. Am letzten Tag erhalten die
ehemaligen KaempferInnen 150 US-Dollar, drei Monatsrationen des
Welternaehrungsprogramms (WFP) und eine Transportmoeglichkeit in ihr
Heimatgebiet oder gewuenschtes Wohngebiet. Sie sollen dann auf eine
Radiomeldung warten, in der sie aufgerufen werden, sich bei der
naechsten Stelle des UN-Entwicklungsprogramms zu melden, um weitere 150
US-Dollar sowie Informationen zur Reintegration sowie Stellenvermittlung
zu erhalten.
 
Ex-KaempferInnen uebergeben Waffen und Munition

Pitchford zeigte sich zuversichtlich, dass die meisten Ex-KaempferInnen
in Liberia der Aufforderung Folge leisten werden, alle in ihrem Besitz
befindlichen Waffen zurueckzugeben. Im Zeitraum vom 10. bis 25. April
nahm das Demobilisierungslager Gbarnga 3.123 ehemalige KaempferInnen
auf, 2.360 Maenner, 332 Frauen, 364 Jungen und 67 Maedchen. Von dieser
Gruppe wurden 931 Schusswaffen und eine Boden-Luft-Rakete sowie 106.715
Schuss Munition uebergeben. Weitere 1.014 Ex-KaempferInnen wurden im
Zeitraum vom 20. bis 25. April im Lager Buchanan demobilisiert. Zu
dieser Gruppe gehoerten 655 Maenner, 61 Frauen, 228 Jungen und 70
Maedchen. Sie uebergaben 435 Schusswaffen und 20.750 Schuss Munition,
berichtete der Direktor des Liberiaprogramms. 
 
Er bekraeftigte die Notwendigkeit, den Entwaffnungs- und
Demobilisierungsprozess abzuschliessen, damit sich die LiberianerInnen
der Hauptaufgabe widmen koennten - dem Wiederaufbau ihres Landes. Der
Krieg, dem etwa 200.000 Menschen zum Opfer fielen, habe zur Zerstoerung
von 85 Prozent der Infrastruktur im Land gefuehrt. Infolgedessen besitze
das Land "praktisch kein Wirtschaftssystem" mehr. Die aerztliche
Versorgung sei minimal und die wenigen Arbeitsmoeglichkeiten
beschraenkten sich auf staatliche Jobs, die statt geregelten Einkommen
finanzielle Anreize boeten. Nun beginne die Nationale
Uebergangsregierung Liberias, BeamtInnen zu bezahlen und Massnahmen zur
Eindaemmung der Korruption einzufuehren. Wahlen seien fuer 2005
vorgesehen. 
 
Die politische Stabilitaet und Sicherheit bleibe ein zentrales Anliegen
in Liberia, so Pitchford. Zur Uebergangsregierung in Liberia gehoerten
auch ehemalige VertreterInnen der Rebellen, die noch immer
Unterstuetzung von bewaffneten Rebellengruppen erhielten, die sich an
strategisch wichtigen Stellen des Landes versteckten. Die gegenwaertige
Uebergangsregierung, an der sich politische Parteien, die bisherige
Verwaltung und die beiden Rebellengruppen - Vereinigte LiberianerInnen
fuer Versoehnung und Demokratie (LURD) und Bewegung fuer die Demokratie
in Liberia (MODEL) - beteiligen, wurde nach dem Friedensabkommen in
Ghana im Juni 2003 eingesetzt. 
 
Rueckfuehrung von Fluechtlingen und Binnenvertriebenen erwartet 

Waehrend des Buergerkrieges gehoerte fast die Haelfte der ueber drei
Millionen LiberianerInnen zumindest zeitweise entweder zu den
Fluechtlingen oder zu den Binnenvertriebenen. Heute, sechs Monate nach
der Einsetzung der Uebergangsregierung im Oktober 2003, gebe es noch
immer rund 300.000 Binnenvertriebene, ebenso viele LiberianerInnen
lebten in Fluechtlingslagern in den Nachbarlaendern und warteten auf
ihre Rueckfuehrung, betonte Pitchford. 
 
AWD-Liberia betreut zusaetzlich zwei Lager fuer Binnenvertriebene, Jah
Tondo und Salala, wo mehr als 50.000 Binnenvertriebene untergebracht
sind, 60 Prozent sind Frauen und Kinder. Es wird erwartet, dass nach der
Entwaffnung und Demobilisierung die Binnenvertriebenen und Fluechtlinge
in ihre Heimatgebiete zurueckkehren wollen, zusammen mit den
zurueckkehrenden, demobilisierten Ex-KaempferInnen. "Jetzt ist es Zeit,
mit den Vorbereitungen fuer ihre Rueckkehr zu beginnen", so Pitchford.
Notwendig seien jetzt Programme, die die Schulung von MultiplikatorInnen
zum Ziel haetten, unter anderem in den Bereichen Landwirtschaft,
Erwirtschaftung von Einkommen, Traumaheilung, Konfliktloesung sowie
Friedensarbeit und Versoehnung. 
 
Laut Pitchford ist die Zusammenarbeit mit der Lutherischen Kirche in
Liberia - das Laenderprogramm der LWB/AWD wurde 1990 auf Initiative der
Kirche eingerichtet - vor allem in Gebieten entscheidend, wo es eine
lutherische Praesenz gebe. "Hand in Hand mit der LKL koennen wir mehr
Menschen helfen und gleichzeitig sowohl in der Kirche als auch anderen
Institutionen Kapazitaetsaufbau leisten", betonte der Vertreter des LWB
in Liberia. (1.146 Woerter)
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 

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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
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