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Balkan: Rueckkehr in die Heimat


From "Frank Imhoff" <FRANKI@elca.org>
Date Thu, 20 May 2004 13:16:40 -0500

Balkan: Rueckkehr in die Heimat
Hoffnung auf einen Neuanfang bietet das LWB-Laenderprogramm auf dem
Balkan
 
Montreux (Schweiz)/Genf, 20. Mai 2004 (LWI) - "Meine Vision fuer den
Balkan ist, dass politische und wirtschaftliche Stabilitaet erreicht
wird, genuegend Arbeitsplaetze vorhanden sind sowie eine friedliche
Koexistenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen moeglich wird",
erklaerte Hermine Nikolaisen in einem Interview mit der Lutherischen
Welt-Information (LWI) waehrend des Jahresforums der Abteilung fuer
Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) Ende April in
Montreux (Schweiz). Nikolaisen haelt an dieser Vision fest, auch wenn es
erst Mitte Maerz dieses Jahres wieder zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen zwischen AlbanerInnen und SerbInnen im Kosovo kam
und die Stabilitaet in der Region erneut gefaehrdet zu sein scheint.
 
Waehrend der seit 1992 andauernden ethnischen Konflikte im ehemaligen
Jugoslawien waren Millionen von Menschen gezwungen, ihre Heimat zu
verlassen. Viele von ihnen wuerden heute gern zurueckkehren. Doch sie
stehen vor dem Nichts. Sie besitzen weder Geld noch Baumaterialien, um
ihre zerstoerten Haeuser wieder aufzubauen und es fehlt an
Einkommensmoeglichkeiten. 
 
Hermine Nikolaisen kam bereits 1992 als Leiterin des
LWB-Laenderprogramms in die Balkanregion. Von 1998 bis 1999 wechselte
sie nach Kenia und war dort fuer das Keniaprogramm des LWB
verantwortlich. Seit 2000 ist sie inzwischen wieder zurueck auf dem
Balkan. Das dortige LWB-Laenderprogramm betreut seit ueber zehn Jahren
die Regionen Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Kosovo und Vojvodina.
Waehrend des Balkankrieges leistete der LWB vorrangig humanitaere Hilfe.
Laut Nikolaisen ist die Hilfe auf dem Balkan weiterhin wichtig, um den
Menschen einen Neuanfang in ihrer Heimat zu ermoeglichen.
 
Hilfe beim Aufbau zerstoerter Haeuser

So hilft der LWB beim Aufbau zerstoerter Haeuser und bietet Hilfe zur
Selbsthilfe zum Beispiel im Bereich Landwirtschaft. Als 1999 nahezu eine
Million Kosovo-AlbanerInnen in ihre beschaedigten Haeuser
zurueckkehrten, ermoeglichte der LWB gemeinsam mit dem weltweiten
Netzwerk von Kirchen und Partnerorganisationen ACT (Action by Churches
Together - Kirchen helfen gemeinsam) 5.400 Familien den Wiederaufbau
ihrer Haeuser. Es wurden Wasserversorgungsanlagen und 40 Kilometer
Zufahrtsstrassen instand gesetzt.
 
Bei den neu ausgebrochenen Unruhen Mitte Maerz wurden im Kosovo
mindestens 19 Menschen getoetet sowie Hunderte verletzt. Mehr als 3.000
Angehoerige von Minderheiten, hauptsaechlich SerbInnen, mussten fliehen.
Nahezu 30 serbisch-orthodoxe Kirchen und Kloester wurden niedergebrannt
oder stark beschaedigt sowie etwa 800 serbische Haeuser zerstoert.
Nikolaisen sieht in dem ungeklaerten Status des Kosovo eine moegliche
Ursache fuer die Gewalt, da die Kosovo-AlbanerInnen fuer einen
eigenstaendigen Staat eintreten, die SerbInnen hingegen solche
Bestrebungen ablehnen. 
 
Seit Mitte 2003 fuehlen sich, laut Nikolaisen, die Kosovo-AlbanerInnen
nicht mehr ausreichend von den Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
unterstuetzt und somit ungerecht behandelt, waehrend die Rueckkehr der
serbischen Minderheit, so der Eindruck der Kosovo-AlbanerInnen, stark
oder einseitig gefoerdert wurde. "Der erneute Ausbruch der Gewalt - und
das besonders bei jungen Menschen vorhandene Gewaltpotenzial - sind
beaengstigend", betonte die Leiterin des Laenderprogramms. Ein weiteres
Problem seien der niedrige Standard der Schulbildung sowie die fuer
junge Menschen nicht sehr erfolgversprechende Berufsperspektive.
Ausserdem gebe es nicht genuegend Ausbildungsplaetze und die
Arbeitslosigkeit liege zwischen 60 und 70 Prozent, so Nikolaisen. Dies
alles seien Faktoren, die zur Instabilitaet auf dem Balkan beitruegen. 
 
Die Unterstuetzung der Rueckkehr der Fluechtlinge in ihre Heimatorte
durch das LWB-Laenderprogramm, beinhaltet, dass potenzielle
RueckkehrerInnen ihre Heimatorte zuerst besuchen, damit sie sich ein
Bild von den Bedingungen machen koennen, die sie dort erwarten. Sie
koennen Kontakt mit FreundInnen und NachbarInnen aufnehmen, die bereits
zurueckgekehrt sind, um zu erfahren, wie diese ihr Leben gestalten und
ihren Unterhalt erwirtschaften. Die Menschen erhalten dann vom LWB
Baumaterial und Kredite, um ihre zerstoerten Haeuser wieder aufzubauen.
Der LWB bietet Programme an, die Wissen ueber Einkommensmoeglichkeiten
im landwirtschaftlichen Bereich vermitteln. Durch den Anbau von
Kartoffeln, Gurken oder Erdbeeren koennen die Menschen ein Einkommen
erwirtschaften und somit fuer ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen.
Laut Nikolaisen kann das AWD-Laenderprogramm nicht allen Menschen
helfen, deshalb konzentriere sich die Hilfe der Programme auf die sozial
Schwaechsten, um ihnen eine neue Lebensperspektive zu geben. 
 
Rueckkehr dreier Generationen

Oft kehren drei Generationen zurueck - das zeigt die Sehnsucht der
Menschen nach der Heimat, und die Hoffnung neu anfangen zu koennen. Boso
Cosic und seine Frau waren unter den ersten serbischen Fluechtlingen,
die 1999 in die Region Sanski Most (Bosnien-Herzegowina) zurueckkehrten.
Bis ihr Haus wieder aufgebaut war, lebten sie im Fluechtlingszentrum von
Sanski Most. Ihr Sohn und die Schwiegertochter mit drei schulpflichtigen
Kindern waren nicht sicher, ob auch sie die Rueckkehr wagen sollten.
2003 entschieden sie sich, nach Sanski Most zurueckzukommen und baten
den LWB um Unterstuetzung. Sie erhielten Baumaterial, mit dem sie ihr
Haus erweitern konnten. Die ganze Familie profitierte vom
LWB-Landwirtschaftsprojekt und begann mit dem Anbau von Gurken und
Erdbeeren. Im Herbst 2003 erhielten sie vom LWB zusaetzlich
Unterstuetzung beim Erwerb von landwirtschaftlichen Maschinen, um die
Produktion weiter zu steigern. Das Beispiel verdeutliche die
Notwendigkeit, dass auch junge Menschen in ihre Heimat zurueckkehren,
und welchen Erfolg sie dort haben koennen, so Nikolaisen.
 
Viele andere Hilfsorganisationen haetten sich aus dem Balkan
zurueckgezogen, da ihnen keine ausreichenden finanziellen Mittel mehr
zur Verfuegung stuenden, berichtet Nikolaisen. Nach ihrer Einschaetzung
sind die Folgen fuer die dortige Bevoelkerung dramatisch, da weiterhin
Hilfe zum Aufbau von Haeusern und Infrastruktur sowie zur Schaffung von
Arbeitsplaetzen benoetigt wird.
 
Der LWB beschaeftigt auf dem Balkan fuenf internationale und circa 120
nationale MitarbeiterInnen. Fuer das Jahr 2004 sehen die
Haushaltsplanungen des LWB-Laenderprogramms rund 18 Millionen US-Dollar
vor.
 
Die Deutsche Welle strahlte im Maerz 2004 den Dokumentarfilm
"Friedensstifter auf dem Balkan" in der Reihe "Glaubenssachen" aus, der
die Arbeit der Abteilung fuer Weltdienst auf dem Balkan anhand einzelner
Familienschicksale eindrucksvoll schildert. (891 Woerter)
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 

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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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