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LWB-Fotoausstellung zum Voelkermord in Ruanda stoesst auf


From "Frank Imhoff" <franki@elca.org>
Date Fri, 04 Jun 2004 18:10:20 -0500

LWB-Fotoausstellung zum Voelkermord in Ruanda stoesst auf grosse
Resonanz
"Ruanda - Zurueck ins Leben. Zehn Jahre nach dem Voelkermord"
 
Genf, 4. Juni 2004 (LWI) - Seit zwei Monaten ist die in diesem Jahr neu
konzipierte Fotoausstellung "Ruanda - Zurueck ins Leben. Zehn Jahre nach
dem Voelkermord" auf Ausstellungstour in Ruanda. Eroeffnet wurde sie am
7. April 2004, dem Internationalen Gedenktag des Voelkermordes in
Ruanda, in Kibungo im Norden Ruandas. Zum Abschluss wird die Ausstellung
vom 21. bis 25. Juni am Institute for Science and Technology in Kigali
gezeigt.
 
Die 30 Ausstellungstafeln zeigen 80 Fotos des Fotografen Thomas Lohnes
aus den Jahren 2000 und 2003. Sie verdeutlichen das Verhaeltnis von
TaeterInnen und Opfern, das muehsame Ringen um die Wahrheit bei den
Dorfgerichten, die Probleme bei der Rueckkehr ins Alltagsleben und die
Situation von Strassenkindern und HIV/AIDS-Betroffenen. Bilder aus
verschiedenen Projekten des LWB geben Einblick in die Arbeit fuer
Wiederansiedlung und Versoehnung und zeigen die Wunden dieser Massaker,
aber auch die Bestrebungen, das Unrecht aufzuarbeiten und die Zeichen
des Wiederaufbaus und der Hoffnung. 
 
Waehrend des Voelkermordes 1994 in Ruanda toeteten Angehoerige der Hutu
innerhalb von 100 Tagen schaetzungsweise 800.000 Angehoerige der
Tutsi-Minderheit sowie gemaessigte Hutu.
 
Die Fotoausstellung wird praesentiert vom Deutschen Nationalkomitee des
LWB (DNK/LWB) in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Brot fuer die
Welt, Diakonie Katastrophenhilfe, dem Evangelischen Pressedienst (epd)
und dem weltweiten Netzwerk von Kirchen und Partnerorganisationen ACT
(Action by Churches Together - Kirchen helfen gemeinsam). Texte und
Kurzreportagen von Regina Karasch und Rainer Lang erlaeutern die Fotos.
Die Ausstellung wird auch in Deutschland und Finnland praesentiert.
 
Anne Masterson, Vertreterin des LWB in Ruanda und Direktorin des
dortigen Programms der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) berichtete, dass
die Ausstellung, die dreisprachig (Englisch, Franzoesisch und
Kinyarwanda) in oeffentlichen Raeumen und Gemeindesaelen gezeigt wird,
auf grosses Interesse stosse. Allein in Gitarama, einer der drei
Provinzen, wo AWD-Ruanda Entwicklungsprojekte durchfuehrt, besuchten
rund 1.300 Personen die Ausstellung. Masterson misst dieser Zahl grosse
Bedeutung bei, da solche Ausstellungen in laendlichen Gebieten unueblich
sind. Als sehr bedeutsam wertete sie zudem die Beteiligung lokaler
Behoerden. 
 
Gewoehnlich eroeffnet der jeweilige Provinzgouverneur die Ausstellung
und nutzt die Gelegenheit, um offen ueber die Ereignisse des
Voelkermords zu sprechen. Betont wird dabei die Notwendigkeit,
einzugestehen, dass das, was vor zehn Jahren geschah, unrecht war. Den
ZuhoererInnen - Schulklassen, VertreterInnen unterschiedlicher
Organisationen, zum Beispiel auch von Kirchen sowie Verbaenden von
Ueberlebenden des Voelkermords - wird vermittelt, dass Gerechtigkeit und
Versoehnung noetig sind, und sie werden aufgefordert, an der Schaffung
einer gemeinsamen ruandischen Identitaet mitzuwirken, die nicht auf
ethnischen Gegensaetzen beruht. 
 
Diskutiert wird, ob die Ausstellung im Anschluss an die Lutherische
Kirche Ruandas uebergeben oder in das Archiv des Museums der
Universitaet Butare aufgenommen werden soll. Masterson wies darauf hin,
dass alle ruandischen Universitaeten das Thema "Frieden und Versoehnung"
als faecheruebergreifenden Schwerpunkt haben. Sie betonte, dass sich die
Ausstellung "als historisches Dokument" erwiesen habe, das fuer die
ruandische Bevoelkerung einen zukuenftigen Nutzen haben wird. (478
Woerter)
 
Im Folgenden Finden Sie vier Features, die Teil der Ausstellung "Ruanda
- Zurueck ins Leben. Zehn Jahre nach dem Voelkermord" sind:
 

Innocent - Fuer immer gezeichnet 
Rache ist kein Weg - Dieses Land braucht diese Leute, um voranzukommen
 
Die Schatten der Vergangenheit lasten auf ihm. Noch immer wird Innocent
Gakwerere von Albtraeumen heimgesucht. Nur knapp ist er dem Tod
entgangen. Schwer verletzt hat er den Voelkermord in Ruanda ueberlebt.
Die Macheten der Moerder haben ihn fuer immer gezeichnet. Tiefe Kerben
hat er am Hinterkopf. Das Gesicht ist entstellt von grossen Narben. Die
Nase wurde so stark verletzt, dass Innocent bis heute starke Beschwerden
hat, die nur eine Operation lindern koennte. Doch diese kann er sich
nicht leisten, er hat keine Arbeit mehr.
 
Es ist nicht zu uebersehen, wie Bitterkeit in Innocent hochsteigt, wenn
er von seiner Situation erzaehlt. Die Muehle, die er mit anderen
Ueberlebenden seit 1995 betrieben hat, steht still, denn die
Selbsthilfe-Gruppe kann sich keine Ersatzteile leisten. Ihre Mitglieder
haben so wenig, dass der Lutherische Weltbund (LWB) der kleinen
Genossenschaft zunaechst die urspruenglich vereinbarte Rueckzahlung von
einem Viertel der Anschubfinanzierung erlassen hat. Nun kuemmert sich
der LWB darum, dass die Muehle wieder in Gang kommt. Denn es fehlt an
allem. "Woher das Geld fuer Lebensmittel nehmen?", fragt Innocent
ratlos. Fast unmoeglich sei es, Geld fuer aerztliche Behandlung zu
bekommen. 
 
Waehrend Innocent erzaehlt, setzt sich der zweijaehrige Ose auf seinen
Schoss. Bei aller Trauer, die in den Augen des Vaters liegt, merkt man,
wie ihm sein Sohn Zuversicht gibt. Fuer den Mann, der den Voelkermord
schwer gezeichnet ueberlebt hat, war es ein Schock, als durch einen
Praesidialerlass vom 1. Januar 2003 mehr als 20.000 Genozid-Haeftlinge
entlassen wurden. Ungerecht findet er auch, dass fuer viele von ihnen
die Gacaca-Verfahren (Dorftribunale) noch nicht begonnen haben. Und wenn
er die Wahl haette, wuerde er den Gerichtsverfahren nicht beiwohnen. Er
hat Angst, dass dadurch die alten Aengste wieder aufbrechen, die sich
immer wieder in seinen Traeumen breit machen. Immer noch schreckt er
nachts bei jedem ungewohnten Geraeusch hoch. 
 
Die Angst wird ihn nie verlassen. Keine klare Antwort hat er auf die
Frage, ob das Grauen wiederkehren koennte. "Das ist nicht moeglich",
sagt Innocent spontan. Aber spaeter raeumt er ein: "Die Opfer haben
Angst, dass es noch einmal passiert." Und er macht sich gleich wieder
Mut: "Gott wird es nicht erlauben".  
 
Er erzaehlt dann, wie er sich mit den Taetern - zwei Maennern aus der
Nachbarschaft - getroffen und mit ihnen zusammen etwas getrunken hat.
Dann habe er ihnen vergeben, "vom Grunde meines Herzens", sagt Innocent
ernst. Er fuehlt, dass er diesen Menschen vergeben muesse. Rache ist
fuer ihn kein Weg. "Dieses Land braucht diese Leute, um voranzukommen."
(422 Woerter)
 
(Ein Beitrag von Rainer Lang, Stuttgart.)
 

Positiv leben - HIV/AIDS-Selbsthilfegruppe in Rukira
Engagement der Selbsthilfegruppen traegt langsam Fruechte
 
Mariannes juengster Sohn ist gerade sieben Monate alt. Es ist ihr
zweites Kind. Der aeltere Sohn, der achtjaehrige Rajab, spielt mit
Freunden im Dorf, ihr Mann hat sie kurz vor der Geburt des zweiten
Kindes verlassen. Marianne ist HIV-positiv und lebt seit etwa fuenf
Jahren mit diesem Wissen. Und nicht nur das: Marianne arbeitet in der
HIV/AIDS-Selbsthilfegruppe "Jijuka" mit, die in Rukira im Nordosten
Ruandas besteht.
 
Etwa 80 Menschen gehoeren dieser Gruppe an, ueberwiegend Frauen und
einige wenige Maenner. Als sich die ersten HIV-Infizierten 1996 auf
Anregung einer anderen Gruppe zum ersten Mal trafen, gehoerte noch
unglaublich viel Mut dazu, sich als HIV-infiziert zu bekennen. Noch vor
drei Jahren rannten die NachbarInnen in panischem Schrecken weg, sobald
Marianne oder eines der anderen Mitglieder sich naeherte - aus
Unwissenheit ueber die Ansteckungswege. Das Tabu, das oeffentliche
Gespraeche zum Thema Sexualitaet in Ruanda grundsaetzlich umgibt, machte
den Betroffenen das Leben auch neben der zunehmenden koerperlichen
Schwaeche schwer. Doch das Engagement der Selbsthilfegruppen, die sich
in den letzten Jahren ueberall in Ruanda zusammengefunden haben, und die
Unterstuetzung ihrer Aufklaerungsarbeit durch die Kirchen und die
ruandische Regierung tragen langsam Fruechte.
 
Rund eine halbe Million HIV-Infizierte gab es nach offiziellen Angaben
2001 in Ruanda, etwa neun Prozent der erwachsenen Bevoelkerung. Mehr als
260.000 Kinder und Jugendliche haben einen oder beide Elternteile durch
HIV/AIDS verloren. Anders als im benachbarten Uganda, wo Aufklaerung und
Vorsorge schon lange einen festen Platz in der Oeffentlichkeit haben,
gehoeren in Ruanda das Bewusstsein fuer die Gefahr und die Kenntnis
ueber die Ansteckungswege noch immer nicht zum Allgemeinwissen. Die
Kirchen haben in interreligioeser Zusammenarbeit sogenannte
AIDS-SeelsorgerInnen ausgebildet, die sich um die Beduerfnisse der
Betroffenen kuemmern, und foerdern die Aufklaerungsarbeit in
Gemeindeveranstaltungen.
 
Die Gruppe Jijuka hat ein Haus und ein Grundstueck in Rukira gemietet.
Hier finden nicht nur die woechentlichen Treffen statt, sondern hier
flechten die Mitglieder Koerbe, naehen unter anderem Schuluniformen,
stellen Seife und Zabusa her, kleine Teigtaschen mit Fleisch- oder
Gemuesefuellung, und lagern Nahrungsmittel, die sie zur Erntezeit
guenstig einkaufen und spaeter zu hoeheren Preisen wieder verkaufen.
Ziel dieser Aktionen, fuer die der Lutherische Weltbund (LWB) einen
Startkredit von 300.000 Franc (etwa 500 Euro) zur Verfuegung gestellt
hat, ist es, Geld zu verdienen, mit dem die beduerftigen Mitglieder der
Gruppe im Notfall unterstuetzt werden koennen. Doch ohne die
Unterstuetzung des LWB und anderer Organisationen wuerde dieses Geld
nicht einmal reichen, um die Miete von 15.000 ruandischen Franc (etwa 25
Euro) im Monat zu zahlen. Von der Bezirksverwaltung bekam Jijuka Land,
um die vom LWB gespendeten Ziegen zu halten und Gemuese anzubauen. Wie
in allen derartigen Gruppen erhalten die 20 beduerftigsten Mitglieder
Nahrungsmittelhilfe vom LWB. 
 
Der Zusammenhalt der Gruppe ist stark - beim Tod eines Mitgliedes werden
die eventuell zurueckbleibenden Kinder von den anderen Mitgliedern
aufgenommen. Zur Zeit gibt es 60 AIDS-Waisen bei Jijuka, davon lebt die
Haelfte in elternlosen Familien, wobei die Jugendlichen, die ihre
juengeren Geschwister versorgen, von der Gruppe unterstuetzt werden. Das
reicht von der Ausstattung mit Schuluniformen und anderer Kleidung ueber
die Zahlung des Schulgeldes fuer die weiterfuehrende Schule bis hin zur
Versorgung mit Nahrungsmitteln. Zwoelf Haeuser wurden vom LWB fuer
beduerftige Familien gebaut.
 
Einen ganz wichtigen Bereich ihrer Arbeit sieht die Gruppe in der
Aufklaerung ueber HIV/AIDS in Schulen, Doerfern und Kirchengemeinden.
"Inzwischen werden wir sogar gebeten zu kommen", sagt die Praesidentin
der Gruppe, "frueher mussten wir lange verhandeln, bis wir in die
Schulen durften. Wir regen die Menschen an, sich testen zu lassen und
helfen ihnen, falls sie HIV-positiv sind, in ein Behandlungsprogramm
aufgenommen zu werden. Ausserdem versuchen wir, die Menschen zu
mobilisieren, damit sie sich nicht zurueckziehen und schweigen, sondern
in ihrem Umfeld Aufklaerung leisten." 
 
Mittlerweile ist Ruanda auch in das Programm der William J. Clinton
Presidential-Stiftung aufgenommen worden, die vom frueheren
amerikanischen Praesidenten Bill Clinton ins Leben gerufen wurde. Dieses
Programm soll die Versorgung der Infizierten mit preiswerteren
AIDS-Medikamenten, sogenannten Generika, sichern. Das ist ein
entscheidender Fortschritt, denn auch wenn ein HIV/AIDS-Test nur 300
ruandische Franc (0,50 Euro) kostet, so ist bisher die Versorgung mit
Medikamenten fuer Infizierte noch laengst nicht gesichert. Generika
duerfen inzwischen nach einem Beschluss der Welthandelsorganisation
unter bestimmten Bedingungen auf den Markt gebracht werden. Dabei
kopieren Pharmaunternehmen in Entwicklungslaendern die zumeist teuren
patentierten Arzneien aus den Industrielaendern. Mit den deutlich
billigeren Kopien koennen mehr HIV/AIDS-Kranke behandelt werden. Mit
Generika kostet eine Behandlung normalerweise gut rund Cent pro Tag und
PatientIn, mit Markenprodukten mindestens 1,54 Dollar am Tag. 
 
Marianne zeigt - als wir sie zum Abschied in ihrem frisch renovierten
Haus besuchen - ihre Tagesration an Medizin: eine Tablette gegen TBC,
eine Folgeerkrankung, an der viele HIV/AIDS-Infizierte leiden. Ihre
Hoffnung ist, dass sie bald in das Clinton-Programm aufgenommen wird.
"Damit ich meinem juengsten Sohn noch in der Schule helfen kann!" (791
Woerter)
 
(Ein Beitrag von Regina Karasch,, Deutsches Nationalkomitee des LWB,
Ausschuss fuer Kirchliche Zusammenarbeit und Weltdienst, Stuttgart.)
 

Frisches Wasser fuer Tausende von Menschen 
Funktionierende Wasserversorgung mit Hilfe des LWB-Laenderprogramms in
Ruanda 
 
Frueher brauchte Coletha Mukabaziga einen halben Tag, um Wasser zu
holen. Mit ihren grossen gelben Kanistern musste sie fuenf Kilometer
weit bis zur naechsten Wasserstelle laufen. Heute braucht sie nur vor
die Tuer zu gehen. 200 Meter entfernt ist eine Pumpe. Und die liefert
sauberes Wasser. Das gibt es in Kabimba, einem Dorf in dem kleinen
zentralafrikanischen Land Ruanda, auch erst, seitdem das Laenderprogramm
der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) in
Ruanda die vor rund sechs Jahren von der Regierung gebaute
Wasserversorgung wieder hergerichtet hat. 
 
Coletha ist froh, dass sie nicht mehr so lange braucht, um Wasser zum
Trinken, Kochen und Waesche waschen zu besorgen. Jetzt kann die
49-jaehrige Mutter von fuenf Kindern diese Zeit fuer Arbeiten im
Haushalt und auf dem Feld nutzen. Fuer sie und die Familie ist das ein
grosser Vorteil. Coletha lebt in der Provinz Kibungo. Die Menschen hier
haben es schwer. Sie leben von der Landwirtschaft. Aber angesichts der
verbreiteten Duerre in der Provinz koennen die meisten mit dem Anbau von
Mais, Maniok und Bohnen gerade das Noetigste erwirtschaften. 
 
Die Menschen, die hier leben, sind arm. Alle, die an der Pumpe Wasser
holen, sind Mitglied im oertlichen Wasserkomitee. Aber viele koennen
nicht einmal den jaehrlichen Beitrag von etwa zwei Euro aufbringen, den
die Mitglieder fuer die Instandhaltung der Pumpe zahlen sollten. Nur
etwa 60 Prozent sind dazu in der Lage. Dennoch ist gewaehrleistet, dass
auch die Beduerftigen unter den 187 Familien am Ort Wasser erhalten,
bekraeftigt Didace Bugingo. Er steht nicht nur dem oertlichen
Wasserkomitee mit 935 Mitgliedern vor, sondern ist verantwortlich fuer
das gesamte Netz von Kanaelen, das sich vom Sammelpunkt in Gituku ueber
insgesamt 32 Kilometer erstreckt und 18 Sammelstellen umfasst.
 
Insgesamt profitieren 16.000 Personen von dem Projekt, das seit Juli
2003 selbststaendig ist. Das heisst, dass die Mitglieder die Kanaele und
Pumpen selbst instand halten muessen. Wie das geht, darin hat der LWB
die Mitglieder geschult. Diese muessen die Kanaele sauber halten.
Ausserdem ist fuer jede Wasserstelle vor Ort jemand ausgebildet worden,
der nach den Rohren und Pumpen schaut.
 
Aber dem Komitee fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Beinahe die
ganzen Mitgliedsbeitraege muessen fuer Ersatzteile und die oertlichen
Techniker ausgegeben werden. Fuer den Vorsitzenden, der eigentlich ein
ordentliches Gehalt bekommen sollte, bleibt da kaum etwas uebrig. Der
25-jaehrige Techniker Bugingo, der seine Frau und seinen neun Monate
alten Sohn zu versorgen hat, bestellt nebenher noch seine Felder. Das
ist schwierig, wenn er gleichzeitig dafuer sorgen soll, dass alle 18
Pumpstellen mit Wasser versorgt sind, was waehrend der Trockenzeit nicht
immer funktioniert. Dafuer benoetigt Didace viel Zeit.
 
Doch Wasser fuer den Haushalt kann nur ein erster Schritt sein. Damit
sich die Situation der Menschen in der duerregeplagten Provinz Kibungo
wirklich verbessert, ist ein Bewaesserungssystem noetig, erlaeutert
Vincent Kasaja, beim LWB verantwortlich fuer die Projekte in Kibungo.
Der Agraringenieur hat sich waehrend eines Studienaufenthalts in Holland
auf Bewaesserungsmethoden spezialisiert. Er plant den Bau der
Wasserversorgung fuer neue Siedlungen in Ndego. Diese hat der LWB auf
Land gebaut, das frueher zum Nationalpark gehoerte. Bisher werden die
BewohnerInnen durch Wassertanks versorgt. 
 
Wegen der Duerre ist die Landwirtschaft stark beeintraechtigt. Deshalb
soll Wasser ueber eine Entfernung von 20 Kilometern herangeschafft
werden. Ein grosses Projekt, doch dazu reichen die Mittel im Moment noch
nicht aus. Mehr Nahrungsmittel sind in der Provinz Kibungo, die an
Tansania angrenzt, dringend noetig. In dem dicht besiedelten und
trockenen Gebiet erhoeht sich der Druck durch die Rueckkehr von etwa
20.000 Fluechtlingen. Diese kehren aus Tansania nach Ruanda zurueck, das
vor zehn Jahren einen Voelkermord und blutigen Buergerkrieg erlebt hat.
Doch schon jetzt haben viele, die erst in juengster Zeit aus
Fluechtlingslagern im Nachbarland zurueckgekehrt sind, noch kein
richtiges Dach ueber dem Kopf. (628 Woerter)
 
(Ein Beitrag von Rainer Lang, Stuttgart.)
 

Das Fahrrad - "Ein halber Freund"
Pfarrer in der Lutherischen Kirche Ruandas

Der Lebensweg von Pfarrer Martin Habiyakare ist typisch fuer viele
ruandische LutheranerInnen. Als Kind floh Habiyakare 1961 mit seiner
Familie nach Tansania. Dort fanden sie Hilfe und Begleitung in einer
lutherischen Gemeinde und durch das Hilfsprogramm fuer ruandische
Fluechtlinge der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen
Weltbundes (LWB) - ein Anstoss fuer Martin, sich taufen zu lassen und
schliesslich Theologie zu studieren. Im November 1994, als nach dem
Voelkermord die ruandischen Fluechtlinge aus dem Exil zurueckkehren,
gehoerte Pfarrer Martin zu den mehreren 100.000 Tutsi, die aus Tansania
in ihre Heimat zurueckgingen. Heute ist er Pfarrer der Gemeinde Rukira
im Nordosten Ruandas, die rund 320 Gemeindemitglieder hat. Etwa 17.000
Menschen zaehlten 2003 zur Lutherischen Kirche Ruandas (LKR). Sie wurde
erst 2002 offiziell von der ruandischen Regierung registriert und
gehoert zu den juengsten LWB-Mitgliedskirchen. Gegenwaertig ist sie eine
der am schnellsten wachsenden Kirchen weltweit: 2002 hatte sie erst
7.600 Mitglieder.
 
Die Gruppe der "tansanischen" LutheranerInnen war eine von drei
lutherischen Gruppierungen, die nach dem Voelkermord bei der ruandischen
Regierung um die offizielle Registrierung als Kirche nachsuchten. Wie
auch der LWB draengte die Regierung die AntragstellerInnen, sich
untereinander zu verstaendigen und sich zu einer Lutherischen Kirche
Ruandas zusammenzuschliessen. Das geschah im Jahr 2002, nachdem der LWB
Vermittlungsgespraeche mit allen Beteiligten gefuehrt hatte. Seitdem
waechst die LKR, auch wenn es Pfarrer Martin nicht schnell genug geht:
"Wir haben keine Schulen oder Krankenhaeuser, wie die katholischen und
die anglikanischen Kirchen, und die Menschen erwarten ganz praktische
Hilfe von ihrer Kirche!" - Dabei leistet die kleine Kirche mit
Unterstuetzung der lutherischen Kirchen in aller Welt und in
Zusammenarbeit mit dem AWD-Laenderprogramm in Ruanda eine ganze Menge.
Und das wird auch von der Regierung zur Kenntnis genommen. Die
humanitaere Hilfe hat direkt nach dem Voelkermord im Sommer 1994
begonnen, heute liegt der Schwerpunkt auf nachhaltiger
Entwicklungsarbeit. 
 
Auch die LKR selbst sieht sich vor vielfaeltigen Aufgaben. Als
wichtigste bewertet Bischof George Wilson Kaliisa die Seelsorge fuer
Ueberlebende des Voelkermords, die Halt in der Religion suchen. "Jetzt
allmaehlich beginnen die Menschen zu sprechen und wir muessen ihnen alle
Hilfe geben, um die schrecklichen Erlebnisse zu bewaeltigen." Zehn Jahre
nach dem Genozid leben TaeterInnen und Opfer wieder als NachbarInnen
zusammen und die Aufarbeitung durch die Dorfgerichte ist in vollem
Gange. Erinnerungen brechen wie alte Wunden wieder auf, traumatisierte
Menschen versuchen, ihren Weg zwischen Rache und Vergebung zu finden.
Die LKR arbeitet auf lokaler Ebene mit AnglikanerInnen, MethodistInnen,
PresbyterianerInnen, KatholikInnen sowie MuslimInnen zusammen. "Wir
wollen unseren Gemeinden den Gedanken an Frieden und Versoehnung nahe
bringen," betont Pfarrer Martin. "Vor 1994 gab es interreligioese
Gespraeche auf hoechster Ebene, aber viel wichtiger ist es, an der Basis
zu arbeiten und Nachbarn und Nachbarinnen miteinander ins Gespraech zu
bringen." 
 
So haben auch die beteiligten Religionsfuehrer in Rukira ihre
Gemeindeglieder auf die Gacacas (Dorftribunale) vorbereitet und eine
Gruppe von "Gacaca-SeelsorgerInnen" ausgebildet. Diese begleiten die
Opfer und ihre Angehoerigen - aber auch die TaeterInnen und deren
Familien. Denn auch diese sehen ihren Weg zurueck in ein normales
nachbarschaftliches Zusammenleben oft versperrt. "Mein Sohn hat die
Toechter unserer Nachbarn erschlagen, die mir fast wie meine eigenen
Kinder waren. Wie kann ich den Eltern der Maedchen in die Augen sehen,"
beschreibt die Mutter eines Moerders ihre eigene Not. 
 
Zusammenarbeit auf lokaler Ebene, aber auch im internationalen Bereich
erfaehrt die LKR beim Thema HIV/AIDS. Die Zugehoerigkeit zur
Lutherischen Gemeinschaft in Zentral- und Ostafrika (Lutheran Communion
in Central and Eastern Africa, LUCCEA) ermoeglicht Austausch und
gemeinsames Lernen, wie die Kirchen mit der gigantischen Herausforderung
durch die Pandemie umgehen koennen. Die Arbeit hat in den letzten drei
Jahren das Aufbrechen des Tabus, ueber Aids zu sprechen, bewirkt. Damit
wird es leichter, gezielte Aufklaerung zu leisten. Hier erhaelt die LKR
auch Hilfen von der ruandischen Regierung, die ansonsten Kirchen und
Religionsgemeinschaften nicht unterstuetzt. Die Fuersorge fuer
HIV/AIDS-Betroffene ueberfordert manche Gemeinde personell und
finanziell. Viele setzen daher ihre Hoffnungen auf die Hilfe von LUCCEA.

 
Die 15 Pfarrer und 57 EvangelistInnen der ruandischen Kirche erhalten
kein festes Gehalt und leben von den Kollekten, den Ernten auf den
eigenen Feldern bzw. dem Einkommen von Familienmitgliedern. In manchen
Gemeinden werden nach dem Gottesdienst Ananas, Eier, Zuckerrohr und
andere Lebensmittel versteigert - der Erloes geht als Gehaltszuschuss an
die Pfarrer. 
 
Ein anderes Problem sieht Bischof Kaliisa in den grossen Entfernungen,
die ein Pfarrer zur Versorgung seiner verstreut lebenden Gemeindeglieder
in dem huegeligen Land zurueckzulegen hat. Fahrraeder fuer seine Pfarrer
und EvangelistInnen waeren sein Traum. "Ein Fahrrad ist zwar nur ein
halber Freund, es hilft dir auf der Haelfte des Weges, und bergauf musst
du ihm helfen!" schmunzelt er, "Aber ein halber Freund ist besser als
gar keiner!" (768 Woerter)
 
(Ein Beitrag von Regina Karasch,, Deutsches Nationalkomitee des LWB,
Ausschuss fuer Kirchliche Zusammenarbeit und Weltdienst, Stuttgart.)
 
*	*	*
 
Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden. 
 
*	*	*

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
E-Mail: dmg@lutheranworld.org 


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