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Finnland: Wozu dient die Kirchenmitgliedschaft?


From "Frank Imhoff" <Frank_Imhoff@elca.org>
Date Fri, 18 Jun 2004 16:19:09 -0500

Finnland: Wozu dient die Kirchenmitgliedschaft?
Erzbischof Paarma zur den Auswirkungen des neuen Gesetzes zur
Religionsfreiheit
 
Helsinki (Finnland)/Genf, 18. Juni 2004 (LWI) - Die kuerzlich in Kraft
getretenen Gesetze zur Religionsfreiheit und dem Bestattungswesen in
Finnland truegen zum Rueckgang der Mitgliedschaft der
Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands (ELKF) bei, so der finnische
Erzbischof Jukka Paarma. Das neue Gesetz zur Religionsfreiheit und das
Bestattungsgesetz haetten in Finnland jedoch auch zu einer intensiven
Debatte ueber die Bedeutung der kirchlichen Mitgliedschaft fuer einzelne
ChristInnen gefuehrt. 
 
"Was bedeutet es, dass jemand Kirchenmitglied ist? Geht es nur darum,
den Mitgliedsbeitrag, die Kirchensteuer zu zahlen und dafuer bestimmte
Dienstleistungen zu erhalten, oder geht es bei dieser Mitgliedschaft um
mehr? Bedeutet die Mitgliedschaft eine Bindung an den Glauben, den die
Kirchen vertreten?" fragte Paarma in einem Interview mit der
Lutherischen Welt-Information (LWI). 
 
Das Gesetz zur Religionsfreiheit trat im August 2003 in Kraft, waehrend
das Bestattungsgesetz zu Beginn dieses Jahres eingefuehrt wurde. Bisher
betonte der Religionsunterricht an staatlichen Schulen das Konzept des
"konfessionellen Religionsunterrichts". Nach dem neuen Gesetz wird
Religion zwar weiterhin unterrichtet, es ermoeglicht jedoch allen
SchuelerInnen, Unterricht ueber die Konfessionen hinaus in der
jeweiligen Glaubenstradition zu erhalten. Religionsfreiheit wird als das
Recht der/des Einzelnen verstanden, den Glauben zu bekennen und zu leben
und zu einer Religionsgemeinschaft zu gehoeren. Die Rolle des Staates
sei, die Religionsfreiheit zu sichern und entsprechende Bedingungen
dafuer zu schaffen, erklaerte der Erzbischof. 
 
Laut Paarma haben die neuen Gesetze Folgen fuer die Mitgliedschaft der
ELKF, die sich gegenwaertig auf ueber 4,6 Millionen belaeuft, das
entspricht etwa 84 Prozent der finnischen Bevoelkerung. Obwohl es
bereits in der Vergangenheit in Zeiten bedeutender sozialer, politischer
und wirtschaftlicher Veraenderungen spuerbare Einbrueche gegeben habe,
sei der gegenwaertige Rueckgang auffallend, wenn auch nicht hoeher als
in der Rezession der 1990er Jahre.
 
Bedingungen fuer Kirchenaustritt gelockert

Dem Jahresbericht der ELKF fuer 2004 zufolge gab es zwischen den Jahren
1923 und 2003, in denen je ein Gesetz zur Religionsfreiheit erlassen
wurde, etliche Austrittswellen. Die erste folgte auf die Einfuehrung des
Gesetzes 1923, als insbesondere Mitglieder religioeser Minderheiten aus
der lutherischen Kirche austraten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die
Zahl der Austrittswilligen infolge der starken Ablehnung der Kirche, vor
allem durch die Arbeiterbewegung, erneut zu. Anfang der 1960er Jahre,
als die Erhebung der Kirchensteuer von den Kirchengemeinden an den Staat
ueberging, begann die Zahl der Austritte abzunehmen. 1984 bewirkte die
Entscheidung der finnischen Generalsynode, die Frauenordination
abzulehnen, erneut eine Austrittswelle; zwei Jahre spaeter wurde die
Entscheidung rueckgaengig gemacht. Am Ende der 1980er Jahre war die
Anzahl der Kircheneintritte und -austritte weitgehend ausgeglichen. 2003
traten 27.000 Mitglieder aus der ELKF aus, gleichzeitig kamen etwa
10.000 neue Mitglieder hinzu. Der Bericht stellt fest, dass die Zahl der
Austritte 2003 im Vergleich zum Vorjahr um ueber 10.000 angestiegen ist.

 
Das neue Religionsgesetz erleichtere den Austritt aus der Kirche,
erklaerte Erzbischof Paarma. Menschen, die ihre Zugehoerigkeit zu einer
Glaubensgemeinschaft beenden wollen, seien nicht mehr an monatelange
Fristen gebunden. Der Austrittsantrag muesse auch nicht mehr persoenlich
abgegeben werden.
 
Unzufriedenheit ueber neue Friedhofs- und Bestattungsordnung

Ein weiterer Grund fuer den Austritt aus der lutherischen Kirche sei
die neue Friedhofs- und Bestattungsordnung, so Paarma. Nach dem seit
Januar 2004 geltenden Gesetz gehoeren lutherische Friedhoefe nun zu den
oeffentlichen Begraebnisstaetten und stehen auch Menschen ohne
Kirchenzugehoerigkeit offen. Deshalb sind die Grabgebuehren fuer
Mitglieder der ELKF nicht mehr guenstiger als fuer Nichtmitglieder und
die Bestattungskosten sind fuer alle FinnInnen gleich. "Viele
Kirchenmitglieder sind enttaeuscht, weil sie ein Leben lang
Kirchensteuer gezahlt haben und nun diejenigen, die nie etwas eingezahlt
haben, Grabstaette und Bestattung zum gleichen Preis erhalten." Der
Staat subventioniere jedoch solche Leistungen, "deshalb koennen wir
nicht sagen, es sei nicht gerecht. Aber manche Gemeindemitglieder haben
das Gefuehl, uebervorteilt worden zu sein." 
 
Der kirchliche Mitgliedsbeitrag wird als Steuer eingezogen und betraegt
je nach Kirchengemeinde zwischen ein und 2,23 Prozent. In dem
diesjaehrigen Bericht der ELKF wird unter Berufung auf oertliche
Umfragen angegeben, dass die Moeglichkeit, Kinder taufen zu lassen,
kirchlich getraut zu werden und eine kirchliche Beerdigung zu erhalten,
fuer 80 bis 90 Prozent der FinnInnen zu den Hauptgruenden gehoert,
Mitglied der Kirche zu sein. 
 
Engagement der ELKF fuer die lutherische Gemeinschaft und fuer
oekumenische Offenheit

Paarma bezog sich auch auf die Mitgliedschaft der ELKF in der
weltweiten lutherischen Gemeinschaft und auf das oekumenische Engagement
seiner Kirche. Er wies darauf hin, dass die finnische Kirche die
drittgroesste Mitgliedskirche des Lutherischen Weltbundes (LWB) sei und
bereits seit dessen Gruendung 1947 zum LWB gehoert. "Wir sind sehr
ueberzeugte LutheranerInnen. Die lutherische Tradition hat in unserem
Land tiefe Wurzeln und so ist es nur natuerlich, dass wir zum LWB
gehoeren und uns aktiv fuer dessen Anliegen einsetzen", hob Paarma
hervor.
 
Ebenso wichtig sei fuer die ELKF die oekumenische Zusammenarbeit in
Finnland und darueber hinaus. Der Erzbischof verwies auf die offenen
oekumenischen Beziehungen der lutherischen Kirche zur orthodoxen Kirche
und zu den Freikirchen in Finnland, sowie den mehr als 30-jaehrigen
Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche zu Lehrfragen. "Fuer uns ist
es wichtig, unsere Wurzeln in der lutherischen Gemeinschaft zu staerken
und gleichzeitig fuer oekumenische Dialoge mit anderen Kirchen offen zu
sein", betonte Erzbischof Paarma. (836 Woerter)
 
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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der weltweit
knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.
 
Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.

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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html 

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz
Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
Tel.: +41-22-791-6353
Fax: +41-22-791-6630	     
E-Mail: dmg@lutheranworld.org 


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