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Damit Energie fliesst - Kirchenzusammenschluesse in Deutschland


From "Frank Imhoff" <frank_imhoff@elca.org>
Date Wed, 30 Jun 2004 06:04:49 -0500

Damit Energie fliesst * Kirchenzusammenschluesse in Deutschland 
Am 1. Juli tritt die "Foederation Evangelischer Kirchen in
Mitteldeutschland" in Kraft 

Weimar (Deutschland)/Genf, 29. Juni 2004 (LWI) - Der deutsche
Protestantismus ist sichtlich in Bewegung geraten. Zu
Jahresbeginn erschien mit der fusionierten "Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz" (EKBO) ein neues
Gebilde auf der Landkarte der protestantischen Landeskirchen,
deren Zahl sich damit um eine auf 23 verringerte. Ein halbes Jahr
spaeter, am 1. Juli, tritt durch den Zusammenschluss der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thueringen mit der
benachbarten Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen die
"Foederation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland" (EKM)
in Kraft. Und auch im Norden Ostdeutschlands, in
Mecklenburg-Vorpommern, gibt es erste Ueberlegungen zu einer
engeren Zusammenarbeit zwischen der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen
Kirche.

Vom Zusammenschluss der lutherischen Kirche in Thueringen mit der
unierten Kirchenprovinz Sachsen sind zwischen Thueringer Wald und
Altmark rund eine Million Kirchenmitglieder betroffen. "Wir
schalten heute die Ueberlandleitungen zusammen", kommentierte
Thueringens Landesbischof Prof. Dr. Christoph Kaehler bei der
Vertragsunterzeichnung am 18. Mai in Erfurt (Deutschland) den
ueber Jahre vorbereiteten Schritt. Damit liess er nicht nur seine
urspruengliche Profession als gelernter Elektromonteur erkennen,
sondern auch das Hauptanliegen der neuen Kirchenstrukturen.
Wichtig sei, "dass Energie fliesst", damit die Qualitaet der
kirchlichen Arbeit in den Gemeinden Thueringens und
Sachsen-Anhalts langfristig gesichert werden kann, so Kaehler. 

Das zielt auf vereinfachte und transparente Strukturen, die
Kraefte buendeln und Doppelarbeit vermeiden. Gemeinsame
kirchliche Einrichtungen und Werke sollen dabei effektive
Dienstleister fuer beide Teilkirchen der kuenftigen Foederation
werden. Gleichwohl war und ist dieser Weg nicht unumstritten.
Anders als in der Kirchenprovinz Sachsen war die Zustimmung der
Landessynode in Thueringen deutlich zurueckhaltender.
Vorangegangen waren kontroverse Diskussionen in den
Kirchenkreisen, von denen einige ausdruecklich gegen eine
Foederation votierten. Sie sehen durch den Zusammenschluss
regionale Eigenheiten gefaehrdet und befuerchten nach den
schmerzhaften Reformen der 1990er Jahre mit Stellenabbau und
Mittelkuerzungen weitere Einschnitte. Dagegen gab es auch
Stimmen, denen eine Foederation als nicht weitreichend genug
erschien und die deshalb eine Fusion forderten. 

Laut Foederationsvertrag sollen noch in diesem Jahr gemeinsame
Gremien und Organe wie Kirchenamt, Kirchenleitung und Synode der
EKM gebildet werden. Die zweite Phase der Foederation beginnt
2008 auf der Grundlage einer neuen Kirchenverfassung und mit
einem gemeinsamen Etat. Ein gemeinsamer Bischofssitz steht jedoch
gegenwaertig nicht auf der Tagesordnung. Beide Teilkirchen
muessten auch weiterhin in den zwei Landeshauptstaedten "in guter
und effektiver Weise praesent sein", hiess es.

Die Impulse fuer den Zusammenschluss waren vielfaeltig. Neben der
sinkenden Finanzkraft in beiden Kirchen durch anhaltenden
Mitgliederschwund war die Thueringer Seite in den 1997 begonnenen
Gespraechen von Anfang an besonders an einer Regelung des
"Erfurt-Problems" interessiert. Dessen Ursachen reichen
letztlich zurueck bis ins 19. Jahrhundert. Als 1802 in den
Napoleonischen Kriegen preussische Truppen in Erfurt
einmarschierten, beendeten sie die jahrhundertelange
Zugehoerigkeit der Stadt zum Kurfuerstentum Mainz. Nach
Aufloesung des Kurmainzischen Staates 1803 fielen noch im

gleichen Jahr Erfurt und die uebrigen mainzischen Gebiete im
heutigen Freistaat Thueringen an die preussische Krone. 

Waehrend die damals entstandenen Grenzen auf der politischen
Landkarte 200 Jahre spaeter laengst obsolet sind, haben sie als
evangelische Kirchengrenzen alle Zeitlaeufe ueberdauert. Somit
gehoeren die Thueringer Landeshauptstadt Erfurt und weitere
Kirchenkreise der "Altpreussischen Union" in Nord- und
Suedthueringen heute zur Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz
Sachsen mit Bischofssitz in Magdeburg. Fuer die uebrigen Regionen
ist die lutherische Kirche in Thueringen mit Sitz in Eisenach
zustaendig. 

Diese Ueberreste vergangener Zeiten fuehren in der Wahrnehmung
der evangelischen Kirchen und bei der Erfuellung ihrer
oeffentlichen Aufgaben im Freistaat zwangslaeufig zu Problemen.
Ganz konkret wird dies bei den erforderlichen regelmaessigen
Kontakten zur Landesregierung etwa bei Fragen der Schul- und
Jugendarbeit oder zur Denkmalpflege. Fuer Erfurt und die anderen
Kirchenkreise auf altpreussischen Gebieten war in solchen und
aehnlichen grundsaetzlichen Fragen bisher formell nicht der
Eisenacher Bischof zustaendig, sondern sein Amtskollege aus
Magdeburg. Nach dem Foederationsvertrag kann nunmehr auch der
Eisenacher Bischof die Kirchenprovinz nach aussen hin vertreten.

Mit der EKM schliessen sich erstmals nach fast drei Jahrzehnten
zwei etwa gleich grosse deutsche Landeskirchen zusammen. Ihre
Zugehoerigkeit zu den unterschiedlichen konfessionellen
Zusammenschluessen innerhalb der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) bleibt davon unberuehrt. Waehrend sich fuer
Thueringen am historisch gewachsenen Charakter einer lutherischen
Landeskirche nichts aendern wird, haelt ihrerseits die
Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen mit ihren rund
533.000 Mitgliedern an den Traditionen als unierte Kirche fest.
Der preussische Koenig Friedrich Wilhelm III. hatte 1817 in
seinem Territorium die kirchliche Vereinigung lutherischer und
reformierter Gemeinden verfuegt, wodurch unierte Kirchen
entstanden, die heute zur Union Evangelischer Kirchen in der EKD
(UEK) gehoeren. Nicht zuletzt deshalb koennte der begonnene
Reformprozess durchaus beispielhaft fuer weitere Veraenderungen
in der evangelischen Kirchenlandschaft Deutschlands sein, betonte
Landesbischof Kaehler, der auch stellvertretender
EKD-Ratsvorsitzender ist. Im Westen Deutschlands habe jedoch die
Diskussion um neue Strukturen zur Existenzsicherung der Kirchen
"bisher noch nicht begonnen", gibt Kaehler zu bedenken. 

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thueringen hat 479.298
Mitglieder und gehoerte 1947 zu den Gruendungsmitgliedern des
Lutherischen Weltbundes. (797 Woerter)

(Ein Beitrag von Thomas Bickelhaupt, Weimar.)

*	*	*

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 136 Mitgliedskirchen, denen rund 62,3 Millionen der
weltweit knapp 66 Millionen LutheranerInnen in 76 Laendern
angehoeren.
Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das
ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat
der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen
Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen
in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und
interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe,
Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als
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herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht
besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB
oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

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