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Chilenische Kirchenpraesidentin lehnt institutionalisierte


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Sun, 19 Dec 2004 16:13:50 -0600

Chilenische Kirchenpraesidentin lehnt institutionalisierte Verantwortung
fuer Folter ab
Bitte um Vergebung kann nicht per Erlass erfolgen

Santiago (Chile)/Genf, 19. Dezember 2004 (LWI) - Die Praesidentin der
Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile (IELCH), Pfarrerin Gloria
Rojas, hat die Tendenz zur Institutionalisierung der Verantwortung fuer
Folterverbrechen, die waehrend der Militaerdiktatur in Chile begangen
wurden, mit Nachdruck kritisiert.

Sie lehne es entschieden ab, "dass Institutionen die Opfer um Vergebung
bitten, denn damit werden diejenigen gedeckt, die fuer die barbarischen
Verbrechen verantwortlich sind", betonte Rojas in einer Erklaerung aus
Anlass des Ende November veroeffentlichten Berichts der Nationalen
Kommission fuer politische Haft und Folter und des oeffentlichen
Bekenntnisses der Armee zu Verbrechen waehrend der Militaerherrschaft
unter General Augusto Pinochet. Der 700-seitige Bericht der Kommission,
die im August 2003 von Praesident Ricardo Lagos eingesetzt worden war,
rekonstruiert die Verbrechen der Militaerjunta, die mit dem Putsch am
11. September 1973 an die Macht kam und bis zum Maerz 1990 das Land
beherrschte. 

Vor der Veroeffentlichung des Berichts erklaerte die chilenische Armee,
sie uebernehme die Verantwortung fuer Menschenrechtsverletzungen, die
waehrend der Militaerherrschaft veruebt worden seien. Diese juengste
Stellungnahme wird als Abkehr von der bisherigen Position der Armee
gesehen, dass einzelne Offiziere fuer die begangenen Unrechtstaten
direkt verantwortlich seien. "Wenn diejenigen, die diese Verbrechen
begangen haben und/oder deren geistige Urheber waren, individuell zur
Rechenschaft gezogen werden, dann kann es moeglich werden, dass
Gerechtigkeit geschieht", betonte Rojas in einer Erklaerung der IELCH
vom 3. Dezember.

Nahezu 30.000 chilenische DissidentInnen wurden gefoltert

Der Bericht stellt die erste umfassende Untersuchung der waehrend der
Militaerherrschaft begangenen Folterverbrechen dar. Es wird davon
ausgegangen, dass nahezu 30.000 chilenische DissidentInnen gefoltert und
mindestens 3.000 Menschen ermorden wurden. Fruehere Berichte hatten sich
jeweils auf die Todesopfer konzentriert.

Der Bericht enthaelt Zeugnisse von mehr als 35.000 Menschen - Kindern,
Frauen und Maennern, die in Chile und im Ausland leben und unter der
Militaerdiktatur Folter und Missbrauch erlitten haben. Von allen
eingegangenen ZeugInnenaussagen wurden 28.000 von der Kommission als
gueltiges Beweismaterial angenommen. Sie wurden als Opfer anerkannt und
sollen zukuenftig eine Rente von 160 Euro monatlich erhalten, sowie
Gratis-Krankenhausbehandlung und -Studium. Die Pruefung von weiteren
7.000 Aussagen, die nicht die von der Kommission geforderten strengen
Kriterien erfuellen, steht noch aus. 

"Wenn ich hoere oder lese, wie darueber diskutiert wird, wer in welchen
Faellen um Vergebung bitten sollte, dann bekomme ich das Gefuehl, dass
die Bitte um Vergebung nicht per Erlass erfolgen kann. Die Bitte um
Vergebung kann nicht organisiert, nicht erklaert werden, sie muss im
Menschen wachsen, wenn er darueber nachdenkt, was er getan hat",
erklaerte Rojas.

Die Wahrheit wird ans Licht kommen

Die chilenische Kirchenpraesidentin betonte: "Die Geschichte eines
Volkes kann nicht verheimlicht werden. Was in den letzten Stunden
oeffentlich gemacht worden ist, beweist das. Es koennen Jahre vergehen,
aber die Wahrheit wird auf die eine oder andere Weise ans Licht kommen."

In ihrer Erklaerung erinnerte die Praesidentin der IELCH an die
schmerzlichen Erfahrungen, die ihre Kirche mit dem Eintreten fuer
Gerechtigkeit gemacht habe. "Damals richtete der lutherische Bischof
Helmut Frenz zusammen mit anderen Pfarrern und Pfarrerinnen, Laien und
kirchlichen Verantwortlichen ein sogenanntes Komitee fuer den Frieden
ein, um die Zeugnisse und die Hilferufe derer entgegenzunehmen, die den
grausamen Angriffen des Boesen ausgesetzt waren".

Dieses offene Eintreten fuer die Menschenrechte, so Rojas, habe zu einer
Spaltung in der IELCH gefuehrt. Es habe aber auch das Erscheinungsbild
der Kirche beeinflusst und sie zu dem gemacht, was sie heute sei - "eine
prophetische Stimme, die das Wort Gottes verkuendet und alles, was gegen
(Gottes) Willen verstoesst, verurteilt".

Die chilenische Kirchenpraesidentin schloss in ihre Erklaerung ein
Adventsgebet fuer den Frieden ein, damit Gerechtigkeit und Wahrheit
siegen koennten.

Die IELCH hat 3.000 Mitglieder und gehoert seit 1955 zum Lutherischen
Weltbund (LWB). Ein Teil der IELCH erklaerte sich solidarisch mit den
Gefolterten, Ermordeten und Entfuehrten des Regimes. Der groessere Teil
verliess jedoch die Kirche und bildete neu die Lutherische Kirche in
Chile (ILCH) mit heute rund 12.000 Mitgliedern. Seit 1991 ist sie
Mitglied des LWB. (648 Woerter)

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 138 Mitgliedskirchen, denen rund 65 Millionen LutheranerInnen
in 77 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
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