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Feature: Israelische Trennmauer behindert die Arbeit des


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Mon, 20 Dec 2004 12:31:46 -0600

Feature: Israelische Trennmauer behindert die Arbeit des Auguste
Victoria-Krankenhauses
Nasser: Das AVK ist wie eine Klammer zwischen PalaestinenserInnen und
Israelis 

Jerusalem/Genf, 20. Dezember 2004 (LWI) - Dr. Tawfiq Nasser steht oben
auf dem Oelberg in Ost-Jerusalem und zeigt auf die weite Landschaft
unter ihm. Er weist auf die lang gestreckte Mauer, die sich rund um
Jerusalem bis weit hinein in den Norden Israels und des Westjordanlandes
zieht. Von hier oben, vom Auguste Victoria-Krankenhaus (AVK) aus, in dem
Nasser Leitender Direktor (Chief Executive Officer, CEO) ist, sieht die
gewaltige Mauer fast harmlos aus. Wie ein Band zieht sie sich durch das
huegelige Land, mal deutlicher sichtbar mal weniger. Doch Nasser spuert
schon am eigenen Leib, welche Gefahren diese Mauer mit sich bringt. Sein
Wohnort liegt jenseits der Trennmauer. Immer wenn ein Anschlag veruebt
wurde oder die israelische Armee aus anderen Gruenden die Checkpoints
geschlossen hat, ist Nasser von zu Hause abgeschnitten. Deshalb hat er
immer einen kleinen Koffer mit Kleidern in seinem Buero stehen. 

Aber nicht nur er ist betroffen. Die Existenz des ganzen Krankenhauses
stehe auf dem Spiel, so der Leitende Direktor des AVK, das seit 1950 vom
Lutherischen Weltbund (LWB) verwaltet wird und eines der Projekte im
Rahmen des Jerusalemer Programms der LWB-Abteilung fuer Weltdienst (AWD)
ist. Rund 75 Prozent der PatientInnen des Krankenhauses kommen aus dem
Westjordanland beziehungsweise dem Gazastreifen. Sind die Checkpoints
geschlossen, erreichen sie das Krankenhaus nicht mehr. Besonders prekaer
wird dies, wenn es um Dialyse-PatientInnen geht. Das AVK verfuegt ueber
das einzige Kinderdialyse-Zentrum fuer das Westjordanland.

Der achtjaehrige Rafi wartet auf eine Spenderniere

So kann etwa der kleine achtjaehrige Rafi nicht mehr dreimal pro Woche
zur Dialyse ins Krankenhaus kommen, sondern muss jetzt permanent
stationaer dableiben. Rafi ist so etwas wie der Lieblingspatient der
Schwestern und AerztInnen. Sein Platz am Dialyse-Geraet ist mit
zahlreichen Kinderzeichnungen geschmueckt. Und die anderen PatientInnen
in dem grossen hellen Dialyse-Raum des AVK an den drei weiteren
Blutreinigungsgeraeten moegen ihn. Er hat immer ein Lachen auf den
Lippen, und seine gute Laune und Heiterkeit stecken auch die anderen
Kinder an. Und - Rafi hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Er ist fest
davon ueberzeugt, dass er bald eine Spenderniere erhaelt, dass er dann
ganz normal zu Hause leben und sogar in die Schule gehen kann. Doch
derzeit leidet er unter dem Umstand, dass er Mutter, Vater und
Geschwister kaum noch sieht. Nazareth, von wo er herkommt, ist zu weit
weg, um ihn taeglich zu besuchen, und die Mauer verhindert einen offenen
Besuchsverkehr fast vollstaendig.

"Wie soll ich heilen angesichts einer solch heillosen Sache wie der
Mauer", fuegt Tawfiq Nasser bitter an. Aber der Arzt und Musiker, der im
August 1964 in dem Zimmer dieses Krankenhauses geboren wurde, in dem
sich jetzt sein Buero befindet, ist auch ein begnadetes
Organisationstalent und einer, der die Hoffnung nie aufgibt. Nasser
plant jetzt zusammen mit anderen eine Bustour. So sollen die
PatientInnen taeglich eingesammelt, durch den einzig moeglichen
Durchgang durch die Trennmauer geschleust, und zum Krankenhaus gebracht
werden. Ausserdem soll die Praesenz des Krankenhauses durch den Einsatz
mobiler Kliniken in den palaestinensischen Gebieten des Westjordanlandes
verstaerkt werden. So soll es moeglich sein, dass der Anspruch des
Krankenhauses, naemlich fuer die Aermsten der Armen da zu sein und
gleichzeitig optimale Hilfe zu leisten, erfuellt werden. 

AVK hat modernste Strahlenabteilung seiner Art in Israel

Das AVK bietet als Allgemeinkrankenhaus allen Beduerftigen medizinische
Betreuung an, gleich welcher Religion oder Herkunft. In wachsender Zahl
nehmen PatientInnen Dienstleistungen des AVK in Anspruch, die im
Westjordanland und im Gazastreifen nicht zur Verfuegung stehen; dazu
gehoeren neben der Kinderdialyse, Hals-, Nasen- und Ohrenchirurgie
insbesondere fuer Kinder, gastroenterologische Behandlungen und
Kinderneurologie. Weiterhin betreibt das AVK das einzige
Strahlenbehandlungszentrum fuer Krebskranke im Westjordanland und im
Gazastreifen. Nasser zeigt gern und stolz das neue Bestrahlungszentrum
im Untergeschoss des Krankenhauses, das mit internationaler Hilfe gebaut
werden konnte. Es soll die modernste Strahlenabteilung seiner Art in
Israel sein.

Und weil er auch diese neue Behandlungsmethode moeglichst vielen
Menschen zur Verfuegung stellen will, kaempft Nasser an allen Fronten
gegen die Mauer und andere Ungerechtigkeiten. So etwa das Vorhaben der
israelischen Behoerden, das Krankenhaus mit einer so genannten
Arbeitgebersteuer zu belasten, obwohl die urspruenglich im Jahr 1966
zwischen LWB und dem Haschemitischen Koenigreich Jordanien getroffene
Regelung zur Steuerbefreiung nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 vom Staat
Israel uebernommen wurde. Die durch eine Arbeitgebersteuer entstehenden
Kosten fuer das Krankenhaus belaufen sich auf schaetzungsweise 350.000
US-Dollar pro Jahr, das entspraeche 13 Prozent der operationellen Kosten
des Krankenhauses insgesamt. Wuerde dies Wirklichkeit, so waere es das
finanzielle Ende der Klinik, betonte Nasser. Dies wuerde die
Gesundheitsversorgung Tausender PalaestinenserInnen gefaehrden. 

Das AVK habe eine hohen Symbolcharakter im Zusammenleben von
PalaestinenserInnen und Israelis in Jerusalem, ist sich Tawfiq Nasser
sicher. "Das Krankenhaus", so der Leitende AVK-Direktor, "ist ein
bisschen wie eine Klammer zwischen den beiden Volksgruppen, und die
wollen wir erhalten." (794 Woerter)

(Ein Beitrag von Klaus Rieth, Stuttgart.) 

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen
Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung 2003
"Zur Heilung der Welt". Die Serie beleuchtet die Relevanz des
Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen
Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt Projekte
der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter Bedrohung. Auch
nach Abschluss der Zehnten Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli
2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das
Vollversammlungsthema einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.

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