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FEATURE: "Wenn Frieden ist, gehen wir wieder zur Schule" -


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Sun, 17 Apr 2005 18:31:34 -0500

FEATURE: "Wenn Frieden ist, gehen wir wieder zur Schule" - "Aber wann
ist das?"
Suedsudan: Leitende ReligionsvertreterInnen fordern Befriedigung der
Grundbeduerfnisse

Rumbek (Suedsudan)/Genf, 17. April 2005 (LWI) - Wenn die bruetend heisse
Mittagssonne auf Rumbek im Suedsudan herunterbrennt, dann trifft sie
auch die siebenjaehrige Ayen Chol, die oft direkt neben den Ruinen
zerstoerter Haeuser Wasser aus einem Brunnen schoepft.

Seit im Januar 2005 im benachbarten Kenia ein umfassendes
Friedensabkommen zwischen der sudanesischen Regierung und der
Rebellenorganisation SPLM/A (Sudanese People's Liberation Movement/Army)
abgeschlossen wurde, koennen die Kinder in Rumbek wieder frei draussen
herumlaufen und spielen. Es besteht Hoffnung, dass die nach fast
dreijaehrigen Verhandlungen erzielten Vereinbarungen diesen seit ueber
zwei Jahrzehnten andauernden Krieg beenden koennten.

"Frieden ist gut", meint Chol, die ueber einen Dolmetscher mit uns
spricht, waehrend andere Kinder und Frauen am Brunnen stehen und
zuschauen. "Dann koennen wir wieder in die Schule gehen. Wir bekommen
wieder Kleider und Buecher und haben genug zu essen."

Chol wurde waehrend des Kriegs geboren und wuchs in einer Zeit auf, in
der sich SoldatInnen beider Seiten bekaempften und die Bevoelkerung zur
Flucht zwangen. Auf die neuen Entwicklungen reagiert sie mit Optimismus,
genau wie Rebecca Ajok, eine vierfache Mutter, die die 21 Kriegsjahre
ueberlebt hat.

Ajok freut sich, dass die Regierungsflugzeuge keine Bomben mehr
abwerfen. Sie hofft, dass sie einen kleinen Betrieb eroeffnen und ohne
Angst in die Kirche gehen kann, zusammen mit ihrem Mann, der sich gerade
erst in einen Kurs fuer Erwachsenenbildung eingeschrieben hat.

"Schauen Sie nur, was wir mitgemacht haben. Es war schwer, waehrend
dieses Krieges ueberhaupt noch irgendetwas zu tun", erzaehlt sie und
zeigt auf das, was von der ehemaligen Residenz des anglikanischen
Bischofs von Rumbek uebrig geblieben ist. Nach den massiven
Bombenangriffen, die die sudanesischen Regierungsstreitkraefte in der
Vergangenheit auf Rumbek geflogen haben, stehen nur noch die
Aussenmauern des Gebaeudes.

Die Erwartungen der Bevoelkerung, die mit der Unterzeichnung des
Friedensabkommens gewachsen sind, uebersteigen die knappen Ressourcen,
die dem Sudan zur Verfuegung stehen.

In den Staedten im Umfeld von Rumbek, die ein Team leitender
ReligionsvertreterInnen aus Kenia, Senegal, Tansania, Uganda und dem
Sued- und Nordsudan vom 14. bis 19. Maerz besucht hat, bringen oertliche
Gemeinschaften, KirchenleiterInnen und VertreterInnen der SPLM/A ihre
Enttaeuschung zum Ausdruck, die sie in ihren Bemuehungen, den durch das
Friedensabkommen entstandenen neuen Herausforderungen aktiv zu begegnen,
immer wieder erleben.

"Wir sind diesen Menschen begegnet und haben ihnen zugehoert. Die
Beduerfnisse der Bevoelkerung sind unendlich gross. Die Hilfe muss bald
kommen", erklaert Pfr. Mcleord Baker Ochola II. Der emeritierte
anglikanische Bischof von Kitgum in Norduganda leitete die Delegation
der Interreligioesen Initiative fuer Frieden in Afrika (IFAPA) auf ihrem
Solidaritaetsbesuch im Sudan.

Der IFAPA-Prozess wurde 2002 vom Lutherischen Weltbund (LWB) initiiert
und verfolgt das Ziel, leitende religioese Persoenlichkeiten aus ganz
Afrika aktiv an den Bemuehungen um Konfliktloesung und Friedensschaffung
auf dem Kontinent zu beteiligen. Das IFAPA-Sekretariat hat seinen Sitz
in Nairobi (Kenia) und entstand in der Folge des Ersten Interreligioesen
Friedensgipfels in Afrika, der im Oktober 2002 in Johannesburg
(Suedafrika) stattfand. Gemaess dem in Johannesburg angenommenen
Aktionsplan organisierte das IFAPA-Sekretariat auch Delegationsreisen in
die Demokratische Republik Kongo und nach Liberia.

Die Erwartungen der Menschen im Suedsudan, so erfuhr die Delegation,
reichen von der Befriedigung der Grundbeduerfnisse, wie Nahrungsmittel,
Wasser und Kleidung, bis zum Aufbau der Infrastruktur, einschliesslich
Strassen und Schulen. Einige VertreterInnen von
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) warnen bereits davor, dass diese
Erwartungen leicht in Enttaeuschung umschlagen koennten, sollten die
zurueckkehrenden Fluechtlinge und Binnenvertriebenen feststellen, dass
noch keine humanitaeren Hilfsprogramme angelaufen sind.

"Dies koennte zu einem Stimmungswechsel gegen den Frieden fuehren. Wenn
diese Menschen zuhause keine Perspektive haben, dann koennten sie
bedauern, zurueckgekommen zu sein", erklaert Taban Emmanuel,
Programmmitarbeiter der Catholic Relief Services in Rumbek.

Mehr Beduerfnisse als verfuegbare Mittel

Nach eigenen Angaben benoetigt der Suedsudan fuer die Befriedigung der
unmittelbaren humanitaeren Beduerfnisse circa 500 Millionen US-Dollar
(USD), aber bis Anfang Maerz waren erst 24 Millionen USD eingegangen.

Schaetzungen zufolge hat der Krieg im Sudan zwei Millionen Menschen das
Leben gekostet. Humanitaere Organisationen gehen davon aus, dass vier
Millionen SudanesInnen zu Binnenvertriebenen bzw. gezwungen wurden, das
Land zu verlassen. Mary Biba, Leiterin des Bezirks Yambo im Sueden des
Landes, erklaert, dass einige der zurueckkehrenden Fluechtlinge ihre
Kinder durch Krankheiten verloren haben.

"Wir haben versucht zu helfen, wo wir konnten, aber da wir nur ueber
begrenzte Mittel verfuegen, konnten wir nichts anderes tun, als dieses
Leid mit anzusehen. Das war nicht leicht", fuegt sie hinzu.

Am 9. Maerz haben die sudanesische Regierung und die SPLM/A einen
Aufbau- und Entwicklungsplan ueber nachhaltigen Frieden, Entwicklung und
Armutsbeseitigung veroeffentlicht. Dieser Plan basiert auf den
Ergebnissen der Gemeinsamen Bewertungsmission der UNO und der Weltbank,
die 7,8 Milliarden USD fuer die Finanzierung der ersten Stufe eines
Aufbau- und Entwicklungsplans fuer den Sudan nach dem Krieg veranschlagt
hat. Nach diesem Plan soll die internationale Gemeinschaft ersucht
werden, circa ein Drittel der insgesamt benoetigten Mittel
bereitzustellen. Die sudanesischen Verhandlungsparteien gaben an, dass
der groesste Teil des Eigenbeitrags aus inlaendischen Erdoelertraegen
stammen wird, aber einige leitende Vertreter des Suedens lehnten diesen
Vorschlag ab.

"Die Gelder koennen nicht nur aus den Erdoelgewinnen kommen, weil unsere
Beduerfnisse groesser sind als das, was das Oel hergibt", erklaert Kauc
Nak, Leiter des Bezirks Rumbek.

Laut Verwaltungskreisen des Suedens gibt es eine akute Knappheit an
Medikamenten, Wasser und Nahrungsmitteln. Die Lage in den Schulen sei
prekaer, da die SchuelerInnen jetzt, wo Frieden ist, aller Voraussicht
nach wieder in Scharen zur Schule gehen werden.

Sind Schulen unter Baeumen die beste Loesung?

"Das Gute ist, dass diese Schulen unter Baeumen sind, daher koennen sie
moeglichst viele Kinder aufnehmen." Aber "ist das wirklich das Beste?",
fragt Nak.

Muyek Makoi, Lehrer an der weiterfuehrenden Schule in Rumbek, macht sich
dazu seine eigenen Gedanken. "Hier ist es normalerweise sehr windig und
Sie werden sich vorstellen koennen, wie sehr die Kinder darunter
leiden", sagt er.

Nak wird kategorisch: der Suedsudan koenne ueber Entwicklung nicht
einmal reden, bevor er nicht die dringendsten Beduerfnisse der Menschen
erfuellt habe. "Hier geht es um die Bereitstellung des Notwendigsten.
Uns fehlt es an allem. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass
irgendjemand beschliessen wuerde, Krieg zu fuehren", meint er.

Nach Angaben der Kommunalverwaltung ist jeder dritte Fall, der im
Krankenhaus in Rumbek wegen Verletzungen behandelt wird, auf
gewalttaetige Auseinandersetzungen um Wasser zurueckzufuehren.

Im Sudan betraegt die Lebenserwartung nur 42 Jahre, nur ein Viertel der
Bevoelkerung kann lesen und schreiben. Die BewohnerInnen des Suedsudan
berichten den BesucherInnen, dass sie der Welt erzaehlen sollen, "dass
eure Brueder und Schwestern im Sudan leiden und eure Hilfe brauchen".
(1.066 Woerter)

(Ein Bericht des in Nairobi ansaessigen Journalisten Fredrick Nzwili,
der die IFAPA-Delegation in den Suedsudan begleitete.)

* * *

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