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Adventisten und Nationalsozialismus


From Christian B. Schäffler (APD Schweiz)
Date Sun, 15 May 2005 11:15:07 +0200

15. Mai 2005
Adventistischer Pressedienst (APD)
Christian B. Schaeffler, Chefredakteur
Fax +41-61-261 61 18
APD@stanet.ch
http://www.stanet.ch/APD
CH-4003 Basel, Schweiz

Adventisten und Nationalsozialismus

Lueneburg/Deutschland/APD Keine christliche Religionsgemeinschaft,
mit Ausnahme der Zeugen Jehovas, sei zu Beginn des Dritten Reiches
derart massiv bedroht worden, wie die Siebenten-Tags-Adventisten,
stellte der Leiter des Historischen Archivs der Freikirche, Dr.
Daniel Heinz (Friedensau bei Mageburg), in seinem Artikel
"Adventisten und Nationalsozialismus" in der Mai-Ausgabe der
Zeitschrift "Adventecho" fest. 1932 schrieb der adventistische
Pastor Max Busch in der Zeitschrift "Kirche und Staat": "Nicht
die Zugehoerigkeit zur Rasse, sondern die Erneuerung durch Christus
macht aus uns Menschen. " Die Kritik an der Rassenideologie des
Nationalsozialismus habe laut Heinz die NS-Behörden derart empoert,
dass die Freikirche 1933 das Erscheinen der Zeitschrift einstellen
musste. Am 26. November 1933 verbot die Gestapo in Preussen, Hessen
und in anderen Gebieten des Reiches die Glaubensgemeinschaft. Zwar
sei das Verbot nach zehn Tagen wieder aufgehoben worden, doch haette
die Angst vor weiteren Repressionen die adventistische Kirchenleitung
"gefuegig" gemacht. Deren damaliger Leiter der deutschen Adventisten,
Pastor Adolf Minck, schrieb rueckblickend: "Das Damoklesschwert des
Verbots schwebte über uns in all diesen Jahren". Tatsaechlich kam es
auch spaeter zu weiteren regionalen Versammlungsverboten, vor allem
in den Rand- und Grenzgebieten des Reiches. Die genauen Gruende,
die zum Verbot von 1933 fuehrten, seien, so Heinz, bis heute
ungeklaert.

Nach Aufhebung des Verbotes richtete die adventistische
Kirchenleitung und an die Gestapo, um der "Wiederholung eines solchen
Verbotes vorzubeugen". "Die Gemeindefuehrer wollten fortan nicht durch
nonkonformes Verhalten die Existenz der Gemeindeorganisation gefaehrden
und waren nun bereit, aus Vorsicht und Angst, kaum aus Ueberzeugung,
sich in einer Art ?ueberlebensstrategie? dem Staat und seiner
Ideologie
anzupassen", schreibt Heinz. Die rege Wohlfahrtsarbeit haette zur
buergerlichen Pflicht gehoert und habe als Beweis fuer patriotische
Zuverlaessigkeit gegolten. Offizielle Publikationen der Freikirche
seien genutzt worden, um staatsbuergerliches Wohlverhalten zu
demonstrieren. "So finden sich ab 1934 in adventistischen Zeitschriften
auch Aussagen, die sehr deutlich nazistisches und antisemitisches
Gedankengut reflektieren. "Die tatsaechliche Haltung der Mitglieder,
welche die Mehrheit des "Kirchenvolkes" bildeten, haetten in den
Publikationen keinen Niederschlag gefunden. Heinz geht aufgrund der
Befragung von Zeitzeugen davon aus, dass die Mehrzahl der Adventisten
im Dritten Reich, "zu keinem Zeitpunkt die nationalsozialistische
Gewaltherrschaft mitgetragen hat".

Richtig sei aber auch, dass viele Adventisten nicht den Mut gefunden
haetten, gegen den Strom zu schwimmen und sich oeffentlich ueber den
gott-
und menschenverachtenden Ungeist der Diktatur zu empoeren. Zu schnell
sei
man der Versuchung der Anpassung, des Wegschauens und des Schweigens
erlegen. Nur wenige Adventisten haetten den Mut zur Opposition gehabt.
Doch es habe sie gegeben: "Judenhelfer und Judenretter, solche, die
das antichristliche System durchschauten und nicht schwiegen, den
Hitler-Gruss ablehnten, die Arbeit am Sabbat unter Lebensbedrohung
niederlegten oder sogar den Waffendienst verweigerten. "Ihr
persoenlicher
Weg in den Widerstand sei einsam gewesen, denn sie haetten nicht mit dem

Rueckhalt ihrer Kirchenleitung rechnen koennen. "Standhaft blieben sie
ihrer Glaubensueberzeugung treu, ohne an einem politischen Umsturz
mitzuwirken. Einige von ihnen starben als Maertyrer." Bislang habe die
Freikirche das geistliche Erbe ihrer Blutzeugen im Gegensatz zu anderen
Kirchen noch nicht gewuerdigt, bemaengelt Heinz. Sehr oft seien nicht
einmal ihre Namen bekannt. "Sie sind bis heute 'Fremde' in der eigenen
Kirche geblieben, die in der politischen Anpassung ihre einzige
Ueberlebenschance sah."

Wenn heute die junge Generation ihre Vaeter und Grossvaeter,
ihre Muetter und Grossmuetter anklagten, warum sie sich damals so an
das herrschende System angepasst haetten, vergaesse sie dabei, wie
leicht es sei, im Ruekblick und aus einer gesicherten Position
heraus diese Frage zu stellen, gab Heinz zu bedenken. Die Anpassung
an den "Geist der Epoche" - damals durch Zwang, Gewalt und offene
Konfrontation, heute aus Traegheit, pluralistischer Vorliebe und
verdeckte Infiltration - stelle weiterhin eine grosse Herausforderung
für die christliche Gemeinde dar. Deshalb gelte es, aus der
Geschichte zu lernen.


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