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FEATURE: 'Litauen fuehlte sich nie abgeschnitten von Europa'


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Mon, 30 May 2005 13:23:41 -0500

FEATURE: 'Litauen fuehlte sich nie abgeschnitten von Europa'
Bischof Sabutis: Herausfordernde Situation fuer lutherische Kirche nach
EU-Beitritt

Genf, 30. Mai 2005 (LWI) - Seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" Anfang
der 1990er Jahre und der daraus folgenden Entstehung neuer unabhaengiger
Staaten gab es eine Reihe bedeutender politischer Veraenderungen in
Europa. Einer der Hoehepunkte dieser Entwicklung war der Beitritt
Litauens sowie neun weiterer mittel- und osteuropaeischer Laender am 1.
Mai 2004 zur Europaeischen Union (EU), die 1993 mit dem Ziel gegruendet
wurde, die politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit zu
verstaerken.

Die Erwartungen der litauischen Bevoelkerung seien hoch gewesen und
diese neue politische Lage habe auch neue Herausforderungen fuer die
Kirchen mit sich gebracht, so Bischof Mindaugas Sabutis von der
Evangelisch-Lutherischen Kirche Litauens (ELKL). Er teilt die
Begeisterung seines Landes ueber die Mitgliedschaft in der EU,
insbesondere in der Erwartung wirtschaftlicher und sozialer
Veraenderungen. Sabutis gibt jedoch auch zu bedenken, dass echte
Veraenderungen einige Zeit brauchen werden. Wichtig sei, dass sich
"Litauen nie von Europa abgeschnitten fuehlte. Wir sahen uns immer als
Teil Europas", so der 29-Jaehrige, der im April 2004 zum Bischof der
ELKL gewaehlt wurde.

Im Gespraech mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) berichtete
Sabutis ueber die neue Situation, in der sich die litauische Kirche
jetzt vorfindet. "Irgendwie sind wir von einer saekularen Welt, dem
[frueheren] Sowjetregime, in eine andere geraten, naemlich die EU. Das
stellt die Kirche vor eine gewaltige Herausforderung: Wie koennen wir
den Menschen am besten das Evangelium nahe bringen?"

Kirchliche Identitaet in einem veraenderten Umfeld

Die Menschen in Litauen seien recht offen fuer synkretistisches
Gedankengut und bereit, neue Ideen zu akzeptieren, so Sabutis. Sie seien
offen fuer das Evangelium, naehmen aber gleichzeitig Spiritismus oder
Okkultismus an und neigten dazu, alles zu vermischen. Sabutis sieht dies
als Ergebnis des Sowjetregimes, wo klar gewesen sei, was verboten und
was erlaubt war. In dieser Zeit sei die Kirche hauptsaechlich damit
beschaeftigt gewesen, ihre Identitaet zu bewahren und zu verteidigen.
Heute stehe sie dem gleichen Problem gegenueber, jedoch in einem voellig
veraenderten Umfeld. "Wir leben jetzt in einer Gesellschaft, die offen
fuer Dialoge ist, doch zuallererst muessen wir lernen, was Offenheit
bedeutet", sagte der litauische Bischof.

Die EU-Mitgliedschaft habe Litauen geholfen, sich von kollektiver
Verantwortung - wie in der Sowjetunion gefoerdert - zu individueller
Verantwortung zu entwickeln. Doch diese Errungenschaften haetten auch
einige negative Nebeneffekte. Mit dem Recht der Freizuegigkeit ergriffen
die Menschen viele neue Moeglichkeiten, Arbeit und Studium im Ausland
eingeschlossen, weil gerade die Arbeitslosigkeit in Litauen ein ernstes
Problem darstelle. Das Land habe bis heute etwa zehn Prozent seiner
Bevoelkerung durch Auswanderung verloren, was sich natuerlich auf die
Kirchen auswirke.

Sabutis beschreibt dieses soziale Problem als "Tragoedie", doch er ist
zuversichtlich, dass der Trend aufgehalten werden koenne. Er
befuerwortet daher, dass die Kirchen aktiv Menschen, insbesondere
Jugendliche, ins Gemeindeleben einbinden und die zu erreichen versuchen,
die noch keine Verbindung zur Kirche haben. Als Beispiel, wie beide
Seiten - Gemeinden und Jugendliche - von einer solchen Einbindung
profitieren koennten, nennt er eine Gemeinde in Kendainiai in
Zentrallitauen. Eine Gruppe "Punks", die vorher "auf dem Kirchengelaende
herumhing", habe nach ihrer Integration das Gemeindeleben bedeutend
belebt. Mit ihrer Hilfe sei das Kirchengebaeude renoviert worden und die
Zahl der Gemeindeglieder habe sich seither mehr als verdoppelt. Und nun
haetten die jungen Leute einen Chor und eine Band gegruendet, so der
Bischof.

Staerkere Betonung der Jugendarbeit

Obwohl seine Kirche die Jugendarbeit staerken wolle, ist Sabutis kein
Anhaenger der verbreiteten Ansicht: "Die Jugend ist die Zukunft der
Kirche". Er moechte die Gemeinden nicht in jung und alt unterteilt
wissen. "Wir muessen uns die Gegenwart anschauen und die Menschen sehen,
die heute Jesus Christus loben. Die Gemeinde ist wie eine Familie mit
Menschen jeden Alters, Grosseltern als auch Enkelkindern, die gemeinsam
am selben Tisch sitzen. Sie moegen verschiedene Interessen haben, doch
das Wichtigste haben sie gemeinsam, sie gehoeren zur selben Familie!"

Der ELKL-Bischof hat fuer seine Kirche ambitionierte Projekte bereit.
Er erwaehnt das Kommunikationszentrum "Kelias", das 1992 gegruendet
wurde und jetzt auf dem Gebiet der Publizistik und Multimedia-Ausbildung
arbeitet. Ebenso konzentriert sich das Zentrum auf die diakonische
Arbeit und betrachtet Multimedia als Moeglichkeit der
Identitaetsbildung. Ein anderes Projekt ist die neu gegruendete
Kirchenzeitung, die monatlich erscheint.

Neuer Fonds zur finanziellen Absicherung der Pfarrer
Die finanzielle Lage der litauischen Pfarrer beschreibt Sabutis als
schwierig. Da es fuer kirchliche Dienste keine staatliche Unterstuetzung
gebe, seien sie finanziell von den Spenden ihrer Gemeinden abhaengig. Es
gebe insgesamt 18 Pfarrer, die sich um 54 Gemeinden kuemmerten, doch nur
vier dieser Gemeinden koennten ihren Pfarrer auch voll bezahlen. Die
anderen muessten oft mit weniger als dem Mindestlohn in Litauen
auskommen, der etwa 180 Euro betraegt. "Im Durchschnitt muessen unsere
Pfarrer von 70 bis 100 Euro leben", erklaerte der Bischof. Die Kirche
habe nun einen neuen Fonds gegruendet, zu dem die Kirchenmitglieder
durch eine Art Kirchensteuer beitragen. Doch es werde noch Jahre dauern,
bis der Fonds tatsaechlich Wirkung zeige, da die Pfarrer nur aus den
Zinsertraegen bezahlt werden sollen.

Finanzielle Unterstuetzung kommt immer noch von bilateralen Partnern
und Bischof Sabutis hofft, dass diese fruchtbaren Beziehungen zu anderen
Kirchen, hauptsaechlich in Europa und den USA, sowie zu
Partnerorganisationen fortgesetzt werden koennen. Er ist dankbar fuer
die Unterstuetzung bei der Wiederherstellung der Kirchengebaeude und
kirchlichen Strukturen. "Unsere Partner haben uns ihr Geld und ihr Gebet
angeboten. Das war ein grossartiges Beispiel des Teilens. Jetzt
wuenschen wir uns, dass diese Partnerschaften mehr ins Gleichgewicht
kommen. Im Moment haben wir die materiellen Ressourcen nicht, aber wir
koennen unsere Erfahrung und unsere Spiritualitaet teilen. Das ist eine
Frage von Koinonia."

Die ELKL trat 1967 dem Lutherischen Weltbund (LWB) bei und hat rund
20.000 Mitglieder. (924 Woerter)

(Ein Beitrag von Julia Heyde, Jugendpraktikantin im LWB-Buero fuer
Kommunikationsdienste.)

* * *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer
Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er
inzwischen 138 Mitgliedskirchen, denen rund 66 Millionen ChristInnen in
77 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht
eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK)
und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als
Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B.
oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere
Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von
Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des
Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material
gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder
Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit "LWI"
gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe
abgedruckt werden.

* * *

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION
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Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch
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