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LWI FEATURE: Nicht so einfach wie ABC...


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Mon, 21 Aug 2006 11:21:08 -0500

FEATURE: Nicht so einfach wie ABC*

16. Internationale AIDS-Konferenz: Oekumenische Vorkonferenz befasst sich mit den Auswirkungen von HIV auf Frauen

Toronto (Kanada)/Genf, 20. August 2006 (LWI) * ?Liebe schuetzt dich nicht vor einer HIV-Infektion.? Diese einfache Wahrheit ist fuer viele Frauen nicht leicht zu akzeptieren, betonte Sonia Covarrubias, Sozialarbeit erin und Gesundheitspaedagogin aus Chile, waehrend der oekumenischen und interreligioesen Vorkonferenz im Vorfeld der 16. Internationalen AIDS-Konfe renz (IAK). Covarrubias nahm als Mitglied der Delegation des Lutherischen Weltbundes (LWB) an der 16. IAK teil, die vom 13. bis 18. August im kanadischen Toronto stattfand.

Waehrend der Konferenz wurde berichtet, dass etwa 76 Prozent der HIV-Neuinf ektionen bei jungen Frauen auftreten. Dies veranlasste einige AktivistInnen dazu, das Phaenomen ?Feminisierung von HIV? zu betiteln.

HIV-Praevention fuer Frauen

Die Teilnehmenden dieser Veranstaltung, in der es um die Auswirkungen von HIV und AIDS auf Frauen sowie die Notwendigkeit besonderer Bemuehungen zur Vermeidung von HIV-Infektionen von Frauen ging, erfuhren, dass moralische Interpretationen und theologische Differenzen oftmals die Entwicklung und Verbesserung von HIV-Praeventionsstrategien fuer Frauen verhinderten.

Der am weitesten verbreitete Ansatz ist die sogenannte ABC-Strategie (Abstinence, Being faithful, Condom use * Abstinenz, Treue, Verwendung von Kondomen). Laut Becky Johnson vom Globalen Oekumenischen Aktionsbuendnis (Ecumenical Advocacy Alliance * EAA), einem Netzwerk mit Sitz in Genf, das sich fuer einen besseren Zugang zu effizienter Praevention und Behandlung von HIV und AIDS einsetzt, ist ?ABC kein ganzheitlicher Ansatz?.

Waehrend der Sitzung aeusserten sich viele RednerInnen nur anonym, was von BeobachterInnen als Zeichen fuer ein Gefuehl der Verwundbarkeit hinsichtlic h Fragen sexuellen Verhaltens gedeutet wurde.

Eine junge Frau erklaerte, der ABC-Ansatz zur Praevention betone die Verantwortung des Einzelnen und vernachlaessige dabei die Pharmaindustrie. ?Das laesst es so aussehen, als waere der uneingeschraenkte Zugang (zu Praeventivmassnahmen) nicht entscheidend, als zaehle nur die persoenliche Verantwortung?. Sie fuegte hinzu: ?Frauen haben in bestimmten Situationen einfach nicht die Moeglichkeit, ABC zu praktizieren.?

Die Teilnehmenden verurteilten einstimmig Einschuechterungstaktiken, die in der Vergangenheit als Praeventionsstrategie benutzt wurden. So wurde berichtet, dass beispielsweise Geistliche in Namibia zu Beginn der AIDS-Pandemie versuchten haetten, den Menschen Angst vor dem Geschlechtsver kehr einzujagen. ?Aber Angst als HIV-Praevention einzusetzen, schadet den Kindern und Teenagern, die beaengstigt werden, und es foerdert die Stigmatisierung?, so die Teilnehmenden.

Kritik wurde auch an Kirchen geaeussert, die davor zurueckscheuten, das ?C? der ABC-Strategie * die Benutzung von Kondomen * zu unterstuetzen. ?ABC ist ein Schwarz-Weiss-Ansatz in einer grauen Welt?, erklaerte eine Frau. ?Wir muessen ueber ABC hinausgehen.?

Armut und haeusliche Gewalt

Das Problem der HIV-Infektionen bei Frauen liegt nicht nur in sexuellen Beziehungen und dem Recht auf Schutz. Es ist ebenfalls eng mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen verbunden, in denen die Frauen leben.

Patricia Achieng Sawo aus Kenia, Ostafrika-Koordinatorin des Afrikanischen Netzwerks mit HIV oder AIDS lebender oder durch HIV oder AIDS betroffener religioeser Fuehrungspersoenlichkeiten (ANERELA+), betonte: ?Wir hatten 25 Jahre HIV und AIDS, aber 2.000 Jahre voll Armut und Gewalt!?

ANARELA+ verfolgt als Alternative zu ABC die sogenannte SAVE-Strategie: Geschuetzter Geschlechtsverkehr, Verfuegbarkeit von Medikamenten und Ernaehrung, freiwillige Beratung und Tests sowie Staerkung der Eigenverantw ortung.

Mit Hinblick auf den Unterschied zwischen dem Wissen um HIV-Praeventionsstr ategien und der tatsaechlichen Verhaltensaenderung bemerkte eine Rednerin, die viele Jahre in der HIV und AIDS-Praevention taetig war, dass sich fuer Frauen, die in absoluter Armut leben, die Frage der ABC-Strategie oder beliebiger anderer Ansaetze oft gar nicht stelle: ?Ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft leben die Menschen nur fuer den Augenblick. Durch diese Hoffnungslosigkeit breitet sich HIV noch weiter aus. Warum soll ich vorsichtig sein, wenn sowieso keine Hoffnung fuer mich besteht??

Pfr. James M. Matarazzo Jr. von der Interfaith Consulting Group, LLC, in Boston (USA) verbindet HIV mit haeuslicher Gewalt gegen Frauen, die in der Diskussion um Praeventionsstrategien oftmals vernachlaessigt werde. ?Haeusliche Gewalt kann sich in koerperlichen, sexuellen, emotionalen, wirtschaftlichen oder psychologischen Handlungen oder deren Androhung aeussern, die eine andere Person beeinflussen?. Das schliesse jegliches Verhalten ein, das eine Person einschuechtert, manipuliert, demuetigt, isoliert, aengstigt, noetigt, beschuldigt oder verletzt.

Matarazzo bezog sich auf eine Studie, die auf 50 Befragungen weltweit basiert und nach der jede dritte Frau geschlagen, zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder auf eine andere Weise in ihrem Leben missbraucht wird. Zum Zusammenhang zwischen haeuslicher Gewalt und HIV-Praeventionsansaetzen bemerkte Matarazzo: ?Gewalt und die Angst vor Gewalt machen es Frauen schwer, auf geschuetztem Verkehr mit der Benutzung von Kondomen zu bestehen. Die Angst vor Gewalt hindert Frauen daran, sich ueber HIV zu informieren, sich testen zu lassen, ihren Status offenzulegen, sich behandeln zu lassen oder Hilfe und Unterstuetzung zu suchen.? Die Verbesserung der sozialen Lage der Frauen sei integraler Bestandteil der HIV-Praeventionsarbeit, so Matarazzo.

Die Rolle der Kirchen

Viele Teilnehmenden drueckten ihr Bedauern darueber aus, dass Geistliche und Kirchenmitglieder oft nicht wuessten, wie sie auf die HIV-Pandemie reagieren sollten. Sie riefen die Kirchen dazu auf, mehr Frauen von der Basis in die Entwicklung ihrer HIV und AIDS-Strategien und -botschaften mit einzubeziehen.

?Wir in den religioesen Institutionen und Organisationen setzen nur das um, was uns von den Kirchen vorgegeben wird. Wir schreiben die Botschaften nicht selbst. Frauen, insbesondere junge Frauen, sollten von Anfang an mehr einbezogen werden?, so ein Kommentar.

In der Diskussion wurde der Bedarf an Aufklaerungs- und Informationskampagn en zu HIV und AIDS sowohl fuer Maenner als auch fuer Frauen hervorgehoben. Aus ihrer Erfahrung mit Educación Popular en Salud, einer Organisation, die 1982 von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile gegruendet wurde und Gesundheitsaufklaerung leistet, berichtete Covarrubias: ?Bei allem, was wir gegen HIV unternehmen, muessen wir die Unterschiede der Geschlechte r beruecksichtigen. Wenn wir die Maenner aussen vor lassen, wird es nicht funktionieren.?

Laut Covarrubias muss die Kirche ?klare und genaue Informationen ueber HIV bereitstellen und Strategien zur Staerkung der Eigenverantwortung der Gemeinden und der Frauen foerdern?. Sie sieht dies als langfristiges Bemuehen und ermutigt die Kirche, ?offen fuer Begegnungen mit der Gemeinde zu sein und gemeinsam Programme zu entwickeln?. Denn ?die Rolle der Kirche besteht darin, sich an die Seite der Ausgegrenzten zu stellen, um soziale Ungerechtigkeiten zu ueberwinden?, fuegte sie hinzu. (971 Woerter)

(Ein Beitrag von LWI-Korrespondentin Julia Heyde, Toronto. Weitere Informationen ueber die oekumenische Vorkonferenz und die Internationale AIDS-Konferenz 2006 finden Sie unter http://iac.e-alliance.ch/index.php.)

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischenen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit ?LWI? gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.

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LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

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