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Title: "Nur Buerger zweiter Klasse"


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Date Tue, 21 Nov 2006 07:39:23 +0100

Title: "Nur Buerger zweiter Klasse"

21. November 2006

Adventistischer Pressedienst (APD)

Christian B. Schaeffler, Chefredakteur

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"Nur Buerger zweiter Klasse" -

Orthodoxer Patriarch beklagt Diskriminierung der Christen in der Tuerkei

Istanbul/Tuerkei (APD) Bei einem Empfang von Journalisten aus Oesterreich, Deutschland und der Schweiz in seinem Amtssitz in Istanbul wies der Oekumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., auf die Probleme hin, mit denen nicht-moslemische religioese Minderheiten in der Tuerkei kaempfen muessen. Beim bevorstehenden Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Tuerkei "wird es sich nicht vermeiden lassen, auch ueber die Probleme der Minderheiten sowie ueber die religioese Freiheit und die Menschenrechte hier im Lande zu sprechen", betonte das griechisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt.

Dass sich die tuerkische Regierung in der Behandlung der griechisch-orthodoxen Kirche auf die Diskriminierung der in Teilen Griechenlands lebenden Muslime berufe, wolle der Oekumenische Patriarch nicht gelten lassen. "Das ist ungerecht, denn wir sind Buerger dieses Landes." Er und seine Priester kaemen ihren Pflichten als Staatsbuerger der Tuerkei nach, unterstrich der Kirchenfuehrer. "Wir leisten Militaerdienst, zahlen Steuern, gehen zur Wahl ? aber gleiche Rechte haben wir nicht." Bartholomaios woertlich: "Wir sind Buerger zweiter Klasse!"

Der Patriarch wies auch auf die Situation des Dreifaltigkeitsklosters auf der Insel Chalki (Heybeliada) hin, das einst Sitz der international beruehmten Theologischen Hochschule des Oekumenischen Patriarchats von Konstantinopel war. Von 1844 bis 1971 wurden hier orthodoxe Priester und Theologen ausgebildet. Mit Hilfe eines neuen Gesetzes, wonach allen privaten religioesen Hochschulen des Landes die Lehrtaetigkeit untersagt wurde, ließ die tuerkische Regierung vor 35 Jahren die Ausbildungsstaette fuer orthodoxe Geistliche schließen. "Das Oekumenische Patriarchat ist vielleicht die einzige Kirche der Welt, die keine Moeglichkeit hat, ihre Priester auszubilden", sagte Bartholomaios. Die Priester, die aus Griechenland und den USA kommend im Patriarchat ihren Dienst tun, bekaemen weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltsgenehmigung. Sie arbeiteten in Istanbul "als Touristen" und muessten alle drei Monate das Land verlassen, um dann mit neuem Visum zurueckzukehren.

Das Oekumenische Patriarchat kaempfe seit 35 Jahren vergeblich fuer eine Wiedereroeffnung der Theologischen Hochschule auf Chalki. Offizielle Schreiben des Patriarchats, die in dieser Sache nach Ankara gesandt wurden, seien bis heute unbeantwortet geblieben. Auf ein moegliches Einlenken Ankaras im Zuge der Annaeherung an die EU sagte Bartholomaios: "Wir sind nicht optimistisch, geben aber die Hoffnung noch nicht auf." Im aktuellen Fortschrittsbericht der Europaeischen Kommission vom 8. November wird der Misstand ausdruecklich erwaehnt, dass die Theologische Hochschule immer noch geschlossen sei.

Probleme gebe es aber auch mit dem Vermoegen des Patriarchats und der orthodoxen Kirchengemeinden. Die Kirchen haetten keinen Rechtsstatus und koennten nur ueber Stiftungen oeffentlich wirken. Bei den haeufigen Enteignungen haetten sie kaum Chancen. Ankara habe zwar kuerzlich ein Gesetz erlassen, das die Grundeigentumsrechte nicht-muslimischer Gruppen staerke; fuer den Patriarchen und andere kirchliche Minderheiten bringe es aber zu wenig.

Das orthodoxe Kirchenoberhaupt klagte ferner, dass die Regierung in Ankara darauf bestehe, dass sein kuenftiger Amtsnachfolger nicht nur das tuerkische Priesterseminar absolvieren, sondern auch tuerkischer Buerger sein muesste. Da es in der Tuerkei nur noch sehr wenige, meist aeltere Bischoefe gebe, werde es immer schwieriger den Regierungsanforderungen zu entsprechen. Der Vorschlag des Patriarchen an die Regierung, einen auslaendischen Nachfolger waehlen zu duerfen und ihm nach der Wahl die tuerkische Staatsbuergerschaft zu verleihen, sei bisher nicht beantwortet worden.

Aus diesen Gruenden setze das Ehrenoberhaupt der weltweiten Orthodoxie, das in der Tuerkei allerdings nur als Seelsorger oder "Oberpfarrer" der griechisch-orthodoxen Christen des Landes gesehen werde, auf den Beitritt der Tuerkei zur Europaeischen Gemeinschaft. Diesen Weg habe er "von Anfang an mit ganzem Herzen unterstuetzt". Er erhoffe sich davon "die Loesung der Probleme aller Minderheiten dieses Landes", sagte Bartholomaios.

Den auslaendischen Journalisten gegenueber betonte der Patriarch, dass er sich bewusst sei, dass es zu einer Mitgliedschaft nur kommen koenne, "wenn die Tuerkei die Voraussetzungen erfuellt, welche fuer alle Mitgliedslaender gelten". Bartholomaios vertrat gegenueber den Medienvertretern die Ansicht, "dass die Religionsunterschiede zwischen Europa und der Tuerkei kein Grund sind, die Tuerkei nicht aufzunehmen".

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Diese Agenturmeldung ist auch im Internet abrufbar :

http://www.stanet.ch/APD/news/1261.html

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