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FEATURE: Befreit von Angst und Ungewissheit


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Wed, 20 Dec 2006 09:56:00 -0600

FEATURE: Befreit von Angst und Ungewissheit

ELKA-Pfarramtskandidatin lebt aus dem Glauben und mit HIV

Chicago (USA)/Genf, 20. Dezember 2006 (LWI) - Die Vorbereitung auf den Dienst als ordinierte(r) PfarrerIn in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) ist mit einem gewissen Mass an Ungewissheit verbunden - in Bezug auf Seminare, Gottes Fuehrung, kirchliche Strukturen, Akzeptanz durch die Gemeinde und einiges mehr.

Auch Andrena Ingram hat mit dieser Ungewissheit zu kaempfen. Als Afro-Ameri kanerin ueber 40 und als allein erziehende Mutter von drei Kindern ist sie jedoch mit noch mehr Ungewissheit in einer Kirche mit 4,85 Millionen Mitgliedern konfrontiert, von denen 97 Prozent Weisse sind. Hinzu kommen die Unsicherheiten, die mit ihrem positiven HIV-Test zusammenhaengen. Dennoch weiss sie sich geborgen in ihrem ueberwaeltigenden Glauben an Jesus Christus, der eine ?verkruemmte? Frau heilte, in der sie sich wiederfindet.

Viele Menschen in meiner Gemeinde starben an AIDS. ?Ich hatte Angst, aber ich tat den Schritt und liess mich testen?, so Ingram. ?Als ich das Testergebnis erhielt, war ich am Boden zerstoert. * Ich fuehlte mich wie ueberfahren.?

?Weil ich so viele Menschen in meiner Gemeinde erlebte, die krank wurden und dahinsiechten, glaubte ich, dass mir das auch passieren wuerde. Ich war niedergeschlagen und machte nur meiner Kinder wegen einen Termin in einer Klinik - natuerlich [ausserhalb] meines Wohnviertels - und die Behandlung begann?, berichtete sie in einem Interview des ELKA News Service. Ihr Arzt empfahl ihr darueber hinaus, wegen der Depressionen eine Therapie zu machen.

Als Ingram von den Initiativen der lutherischen Gemeinde ein paar Haeuser entfernt hoerte, meldete sie ihren Sohn fuer das Sommerprogramm an, um sich ?tagsueber elend fuehlen zu koennen, ohne dass er mich in dieser Verfassung sieht?.

Am Ende des Sommerprogramms in der Transfiguration Lutheran Church in der South Bronx (New York/USA) wurden die Eltern aufgefordert, ihre Kinder fuer das Nachmittagsprogramm waehrend der Schulzeit anzumelden. Es wurde auch angeregt, die Kinder taufen zu lassen oder Gemeindemitglieder zu werden. ?Ich meldete meinen Sohn zur Taufe an und vergass es hinterher aber wieder?, berichtete Ingram.

Einige Tage spaeter standen Pfarrerin Heidi B. Neumark und Vikarin Andrea L. Walker vor Ingrams Tuer. ?Das hat mich sehr beeindruckt?, so Ingram. ?Ich erinnere mich nur daran, dass die Pfarrerin ihre Zeit investierte, um mich zu besuchen.?

Ingram sprach mit ihnen ueber all das, was sie bewegte und durchmachte. ?Ich dachte, dass Gott mich nicht liebt, weil ich so lange fern von ihm gewesen war?, meinte sie. Die Frauen ermutigten sie, ihren Sohn zum Kindergottesdienst zu schicken.

?Ich fuerchtete mich davor, zur Kirche zu gehen, weil ich Angst hatte, von Gott gerichtet zu werden. Ich fuerchtete mich davor, von anderen schief angeschaut zu werden und auch von ihnen abgeurteilt zu werden.? Trotzdem brachte sie ihren Sohn zum Kindergottesdienst und begann, selbst den Gottesdienst zu besuchen.

Die Reaktionen waren voellig anders als erwartet. Keiner schaute sie schief an oder rueckte von ihr ab, berichtete sie. Alle umarmten sie und sagten, ?Jesus liebt dich?.

Ingram hoerte eine Geschichte aus dem Lukasevangelium (13,11-13), wo Jesus eine Frau heilt, die 18 Jahre lang ?verkruemmt? gewesen war, weil sie einen Geist hatte, der sie krank machte. ?In der Geschichte fand ich mich wieder?, sagte sie.

Pfarrerin Neumark ermutigte Ingram, in der Gemeinde Bibelstunden zu halten und beim Kindergottesdienst mitzuarbeiten. Immer, wenn Ingram sagte, sie koenne etwas nicht, ueberzeugte Neumark sie vom Gegenteil. ?Genauso wie Jesus zu der verkruemmten Frau sagt: *Sei frei von deiner Krankheit?, sagte er es zu mir. Ich war frei von meinen Gebrechen; und es war nicht das koerperliche Gebrechen, das mich kruemmte, sondern das emotionale, das geistliche Gebrechen?, erzaehlte sie.

Eines Tages forderte Neumark sie auf, ueber eine Ausbildung im theologische n Seminar nachzudenken. ?Ich sagte: ?Na, ich weiss nicht.? Sie antwortete: *Doch, du kannst das??, berichtete Ingram.

Ausbildung zur Pfarrerin

Ingram bewarb sich bei der Metropolitan New York-Synode der ELKA um eine Ausbildung zur Pfarrerin. Ihr Bewerbungsgespraech beinhaltete auch einen Teil ueber die psychologische Einschaetzung ihrer Person. Dieser Teil endete abrupt mit einer Frage: ?Was geschieht, wenn sie im Seminar sind und AIDS-Demenz bekommen??

?Ich war wie vor den Kopf gestossen, als ich das hoerte?, berichtete Ingram. ?Mir fiel nichts anderes ein als *Danke fuer dieses Gespraech? ?.

Ingram bewarb sich im naechsten Jahr erneut und als dieselbe Frage wieder gestellt wurde, antwortete sie: ?Was waere, wenn sie das Gebaeude verlassen und von einem Bus ueberfahren werden??

Ingram ging ins lutherische theologische Seminar nach Philadelphia (USA) als Teil des ELKA-Programms ?Theological Education for Emerging Ministries?, einem alternativen Weg zur Ordination, fuer den kein Magisterabschluss in Theologie erforderlich ist. Waehrend ihres zweiten Jahres in dem Programm entschied sie sich dennoch, einen Magisterabschluss zu erwerben. ?Ich hatte das Gefuehl, dass ich alles brauchen wuerde, was mir das Seminar geben kann, um mit dem Stigma, das mit meinem Alter, meinem Geschlecht, meiner Kultur und meiner Krankheit verbunden ist, umgehen zu koennen. Das Stigma, mit dem ich manchmal zu tun habe, umfasst viel mehr als nur die Krankheit?, betonte sie.

Ingram absolvierte ein einjaehriges Praktikum an der St John Evangelical Lutheran Church, Melrose Park (Pennsylvania/USA). Im Dezember dieses Jahres wird sie voraussichtlich ihre Ausbildung abschliessen und sich um eine Stelle bei einer Gemeinde der Southeastern Pennsylvania-Synode bewerben.

Oeffentlich aktiv sein

Im August nahm Ingram an der 16. Internationalen AIDS-Konferenz in Toronto (Kanada) sowie an der interreligioesen Vorkonferenz teil, auf der Mark S. Hanson, Leitender Bischof der ELKA und seit Juli 2003 Praesident des Lutherischen Weltbundes, religioese Fuehrungspersoenlichkeiten aufforderte, das AIDS-Stigma zu bekaempfen und der Diskriminierung durch HIV-Tests und Bekanntgabe der Ergebnisse entgegenzuwirken.

?Ich bin mir darueber im Klaren, dass es nicht ganz ohne Risiko ist, als geistliche Leiterin aufzustehen und HIV ein Gesicht zu geben. Aber es gibt ein noch groesseres Risiko?, so Ingram. ?Naemlich das Risiko, dass Menschen tagein tagaus ungeschuetzt Geschlechtsverkehr haben. Das Risiko, dass jemand das Stigma spuert ... die Diskriminierung, weil er oder sie HIV-infiziert ist oder AIDS hat?.

Menschen mit HIV oder AIDS sollten in der Kirche ?einen Zufluchtsort, einen Schutzraum vor den Stuermen des Lebens? finden, meint sie. ?Die Menschen werden keinen HIV-Test machen, wenn sie Angst haben muessen, hinterher abgelehnt zu werden.?

?Wir koennen etwas gegen die Ausbreitung von [HIV] tun. Wir koennen das Stigma und die Diskriminierung beseitigen. Wir koennen einander lieben, und * die Gemeinschaft sein, zu der wir berufen sind - der Leib Christi?, betonte Ingram. ?Ich moechte eine Bruecke sein zwischen der Gemeinschaft [der HIV-Infizierten und AIDS-Kranken] und der Kirche.? (1.056 Woerter)

(Ein Beitrag von Frank Imhoff, stellvertretender Direktor des ELKA News Service.)

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen Welt-Informa tion (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung 2003 ?Zur Heilung der Welt?. Die Serie beleuchtet die Relevanz des Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der Zehnten Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada ) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66,2 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

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