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Feature: Wir sind wie Rettungswagen


From "Frank Imhoff" <Frank.Imhoff@elca.org>
Date Thu, 12 Jul 2007 18:15:08 -0500

LWI online unter: www.lutheranworld.org/News/Welcome.DE.html

LUTHERISCHE WELT-INFORMATION Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch Tel.: +41-22-791-6352 Fax: +41-22-791-6630 E-Mail: dmg@lutheranworld.org

Feature: Wir sind wie Rettungswagen

Mosambik: HIV und AIDS-AktivistInnen geben Gemeinschaften Hoffnung

Maputo (Mosambik)/Genf, 12. Juli 2007 (LWI) - Es ist ein typischer heisser Nachmittag in Chamanculo âDâ, einem Elendsviertel unweit der eleganten Vorstaedte von Mosambiks Hauptstadt Maputo. Eine Gruppe von zwoelf Personen - zehn Frauen und zwei Maenner - teilt sich in kleinere zwei- oder dreikoepfige Teams auf und legt fest, wer heute welches Gebiet und welche Haeuserbloecke besucht.

Alice Muyanga, Alice Filipe Hunguana und Maria Julia Mahlelela gehoeren einer Gruppe von HIV und AIDS-AktivistInnen an, die regelmaessig Hausbesuche in Chamanculo âDâ durchfuehren. Die unter dem Namen âactivistasâ bekannte Gruppe wird vom Laenderprogramm der Abteilung fuer Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Mosambik unterstuetzt.

âUnsere Arbeit * das sind Hausbesucheâ, sagt Mahlelela, die in der Gemeinschaft liebevoll Mama Maria genannt wird. âWir haben kein Buero, wo die Leute uns besuchen und um Hilfe bitten koennen; unsere Bueros, das sind die Haeuser der Menschenâ, erklaert sie.

Die âactivistasâ besuchen von HIV und AIDS Betroffene zu Hause und kuemmern sich um sie. Ihre Aufgaben sind vielfaeltig. Sie beraten die Menschen, zeigen ihnen, wie sie sich gesund ernaehren koennen, und begleiten die PatientInnen zur Behandlung ins Krankenhaus. Sie konfrontieren die Gemeinschaft aber auch mit dem Problem der Stigmatisierung, indem sie oeffentlich ueber das Virus und AIDS sprechen.

Der Stadtteil Chamanculo ist in vier Bezirke aufgeteilt - A, B, C und D -, in denen insgesamt ueber 800.000 Menschen leben. Die âactivistas â arbeiten im Bezirk âDâ, der eine Bevoelkerung von rund 80.000 Menschen hat.

Nach dem Buergerkrieg sind sie geblieben

Mama Maria erklaert, dass der Name Chamanculo âriesiges Badâ bedeutet und nach den Ueberschwemmungen Ende der 1970er Jahre entstanden ist. Der kontinuierliche Zustrom von Tausenden von Binnenvertriebenen, die vor dem Buergerkrieg in den Jahren 1976 bis 1992 geflohen waren, verschaerfte die Infrastrukturprobleme des Stadtteils. Nach dem Krieg kehrten die Menschen jedoch nicht in ihre Heimat zurueck. Chamanculo - mit seinen kleinen Haeusern aus Stein, Lehm, Blech oder Stroh, die mit Blech- oder Plastikdaechern abgedeckt und entlang der engen, staubigen Strassen gebaut wurden - ist zu ihrer Heimat geworden.

In Chamanculo âDâ sitzen zahlreiche junge Maenner und Frauen im Schatten der Baeume oder gehen ziellos in den Strassen umher. âDas ist die traurige Geschichte von Chamanculoâ, erzaehlt Hunguana. âHier herrscht wirkliche Armut. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, die Wohnverhaeltnisse sind entsetzlich, es gibt kein fliessendes Wasser, keine Toiletten und keinen Strom, und dazu kommen noch die Probleme mit HIV und AIDS * Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir in unserer Arbeit tagtaeglich zu tun habenâ, sagt sie traurig.

Unterstuetzung von Familien

Die âactivistasâ unterstuetzen derzeit rund 100 Menschen in dem Gebiet. âEs ist schwer, zu den Familien zu gehen und einfach ueber HIV und AIDS zu sprechen, ohne sich auch um ihre anderen Probleme zu kuemmernâ, erklaert Hunguana. Menschenrechtsfragen, sexuelle Rechte und haeusliche Gewalt sind wichtige Themen, auf die die âactivistas â vom AWD-Laenderprogramm in Mosambik in besonderen Kursen vorbereitet wurden.

Auf ihrem heutigen Rundgang treffen die drei Frauen Caroline Siveriano Ncumbe, die als Hausangestellte in Suedafrika gearbeitet hat, auf einer Matte im Schatten liegend an.

âWir waren zuerst voellig schockiert, als sie nach Hause zurueckgekommen istâ, erzaehlt ihre Schwe ster Maria Julia, eines der sieben Geschwister, die im Ncumbe-Haushalt leben und ihre kranke Schwester pflegen. âWir wussten, dass sie krank ist, aber wir wussten nicht, wie sehr ihr Koerper durch die Krankheit bereits zerstoert istâ, erklaert sie. Keines der Familienmitglieder hat eine feste Arbeitsstelle. Sie alle leben von kleinen Gelegenheitsjobs, wie zum Beispiel dem Verkauf von Kleinwaren.

Die âactivistasâ freuen sich, dass Caroline so gut umsorgt ist. âSie hat grosses Glueck, dass sie von ihrer Familie emotional und psychisch unterstuetzt wirdâ, betont Hunguana.

âIch weiss, dass ich meiner Schwester Kraft geben kann. Ich kenne die Angst und die Qualen, die sie gegenwaertig durchleidet, weil ich das selbst erlebt habe, und ich mache ihr Mutâ, berichtet ihr Bruder Atanasio, der ebenfalls HIV-infiziert ist und von der vom LWB unterstuetzten Gruppe betreut wird. Er war einer der ersten, der im Rahmen des LWB-Wohnungsbauprojekts âChamanculo Dâ eine Unterkunft erhielt. Dieses Projekt fuer Menschen mit HIV und AIDS umfasst insgesamt zehn Haeuser mit zwei grossen Zimmern sowie eine Latrine und einen Duschraum.

Seit zwei Jahren besucht Alice Muyanga die 28-jaehrige Olinda Antonio, die ein Kind hat und gegenwaertig bei ihrer Schwester wohnt. âIch bin sehr froh, dass sie jetzt wieder so viel Kraft hat, dass sie sich selbst versorgen kannâ, sagt Muyanga, die sich noch an ihre ersten Besuche bei Olinda erinnert. Damals konnte sie kaum noch alleine gehen und war auf die regelmaessigen Besuche einer Krankenschwester angewiesen. Heute kommen die âactivistasâ, um sie emotional zu unterstuetzen und âsicherzustellen, dass sie ihren Behandlungsplan einhaelt und sich gesund ernaehrtâ, erklaert Muyanga.

Naehprojekt

Die 43-jaehrige Julieta Marule Novela und ihre zwei Kinder lebten frueher in Gaza. Als sie erfuhr, dass sie HIV-positiv war, und ihr aeltester Sohn es ablehnte, sich um sie zu kuemmern, und dazu noch den groessten Teil ihrer persoenlichen Habe verkaufte, waren sie nach Chamanculo gezogen. In Maputo sorgten die âactivistasâ dafuer, dass Novela mit antiretroviralen Medikamenten behandelt und zum Krankenhaus hin und zurueck gebracht wird.

âMir geht es viel besser, seit ich die Behandlung begonnen habeâ, erzaehlt Novela. Sie und die Familie ihrer Schwester haben zwei Naehmaschinen, mit denen sie Kleider naehen, um Geld fuer den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen.

Zufrieden mit Novelas Zustand kehren die Mitglieder des vom LWB unterstuetzten Betreuungsteams ins Gemeinschaftszentrum zurueck, um sich neu zu organisieren, mit den anderen zu besprechen und die Arbeit fuer den naechsten Tag zu planen.

Bekaempfung der Stigmatisierung

âActivistaâ Alice Filipe Hunguana hat als erste in der Gemeinschaft oeffentlich darueber gesprochen, dass sie HIV-positiv ist. Mit ihrer Offenheit hat sie einen Beitrag zur Bekaempfung der Stigmatisierung der Betroffenen in Chamanculo âDâ geleistet. Hunguana erzaehlt, dass viele HIV-Infizierte nicht wollen, dass andere von ihrem Zustand erfahren, âweil AIDS nach wie vor als moralisches und nicht als Gesundheitsproblem gesehen wird.â

Vor fuenf Jahren war es fuer die âactivistasâ noch schwierig, Menschen mit HIV und AIDS in der Gemeinschaft zu besuchen. âEinige schlugen uns die Tuer vor der Nase zuâ, erinnert sich Mama Maria. âHeute kommen die Menschen von alleine zu uns und bitten uns, ihnen zu helfen * einige kommen allerdings nachts.â

âWir ueberzeugen die Menschen davon, dass wir fuer sie da sind. Einige von denen, die wir betreuen, werden spaeter selbst *activistasâ.â Laechelnd fuegt Hunguana hinzu: âWir sind wie Rettungswagen, jeden Tag stehen wir 24 Stunden auf Abruf bereit.â (1.067 Woerter)

(Ein Beitrag der simbabwischen Journalistin Diana Mavunduse. Sie ist Kommunikationskoordinatorin des Primateâs World Relief and Development Fund, des Nothilfe- und Entwicklungsdienstes der Anglikanischen Kirche Kanadas.)

*Das LWB/AWD-Laenderp rogramm in Mosambik arbeitet gemeinschaftsorientiert und erstreckt sich auf fuenf der zehn Provinzen des Landes. Eines seiner Hauptziele ist die Unterstuetzung der Bevoelkerung im Blick auf die Reduzierung der Risiken und Anfaelligkeit fuer HIV und AIDS sowie die Milderung der Folgen fuer die von der Krankheit Betroffenen.

Dieser Beitrag gehoert zu einer Feature-Serie der Lutherischen Welt-Information (LWI) zum Thema der Zehnten LWB-Vollversammlung 2003 âZur Heilung der Weltâ. Die Serie beleuchtet die Relevanz des Vollversammlungsthemas in den verschiedenen regionalen und lokalen Kontexten der weltweiten lutherischen Gemeinschaft und stellt Projekte der Versoehnung und Heilung vor angesichts weltweiter Bedrohung. Auch nach Abschluss der Zehnten Vollversammlung, die vom 21. bis 31. Juli 2003 in Winnipeg (Manitoba/Kanada) stattfand, bildet das Vollversammlungsthema einen der Schwerpunkte der Arbeit des LWB.

* * *

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 66,7 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit âLWI â gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.


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