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(LWI 03-07-2008) FEATURE: Geld fuer Schulgebuehren, Lebensmittel und Medikamente


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Date Fri, 28 Mar 2008 12:15:58 +0100

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LUTHERISCHE WELT-INFORMATION Postfach 2100, CH-1211 Genf 2, Schweiz Deutsche Redaktion: Dirk-Michael Groetzsch Tel.: +41-22-791-6352 Fax: +41-22-791-6630 E-Mail: dmg@lutheranworld.org

FEATURE: Geld fuer Schulgebuehren, Lebensmittel und Medikamente

Namibia: Initiative eines lutherischen Bischofs bringt Gemeinwesen neue Hoffnung

Otjivero-Omitara (Namibia)/Genf, 28. Maerz 2008 (LWI) - Mitte Februar 2008 waren gerade sechs Wochen seit dem Start eines Pilotprojekts in Namibia zur Einfuehrung eines Grundeinkommens (Basic Income Grant, BIG) vergangen. Die auf zwei Jahre festgelegte Testphase hat also gerade erst begonnen, aber viele EinwohnerInnen von Otjivero-Omitara, die eine 24-monatige Beihilfe erhalten, spueren bereits jetzt die positive Wirkung von BIG in ihren Familien und das vorhandene Potenzial fuer gemeinschaftliche Entwicklungsprojekte zur Verbesserung des oertlichen Lebensstandards.

Martha Kristian und Melca Ourum, Lehrerinnen an der Grundschule von Otjivero, betonen, BIG sichere nicht nur ein Minimum an Schulbildung fuer viele Kinder armer Familien, es eroeffne auch Chancen auf einen weiterfuehrenden Schulbesuch. âEs ist wirklich eine gute Einrichtung - die Schulgebuehren fuer viele Schueler und Schuelerinnen werden bezahlt und die Kinder koennen eine richtige Schuluniform tragen. Ausserdem koennen sie an Sportveranstaltungen anderer Schulen teilnehmen, denn jetzt ist Geld dafuer auf der Bankâ, erklaert Kristian.

Vor Beginn des Projekts war die Schule vor allem auf unregelmaessige Spenden aus dem Gemeinwesen angewiesen, in dem die Arbeitslosenquote sehr hoch ist. Nur diejenigen, die auf den Farmen Arbeit haben, konnten einen Teil der Schulkosten bezahlen. âJetzt ist dagegen sehr deutlich, dass die Eltern die Schulgebuehren bezahlt habenâ, stellt Ourum fest. Beide Lehrerinnen sind zuversichtlich, dass ihre Schule mittel- und langfristig ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, ohne von der Unterstuetzung durch SpenderInnen abhaengig zu sein.

13 US-Dollar im Monat

Kristian und Ourum gehoeren zu den rund 900 EinwohnerInnen von Otjivero-Omitara, die im Rahmen des ersten BIG-Pilotprojekts in Namibia von Januar 2008 bis Dezember 2009 ein monatliches Grundeinkommen von jeweils 100 Namibischen Dollar (umgerechnet etwa 13 US-Dollar/USD) erhalten. Die Beihilfe soll Armut bekaempfen, Chancengleichheit foerdern und die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln. Das Projekt wird von EinzelspenderInnen, Gemeinden sowie Kirchen und Hilfswerken aus dem Ausland wie auch dem Lutherischen Weltbund (LWB) unterstuetzt.

Armut ist in der Gesellschaft Namibias allgegenwaertig und tritt in der Bevoelkerung von 1,8 Millionen Menschen in unterschiedlicher Gestalt auf. Nach Angaben der Nationalen Planungskommission leben in einer Volkswirtschaft, die sich hauptsaechlich auf die reichhaltigen Rohstoffvorkommen stuetzt und in der die Einkommensschere weiter auseinanderklafft als in den meisten anderen Laendern weltweit, 75 Prozent der Bevoelkerung unter der Armutsgrenze, also von weniger als 1,50 USD am Tag. Ueber 62 Prozent der Bevoelkerung leben in laendlichen Gebieten von der Landwirtschaft und produzieren gerade genug fuer den Eigenbedarf. Die Arbeitslosenrate in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jaehrigen wurde 2004 auf 57,4 Prozent geschaetzt und liegt heute moeglicherweise bei bis zu 60 Prozent.

Vor diesem Hintergrund bildete sich im April 2005 ein breites zivilgesellschaftliches Buendnis, dem auch Kirchen angehoeren, um sich fuer die Einfuehrung eines Grundeinkommens fuer alle namibischen BuergerInnen einzusetzen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Zahlungen an nicht Beduerftige sollen durch Steueranpassungen ausgeglichen werden. Den Vorschlag fuer eine Beihilfe dieser Art hatte im Jahr 2002 eine von der Regierung eingesetzte Steuerkommission vorgelegt. Ende 2006 beschloss das Buendnis , ein Pilotprojekt durchzufuehren, anhand dessen konkret nachgewiesen werden soll, dass eine solche Beihilfe funktionieren kann. Mit dem Projekt soll auch die positive Wirkung zur Eindaemmung der Armut und Entwicklung der Wirtschaft demonstriert werden.

Umverteilungsgerechtigkeit und Bildung

Mit Bischof Dr. Zephania Kameeta von der

Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELKRN) an der Spitze argumentiert das Buendnis, es wolle mit gutem Beispiel vorangehen, wobei das eigentliche Ziel sei, die Regierung in die Verantwortung zu nehmen und von ihr eine Einfuehrung der Beihilfe einzufordern. Seine Mitglieder erschliessen Mittel, die in die Auszahlung der Beihilfe in einem Modell-Gemeinwesen fliessen, und setzen so ein Beispiel fuer Umverteilungsgerechtigkeit. Sie dokumentieren dabei auch die Folgen der Einkommenssicherheit hinsichtlich der Verringerung von Armut und der Entwicklung der Wirtschaft.

In Otjivero, einer erst in den letzten zehn Jahren entstandenen wilden Ansiedlung in der Nachbarschaft des Dorfes Omitara, ist Armut alltaegliche Realitaet. Eine Krankenschwester der Krankenstation von Omitara bestaetigt: das monatliche Grundeinkommen âmacht den Leuten das Leben leichter, denn jetzt koennen sie ihre Kinder zur Schule schicken und ihre Familie ernaehrenâ. Sehr positiv bewertet sie die Auswirkungen auf von HIV und AIDS Betroffene. âSie kamen zu mir und haben gesagt, dass sie das Geld jetzt dafuer verwenden werden, Medikamente aus der Stadt Gobabis [im Osten] zu bestellen, und manche kamen sogar auf mich zu und haben mich darum gebeten, sie in die Stadt mitzunehmen, um dort Lebensmittel einzukaufenâ, erzaehlt sie.

Die Krankenschwester, die nicht namentlich genannt werden moechte, betont jedoch auch, dass die Bevoelkerung ueber eine langfristige soziooekonomische Absicherung aufgeklaert und man sich der Risiken einer solchen Beihilfe bewusst werden muesse. Die EmpfaengerInnen âmuessen die Haende vom Alkohol lassenâ , warnt sie und verweist ausserdem auf Faelle von Mangelernaehrung und Untergewicht bei Kindern sowie die Notwendigkeit, Familien ueber Ernaehrungsfragen zu informieren.

Bereitwillig bietet sie ihre Unterstuetzung an, damit BIG seine positive Wirkung entfalten kann. âIn Zukunft werde ich mich engagieren und untersuchen, wie das Geld verwendet wird. Auch fuehre ich ein Programm durch, das Kinder in bestimmten Abstaenden wiegt. Mit dem Geld koennen die Menschen jetzt ihre Besuche in der Krankenstation bezahlen und uns stehen dadurch Mittel zur Verfuegung, um mehr Medikamente einzukaufen und Patientinnen und Patienten bei Bedarf oefter nach Gobabis zu fahren.â Auch ihr Gesundheitszentrum werde profitieren: âDi e Menschen werden die Krankenstation oefter nutzen und das [Gesundheits-]Ministerium wird feststellen, dass es Bedarf fuer eine zweite Krankenpflegestelle gibt.â

Kritik

Bischof Kameeta, seit 2003 auch LWB-Vizepraesident fuer die Region Afrika, stimmt nicht mit denjenigen EinwohnerInnen ueberein, die meinen, die EmpfaengerInnen der Beihilfe haetten die Zahlung im Januar fuer Alkohol ausgegeben, anstatt damit ihre Lebenssituation zu verbessern. âIch weiss, dass es Menschen gibt, die die Vergangenheit nicht hinter sich lassen wollen und versuchen, mit allen Mitteln ihre hergebrachten Vorrechte zu rechtfertigen. Das sind keine neuen Leute und auch ihre Argumente sind nicht neuâ, so Kameeta in seiner Ansprache anlaesslich der BIG-Auszahlung am 15. Februar, die von Paul Kisting, Stellvertretender Bischof der ELKRN, verlesen wurde.

Kameeta erklaerte, er wolle âdas Problem des Alkoholmissbrauchs in allen Bevoelkerungs- und Einkommensgruppen unserer Gesellschaft nicht herunterspielen. Es ist jedoch kein Problem, das nur die Armen angeht.â Er verwies auch auf zwei von DorfbewohnerInnen seit Januar neu eroeffnete Laeden, die âbewusst keinen Alkohol verkaufenâ.

Der Bischof der ELKRN betonte, er sei zuversichtlich, dass diese neuen Einkaufsmoeglichkeiten den VerbraucherInnen in Otjiver o-Omitara zukuenftig eine echte Wahl ermoeglichen und sie nicht laenger gezwungen sein wuerden, ueberhoehte Monopol-Preise zu bezahlten. Er stellte fest, dass laut Grundschulleitung im Januar mehr als doppelt so viele Eltern als im Vorfeld die Schulgebuehren bezahlt haetten.

Kameeta forderte KritikerInnen des BIG-Projekts auf, Geduld zu ueben und vor der Bildung eines abschliessenden Urteils die notwendige wissenschaftliche Untersuchung und Bewertung abzuwarten. âWir wissen, wie leicht alte Vorurteile sich fortpflanzen. Deswegen wollen wir konkrete, wissenschaftlich fundierte Forschungsergebnisse vorlegen und auf dieser Grundlage den Erfolg des Projekts bewerten.â

LWB-Generalsekretaer Pfr. Dr. Ishmael Noko wuerdigte das namibische Buendnis und dessen Initiative gegen Armut. âDurch das Grundeinkommen beweisen die Kirchen und die Bevoelkerung Namibias, dass man sich der Armut entgegenstellen kann. Sofern der politische Wille besteht, gibt es Hoffnung auf einen guten Weg in die Zukunftâ, so Noko in einer Botschaft an das Buendnis aus Anlass der Auszahlung der Beihilfen im Februar.

Noko beschrieb die Initiative als Anregung fuer andere Kirchen und Gruppen, Programme in Angriff zu nehmen, die diejenigen, die den Schmerz der Armut erleben, dazu befaehigen, ihre Situation zu verbessern. âEs geht darum, die Ressourcen, die uns Gott schenkt, gerecht zu verwalten und und umzuverteilenâ, so Noko. (1.226 Woerter)

(Ein Beitrag des ELKRN-Referats fuer soziale Entwicklung.)

Weitere Informationen zum BIG-Buendnis in Namibia finden Sie in englischer Sprache unter: www.bignam.org

âSo the poor have hope, and injustice shuts its mouthâ (Dem Armen wird Hoffnung zuteil, und die Bosheit muss ihren Mund zuhalten [Hiob 5,16]), eine Publikation des LWB zum Thema Armut und Mission der Kirche in Afrika, kann bestellt werden bei: uli@lutheranworld.org

Die Sonderausgabe der Lutherischen Welt-Information, âMit Reichtum haushalten - Armut ueberwindenâ steht auf der LWB-Webseite im Format PDF zum Download zur Verfuegung unter: http://www.lutheranworld.org/What_We_Do/OCS/LWI-2007-PDF/LWI-200708-DE-low. pdf

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 in Lund (Schweden) gegruendet, zaehlt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen rund 68,3 Millionen ChristInnen in 78 Laendern weltweit angehoeren.

Das LWB-Sekretariat befindet sich in Genf (Schweiz). Das ermoeglicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Rat der Kirchen (OeRK) und anderen weltweiten christlichen Organisationen. Der LWB handelt als Organ seiner Mitgliedskirchen in Bereichen gemeinsamen Interesses, z. B. oekumenische und interreligioese Beziehungen, Theologie, humanitaere Hilfe, Menschenrechte, Kommunikation und verschiedene Aspekte von Missions- und Entwicklungsarbeit.

Die LUTHERISCHE WELT-INFORMATION (LWI) wird als Informationsdienst des Lutherischen Weltbundes (LWB) herausgegeben. Veroeffentlichtes Material gibt, falls dies nicht besonders vermerkt ist, nicht die Haltung oder Meinung des LWB oder seiner Arbeitseinheiten wieder. Die mit âLWIâ gekennzeichneten Beitraege koennen kostenlos mit Quellenangabe abgedruckt werden.

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