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ORK Zentralausschuss, Nr. 7
From
smm@wcc-coe.org
Date
17 Sep 1996 08:40:44
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Oekumenischer Rat der Kirchen
Pressemitteilung
Zur Veroeffentlichung frei
17. September 1996
ZENTRALAUSSCHUSS Nr. 7
Zerzaustes Segel - verkleinerte Manschaft
Oekumenischer Rat der Kirchen befindet sich in ernsthaften Schwierigkeiten
Zwei Jahre vor seinem 50jaehrigen Bestehen befindet sich der Oekumenische Rat der Kirchen in ernsten Schwierigkeiten. Sinkende Einahmen, Verluste bei Investitionen und Devisentermingeschaeften und unrealistisch hoch angesetzte Wechselkurse haben fuer ein Millionendefizit im Haushalt gesorgt und zwingen ihn dazu, die Anzahl seiner Mitarbeiter von 27O auf 190 zu reduzieren. Gleichzeitig sieht sich der Dachverband von 330 protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen vor die Aufgabe gestellt, auf Veraenderungen in seiner Zusammensetzung zu reagieren, neu ueber sein Selbstverstaendnis nachzudenken und "schlankere" Arbeitsstrukturen zu schaffen.
Wie schwierig sich dieser Prozess gestaltet, machen die Beratungen und Diskussionen in dem seit Donnerstag in Genf tagenden Zentralausschuss des Weltkirchenrats deutlich. Der Rat versteht sich zwar als eine "Gemeinschaft des Teilens, der Solidaritaet und gemeinsamen Zeugnisses" - doch die Bereitschaft seiner Mitgliedskirchen, ihn auch finanziell zu unterstuetzen, ist hoechst unterschiedlich ausgepraegt.
Etwa die Haelfte aller Kirchen, darunter auch die einflussreiche russisch-orthodoxe Kirche, steuern bislang ueberhaupt nichts bei. 75 Prozent der Gesamtzuschuesse der Kirchen von 6,2 Millionen Schweizer Franken im vergangenen Jahr kamen aus Deutschland, Schweden, den Niederlanden und den USA, wobei die deutschen Kirchen mit fast 40 Prozent den groessten Beitrag leisteten. Sollte dieser "Hauptsponsor" angesichts ruecklaeufiger Kirchensteuereinahmen sein finanzielles Engagement in den naechsten Jahren zurueckschrauben, haette dies weitere spuerbare Auswirkungen auf die Arbeit des Rates. Der dem Zentralausschuss vorgelegte Finanzbericht des OeRK fuer 1995 weist Gesamteinnahmen in Hoehe von 80,4 Millionen Schweizer Franken aus, 9,3 Millionen weniger als im Vorjahr. Die Gesamtausgaben werden mit 101 Millionen Schweizer Franken gegenueber 114 Millionen im Jahr 1994 angegeben. Das Defizit des Rates im laufenden Haushalt liegt bei 1,3 Millionen Schweizer Franken.
Der Aufgabenbereich des OeRK hat sich seit seiner Gruendung staendig erweitert und die Zahl der Mitgliedskirchen verdoppelt. Verschoben haben sich auch die Schwerpunkte der Arbeit. Kamen zwei Drittel der "Gruenderkirchen" noch aus Europa und den USA, so stammen heute fast zwei Drittel der Mitgliedskirchen aus Weltregionen ausserhalb dieses Bereichs. Auch dies erfordert neben dem erzwungenen Personalabbau neue Arbeitsstrukturen. Die Grundlage dafuer soll ein umfassender Diskussionsprozess in den Mitgliedskirchen bieten, fuer den im Zentralausschuss ein Entwurf ueber das "gemeinsame Verstaendnis und die gemeinsame Vision" des OeRK vorgelegt wurde. Zur Debatte stehen auch moegliche Aenderungen der Verfassung des OeRK.
Seinem verfassungsgemaessen Selbstverstaendnis zufolge sieht sich der Rat als eine Gemeinschaft von Kirchen, die der weltweiten oekumenischen Bewegung mit ihren unterschiedlichen Beziehungsebenen als "Instrument und Ausdrucksform" zur Verfuegung steht. Wie das im Einzelnen zu geschehen hat - darueber gehen die Auffassungen oft weit auseinander. Zu dem Versuch, Kirchen unterschiedlicher Tradition eine gemeinsame Plattform zu bieten, gibt es jedoch nach wie vor keine Alternative.
Der Bochumer Theologieprofessor Konrad Raiser (58), mit dessen Wiederwahl fuer eine zweite Amtszeit als OeRK-Generalsekretaer im Verlauf der Zentralausschusssitzung fest gerechnet wird, steht vor einem Berg von Problemen, sieht die Funktionsfaehigkeit der Kirchengemeinschaft aber nicht gefaehrdet. Er bemueht sich darum, die Situation bis zur naechsten Vollversammlung 1998 in Harare (Simbabwe) zu stabiliseren und das Oekumeneschiff mit arg zerzaustem Segel und verkleinerter Mannschaft um drohende Klippen zu steuern.
Die Vollversammlung, zu der mehrere tausend Delegierte, Berater und Beobachter erwartet werden, steht unter dem Leitwort "Kehrt um zu Gott - seid froehlich in Hoffnung". Die Vorbereitungen dazu sind von der Diskussion um ein Thema begleitet, mit dem sich der Rat bislang wegen unueberwindbarer Gegensaetze in seinen Reihen nicht beschaetigt hat: Dem Umgang mit Homosexuellen. Wie viele afrikanische Kirchenfuehrer verurteilen auch die meisten Bischoefe Simbabwes homosexuelle Praktiken als suendhaft und Praesident Robert Mugabe droht Homosexuellen, die sich "outen", noch bis vor kurzem mit strafrechtlicher Verfolgung. Inzwischen hat seine Regierung aber mit dem Weltkirchenrat eine Uebereinkunft getroffen, derzufolge es keinerlei staatliche Eingriffe in den Ablauf der Vollversammlung geben soll.
Alarmierende Zahlen enthaelt der Bericht einer Beratungsgruppe des OeRK zur Ausbreitung der Immunschwaechekrankheit AIDS: Weltweit seien gegenwaertig etwa 20 Millionen Menschen HIV infiziert und taeglich muesse mit schaetzungsweise 6000 Neuinfektionen gerechnet werden. Die von dem deutschen Tropenmediziner und Theologen Christoph Benn (Tuebingen) geleitete Beratungsgruppe hat fuer den OeRK eine 70seitige Studie erarbeitet. Darin werden die Kirchen zu staerkerem Engagement in ihrem seelsorgerlichen Dienst, in der Aufklaerungsarbeit zur Krankheitsverhuetung und bei ihrem gesellschaftlichen Engagement fuer HIV-Infizierte aufgerufen. Als wirksame Praeventivmassnahmen werden sexuelle Abstinenz, Treue zum Partner, die Benutzung von Kondomen sowie Vorsichtsmassnahmen beim Umgang mit Blut und Spritzen empfohlen. Der Einfuehrung des AIDS-Dokuments, das noch im Zentralausschuss behandelt wird, war ein Gottesdienst in der Kapelle des OeRK vorausgegangenen, bei dem die Brasilianerin Lus!
marina Campos-Garcia in einem eindrucksvollen liturgischen Tanz auf die AIDS-Problematik einging und Besucher die Moeglichkeit erhielten, sich mit Hilfe roter Schleifen symbolisch mit HIV-Infizierten zu solidarisieren.
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Der Oekumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von inzwischen 330 Kirchen in ueber 100 Laendern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die roemisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem OeRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefaehr alle sieben Jahre zusammentritt. Der OeRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegruendet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretaer Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Oekumenischer Rat der Kirchen
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